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Sammeln: VW-Autohaus-Broschüre von 1969

Garniert mit Wiking- und Cursor-1:40-Modellen: Das VW-Autohaus auf der „grünen Wiese“

Eine Zeitreise zurück ins Jahr 1969, als neue und weitläufige VW-Autohäuser vor den Toren der Stadt entstanden: Das Volkswagenwerk gab seinen Händlern Orientierungshilfe bei Planung und Neubau in Form einer internen Broschüre. Die Architekturfotos darin sind mit Wiking- und Cursor-1:40-Miniaturen garniert. Eine Augenweide!

Das Autohaus „auf der grünen Wiese“ war ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre Trend – raus aus der Stadt, dorthin, wo schier unendliche Expansionsmöglichkeiten bestanden, wo Großzügigkeit möglich war. Zuvor hatten Markenhändler ihren Standort in der Stadt gehabt, möglichst repräsentativ. Die Werkstatt hingegen war in den Vorstädten, weite Wege zwischen beiden Standorten erschwerten die Effizienz und Kommunikation (Stichwort: Festnetzanschluss!). Zudem wurden Stadtgrundstücke zunehmend zu wertvoll für Werkstätten. Die USA waren wieder einmal das Vorbild.

Für die Inhaber der Autohäuser bedeutete dies einen großen Aufwand und eine große Investition. Wenige Autohäuser waren Werksniederlassungen (Daimler-Benz favorisierte dieses Modell), die meisten waren inhabergeführte Unternehmen. An Neubauten beteiligte sich der Autokonzern nicht. Aber er sah die Schwierigkeiten seiner Vertragspartner und half zumindest bei der Planung und Realisierung. Das Ganze mit dem Hintergedanken der einheitlichen Bauweise zwecks Wiedererkennungseffektes. So auch Volkswagen.

1969 erschien eine Broschüre für Autohausinhaber, in der modellhaft vorgestellt wurde, wie sich das Volkswagenwerk ein ideales, modernes Autohaus vorstellte, gleich mehrere Realisierungsoptionen in unterschiedlicher Ausdehnung wurden präsentiert. Es war nicht mit Fotografien real existenter Vorbildautohäuser illustriert, sondern mit einem Architekturmodell im Maßstab 1:40. Als Staffage wurden die damals im Volkswagenwerk verwendeten Werbemodelle von Wiking und Cursor verwendet, und das macht diese Broschüre für Modellautosammler, besonders für die Wiking-1:40-Fraktion, sehr interessant und zum Objekt der Begierde.

Die Broschüre ist selten. Ihr Kleingedrucktes gibt keinen Aufschluss über die Auflagehöhe. Sie wurde nur an Inhaber der Autohäuser vergeben, nicht an Kunden (warum auch?). Die Broschüre ist zweisprachig deutsch und englisch gedruckt, wendet sich also an so ziemlich alle europäischen Händler, womöglich auch an Händler in Übersee. Der Chef bekam sie und behielt sie. Zu ihrer Seltenheit mag auch das große Format beitragen, 38 x 29 Zentimeter. Das ist fast DIN-A3-Größe und somit nicht einfach zu lagern. Aber eine Broschüre in derartigen Maßen schindet Eindruck, zumal sie auf hochwertigem, dickem Papier gedruckt ist. Allzu viele davon dürften nicht in Sammlerhand geraten sein. Sie gilt unter Wiking-1:40-Sammlern als große Rarität, wird selten angeboten, und wenn, dann zu horrenden Preisen. Auch das ist kein Wunder. Von der Seltenheit einmal abgesehen, orientieren sich Verkäufer derartiger Ephemera natürlich an der Kaufkraft der Sammlerklientel, die Interesse an Derartigem hat. Und Wiking-1:40-Sammler sind in der Regel keine „armen Hascherln“ – sonst wären sie keine Wiking-1:40-Sammler!

