Und es gibt ihn doch!
War der „Polshe Karera“, den wir jüngst erwähnten, eine Satire? Oder ist es wahr, dass Japaner allen Ernstes „Polshe Karera“ statt „Porsche Carrera“ schreiben? Die Menge an Leserreaktionen ermuntert uns, das Thema ein wenig zu vertiefen.
Er bewirkte Reaktionen. Er weckte Emotionen. Und bei manch einem Leser sogar Ungläubigkeit – der „Polshe Karera“ Im Bericht über den Porsche 911 Carrera 2.7 RS von AUTOart aus dem Manga The Circuit Wolf (Caramini-online vom 1. Mai 2025) erwähnten wir, dass der japanische Bausatzhersteller Doyusha das Auto nicht nur mit Hakenkreuz-Aufklebern versah (was dem Original im Manga und in der späteren Verfilmung entspricht), sondern die Box des Bausatzes mit „Polshe Karera“ beschriftete. Gezeigt haben wir das nicht, weil wir uns, wie damals bereits geschrieben, aus gutem Grunde an das Verbot halten, nicht zeitgenössische NS-Symbole zeigen zu dürfen. Die Leserreaktionen waren gemischt – wobei es überhaupt nicht um das Hakenkreuz ging, sondern um die Schachtelbeschriftung. Die einen Leser wollten uns ohne visuellen Beweis nicht glauben, dass eine japanische Firma tatsächlich einen „solchen Mist“ fabriziert und einen deutschen Namen allen Ernstes dermaßen falsch schreibt. Andere fanden das Ganze einfach nur lustig („typisch japanisch“ oder „ganz dem Klischee entsprechend“). Und ein Leser machte uns den Vorwurf, arrogant über eine andere Kultur zu lästern und bezichtigte uns des „Neokolonialismus“ – was nun wirklich nicht zutrifft, zumal Japan niemals eine deutsche Kolonie war.
Die Schachtel mit dem Hakenkreuz, auf die Doyusha „Polshe Karera“ druckte, zeigen wir weiterhin nicht (wir besitzen sie auch nicht, aber in den Weiten des Internets kann man sie finden). Aber wir förderten eine andere Doyusha-Box aus unseren Beständen ans Tageslicht. Dort hinein gehört ein 912 (also der vierzylindrige Elfer) aus den späten 60ern, ein einfacher aber hübscher 1:43-Plastikbausatz mit Rückzugsmotor. Auch auf dieser Box steht „Polshe“ geschrieben – und das, obgleich ein Auto darauf abgebildet ist, auf dessen vorderem Kennzeichen „Porsche“ korrekt geschrieben ist. Und dann fiel uns noch eine weitere Kuriosität in diesem Zusammenhang ein, können wir auch zeigen. Diapet machte in den 70ern den japanischen Kaiserwagen, einen Nissan Prince, in 1:40. Dessen Bodenlatte will sagen, dass es sich um den royalen Nissan handelt, doch Diapet gravierte ein: „Nissan Prince Loyal“. Das „r“ findet sich in „Prince“, aber aus „Royal“ machte Diapet tatsächlich „Loyal“ – was doppelt kurios ist, da „loyal“ nunmal ein sinnbehaftetes Wort ist.
Woran liegt das? Warum haben die Japaner diese Schwierigkeiten mit dem „R“, das sie als „L“ aussprechen und sogar als „L“ schreiben? Immerhin – es ist nicht nur ein Klischee. Es stimmt wirklich.
Fehler macht, wer nicht nachdenkt
Zunächst mal kann jeder Mensch, der alle Zähne im Mund und keine Beeinträchtigungen im Stimmapparat hat, theoretisch jeden denkbaren Laut aussprechen. Diejenigen Laute, die er in seiner Sprache (also meist der Muttersprache) nicht braucht, verlernt er im frühen Kindesalter rasch (und muss sich dann damit herumschlagen, wenn er eine Fremdsprache lernt). Das gilt für alle, somit auch für Japaner. Zu einfach wäre die Folgerung, die Japaner könnten kein „R“ aussprechen, weil ihre Sprache keines beinhaltet. Die japanische Sprache beinhaltet nämlich durchaus diesen Laut. Aber sie sprechen ihn völlig anders aus als wir, ihre Phonetik ist also anders als die unsere.
Es ist ja auch in unterschiedlichen europäischen Sprachen üblich, dass einzelne Buchstaben anders ausgesprochen werden. Im Hochdeutschen gibt es vier verschiedene Arten, das „R“ auszusprechen (und das variiert darüber hinaus je nach Dialekt), und das englische „R“ oder das tschechische Ř klingt wiederum ganz anders als das deutsche. Sodann haben die Japaner bekanntlich eine andere Schrift als wir. Das, was sie ähnlich zu unserem „R“ aussprechen, wird in den offiziellen Transkriptionen (also: Umschriften), von denen es mindestens drei gibt, in unsere lateinische Schriftzeichen, als „L“ umgeschrieben. Also: Den Laut, den wir von uns geben, wenn wir „R“ sagen, kennen die Japaner nicht, aber einen ähnlichen Laut kennen sie schon (sie bilden ihn an einer anderen Stelle im Mundraum). Der wird in offizieller Umschrift als „L“ wiedergegeben.
Ein „R“ in unserer lateinischen Sprache zu schreiben, bedeutet für einen Japaner somit, einen ihm unbekannten Laut niederzuschreiben, was ein intellektueller Prozess ist (so, wie wenn Deutsche auf einen französischen Vokal einen Akzent setzen oder unter das französische c ein Häkchen oder auf ein tschechisches S ein Dächlein malen). Ein Japaner, der nachdenkt, weiß, welches ausländische Wort er mit „R“ zu schreiben hat. Und einer, der nicht nachdenkt, macht es eben falsch. Aber können tun sie es.
afs

Modellfotos: bat