In Form eines Fotoalbums blättern wir durch diese Broschüre und kommentieren ein wenig die Fotos, vor allem hinsichtlich der Modellautos, die darauf zu sehen sind. Die Broschüre ist von 1969. Da gab es bereits den Wiking 1:40 Käfer in seiner Endausführung mit den aufrecht stehenden Scheinwerfern und den „Eisenbahnschienen-Stoßstangen“, der Typ 3 (Stufenheck und Variant) trug noch die alten Stoßstangen (das Facelift, der „Langschnauzer“ mit Kastenrahmenstoßstangen, erschien im Original und in der Folge von Wiking erst im August 1970). Unter den Bullis dominiert der T1b von Wiking, denn das Volkswagenwerk hatte noch immer den alten Wiking 1:40 VW Bulli im Angebot, der nie die Mutation vom T1b zum 1963er T1c vollzog. VW musste damals also mit dem jüngsten T1b, den Wiking produzierte, vorlieb nehmen, und das war das 1961er Modell. Weil Wiking mit einer Neuentwicklung zum T1c nicht in die Puschen kam, erteilte Volkswagen den Folgeauftrag an Cursor. Dessen T2a erschien nicht gleichzeitig mit dem Original im August 1967, sondern etwas später. In der Broschüre sind ganz wenige Cursor T2a zu sehen – gerade so, als ob sie im letzten Moment dazugestellt wurden, der Aktualität wegen. Denn die fotografierten Architekturmodelle zu erstellen, bedurfte einiger Zeit Vorlauf. Dafür ist auf den Fotos der damals ebenfalls ziemlich neue VW 411 von Cursor zu sehen, ab August 1968 in Produktion und offenbar früher von Cursor an VW geliefert als der T2a.

Absolut faszinierend ist die riesige Anzahl an Wiking- und Cursor-1:40-Modellen, die zu sehen sind. Einige davon sind aufwendig umgebaut, mit geöffneten Motorhauben, wenn sie in der Werkstatt stehen, mit fehlenden Karosserieteilen oder teilweise mit Grundierungslack, wenn sie in der Spenglerei repariert werden. Architekten müssen Modellbauer sein, sonst wären sie keine guten Architekten! Die Fotos in dieser Broschüre sind schlichtweg ein Genuss, und hoch spannend wäre es, zu wissen, ob dieses riesige Architekturmodell heute noch existiert. Und ob all die VW-Modelle noch darauf stehen.

Gehen Sie mit auf Zeitreise! Wir blättern zusammen durch die Broschüre.

afs

Im amerikanischen Stil, auf europäische Bedürfnisse adaptiert, „auf der grünen Wiese“, riesig, zweckmäßig und ohne Rücksicht auf Ästhetik gebaut: Ein VW-Autohaus in Deutschland, genauer in Trudering bei München. Die Aufnahme zeigt den VW-Jahrgang 1968, die Käfer tragen die so genannten Eisenbahnschienen-Stoßstangen, die größeren VW Typ 3 hingegen noch nicht, und ganz hinten ist ein VW 411 zu sehen.
Foto: Archiv afs
Eine Variation desselben Themas zur selben Zeit, groß, flach, form follows function. Damals nahm Volkswagen das medizinische Wort der Diagnose auf und sprach vom Computer, der des Motors Befinden diagnostiziere. In den Verkaufsprospekten wurde sehr stolz der „Diagnosestecker“ gezeigt, der sich in jedem VW-Motorraum finde. Computer! Ach, wie naiv war man damals!
Foto: Archiv afs
Ein Wimmelbild aus Vogelperspektive als Titelfoto. Schon dies belegt, dass diese Broschüre kein Marketing unterstützen will, sondern Informationen für den Inhaber eines VW-Autohauses enthält. Wer will, darf all die kleinen 1:40-Modelle auf dem Bild nachzählen. Wir taten es: 183 Stück.
Die architektonische Gestaltung dieses Modells dient als Grundlage für das Firmen-Image. Sie ist also proportional variabel, von kleinem bis größtmöglichem Händlerbetrieb.
Die Visitenkarte des Unternehmens, die Straßenansicht. Das lädt den Kunden zum Betreten ein: Er will Autos sehen. Erst von außen, dann geht er hinein und will sich informieren. Der Ausstellungsraum ist zwar nicht das Wichtigste im Autohaus, aber das Signifikanteste.
Das Kundenzentrum: Reparaturannahme unter einem Schutzdach, quasi als abgeschirmter Bereich, in dem Kunde und Meister, also Kundendienstberater, in freundlicher Atmosphäre zueinander finden sollen.
So wenig Materialsubstanz wie möglich, alles gläsern, alles transparent, auch innen viele Glaswände. Das erleichtert die Übersicht und baut Barrieren zwischen Kunden und Mitarbeitern ab.
Der Blick von innen nach außen, auch hier Transparenz. Zum damaligen VW-Kundendienstsystem gehörte die „VW-Diagnose“, die wenig später zur „Computer-Diagnose“ wurde.
Beispiel für einen eher kleinen Betrieb mit Ausstellungsraum, Reparaturwerkstatt und (hinten) Ersatzteillager. Nett gemacht: Am grünen Typ 3 steht die Fahrertüre offen, ein hübsches Detail, dem wir noch öfters begegnen werden, vor allem in der Werkstatt.
Eine große Reparaturwerkstatt mit Kundenwarteraum und -WC (1 und 2), Betriebsbüro (3), Kabuff für Werkstattleiter und Disposition (4 und 5), Mitarbeitertoilette (6), die eigentliche Werkstatt (7) mit Aggregatereparatur (8), Raum für die Teilewäsche (9) und Motorenprüfstand (10). Im Hintergrund das große Teilelager (21) mit Tresen zur Ersatzteilausgabe (15). Was wir nicht sehen, ist das Untergeschoss mit Motorenprüfstand, Maschinenraum, Elektriker, Batterieladung, Abstellraum für Öl und Kompressor, allgemeiner Abstellraum und Räumlichkeiten für die Mitarbeiter (Umkleide, Essen, Waschen). Hübsches Detail am Rande: Auf dem Motorenprüfstand sind normale Boxer zu sehen und die flacheren Maschinen aus dem Typ 3.
„VW-Diagnose“ klingt medizinisch und suggeriert eine Vermenschlichung des Autos. Der Diagnoseraum ist vom Kundenwarteraum einsehbar. Ein Mechaniker inspiziert einen Käfer mit geöffnetem Vorder- und Motordeckel. Er stellt also eine Diagnose über des Käfers Wohlbefinden.
Die Werkstatt mit Stempelhebebühnen und Werkstattwagen statt fest eingerichteter Arbeitstische. Der Karmann rechts ist wieder vorne und hinten geöffnet, und gut zu sehen ist, dass der Modellbauer alle Miniaturen mit Wolfsburger Kennzeichen versah.
Hier gab sich der Modellbauer in Bezug auf die Miniaturautos die meiste Mühe: Blick in die Karosseriewerkstatt. Der 411 mit defekter Windschutzscheibe ist abgarniert und teilgrundiert, der dunkelblaue Käfer sieht furchtbar gestaucht aus und scheint uns, mit Laienblick, wohl kaum reparabel. Am rechten, hellen Käfer öffnete der Modellbauer nicht nur den vorderen Deckel und die Beifahrertüre, sondern stellte sogar den Kotflügel als separates Bauteil dar. Wie viele Wiking-1/40er mussten wohl dafür herhalten, um dieses konkrete Modell zu realisieren?
Abgetrennt von der Werkstatt ist die Aggregatereparatur, damals noch ausschließlich Boxermotoren (der K70 kam erst im Herbst 1970). Sehr hübsch die Schraubstöcke auf der Werkbank und die Werkzeugwagen.
Der Gebrauchtwagenverkauf separat vom Neuwagenverkauf mit eigenem Gebäude. Manche Modelle mit Zulassung, die Neuwagen ohne.
Die Gebrauchten sind lauter Franzosen. Der Modellbauer bediente sich einiger Norev-Modelle (zwei helle Renault 10, ein R16 und ein roter Simca 1501). Die treten schon deshalb gegenüber den dominierenden Volkswagen in den Hintergrund, weil die Wiking-/Cursor-Modelle im Maßstab 1:40 gehalten sind, die Norev-Miniaturen aber im gebräuchlichen Maßstab 1:43. Dadurch wirken sie kleiner als sie sind – und dadurch unwichtiger.
Insgesamt eine einrucksvolle Erscheinung, und das Modell muss auch eine eindrucksvolle Größe haben. Bestimmt besteht es aus mehreren Modulen.
Ein Blick auf die verwendeten Miniaturen. Von Wiking kommt der Käfer, die letzte Ausbaustufe einer langen Evolution, und selbst in seiner definitiven Form wurde er nochmals überarbeitet – sichtbar an den Luftschlitzen auf dem Motordeckel und den Entlüftungskiemen hinter den hinteren Seitenscheiben.
Modellfotos: bat
VW 1500 Stufenheck und 1500 S Variant, noch die Ursprungsversion von 1961, aber von Wiking erst 1963 an Volkswagen geliefert. Zum Zeitpunkt des Architekturmodells gab es den modifizierten Typ 3 mit längerem und kantigerem Vorbau sowie größeren Rückleuchten noch nicht. 
Den Karmann Ghia veränderte Wiking formal nie. Die frühen Modelle hatten ein dunkelgraues Chassis mit silbern lackierten Stoßstangen, die späten ein silbernes Chassis. Dann musste an die Stoßstangen keine Farbe ran. Und die Räder modernisierte Wiking analog zu den Käfer-Rädern zum Modelljahr 1968. Es gab bei Wiking übrigens kein Formwerkzeug für die Cabrioletkarosserie. Jedes einzelne Cabriolet entstand durch händisches Absägen des Coupé-Daches.
Der Wiking T1b in seiner letzten Version 1961 wirkt auf dem Diorama etwas alt, aber er wirkte im VW-Accessoireprogramm ebenfalls alt. Wiking schaffte es nicht, trotz VW-Auftrages, einen T1c zu schaffen (obgleich es Muster gibt). Im VW-Modellautoprogramm wurde der Wiking T1b vom Cursor T2a abgelöst, unter Vernachlässigung des T1c.
Cursor lieferte an Volkswagen die Typen 411, K70, Audi 100 und Transporter T2a. Der 411 erfuhr schon nach einem Jahr, analog zum Vorbild, eine formale Modifizierung: Doppelrund- statt Breitbandscheinwerfer und VW-Zeichen auf dem Frontblech statt auf der Haube. Auf unserem Foto sind beide Versionen gemischt, auf dem Werkstattdiorama ist nur die ältere Version zu sehen.
Es sind nahezu keine Cursor VW T2a auf dem Händlerdiorama vertreten – gerade so, als seien diese Modelle gerade erst ausgeliefert worden und ganz wenige wurden auf die Schnelle für das Fotoshooting untergebracht. Der VW 411 erschien zwar genau ein Jahr nach dem T2a, scheint aber von Cursor früher als der Transporter an das Volkswagenwerk geliefert worden zu sein. Denn genügend VW 411 sind zu sehen. Cursor hatte keinen Fachhandelsvertrieb, weil die Firma auf Werbemittel spezialisiert war. Dennoch versuchte der Inhaber, sich bei anderen Firmen einzuklinken, um zusätzliche Modelle über den Spielzeughandel abzusetzen. So tat er sich mit Rainer Wittek von RW-Modell zusammen, der eine Zeitlang den VW T2a in eigener Ziss-Verpackung als Ziss-Modell anbot. Cursor-VW in RW-Verpackung sind selten. Rechts die VW-Werbeschachtel.