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Sammeln Wartburg P-311: Zeitgenössische Spielzeugautos

Ganz einfach ein schöner Wagen

Es gibt keinen Anlass. Und es gibt keinen Grund für die Präsentation des alten Wartburg en miniature. Wir tun es einfach so, aus Spaß an der Freud’. Weil wir den Wartburg mögen. Weil wir einige zeitgenössische Wartburg-Miniaturen zeigen können. Und weil der Wartburg P-311 ganz einfach ein sehr schöner Wagen ist.

Es geht nur um zeitgenössische Spielzeugautos. Nicht um Modellautos, seit den 90ern fabriziert. In dieser Gattung ist der Wartburg P-311 vielfach vertreten. Zunächst in 1:43 Minichamps, Limousine, Coupé und Cabriolet, erschienen ab Ende 1998 in typischer Minichamps-Qualität und zum typischen Minichamps-Preis (und Ende 2020 unter dem Label Maxichamps erneut). Doch Bernard Peres machte mit seinem Ostblock-Engagement sämtliche Minichamps-Ambitionen zunichte und überflutete den Markt mit gut gemachten, in riesigen Auflagen hergestellten Kioskmodellen. Die gab es in Deutschland vom Atlas-Verlag ab 2006, zuvor schon in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, im Fachhandel unter der Bezeichnung IST (phonetisch für „East“, also Osten), und Ixo machte fast alle Aufbauversionen: Limousine, Coupé, Cabriolet, Kombi, Camping-Limousine, Kübelwagen und Roadster-Cabriolet mit Hardtop. Einen offenen Roadster gab es als 1:43-Resine-Modell von ADP, in der Ukraine von Vladimir Pivtorak fabriziert. Und dann so einiges in 1:18 (Limousine von MCG, Coupé, Cabriolet und Roadster von Revell, Camping-Limousine von Solido und als Resine-Modell von BoS), und in 1:87 hält Brekina die Wartburg-311-Flotte hoch, neben etlichen Kleinserienherstellern. Das kann man alles für Geld kaufen, ist fabrikneu oder antiquarisch jederzeit erhältlich. Einzelne Versionen, vor allem des Ixo Wartburg P-311, mögen seltener und teurer sein als andere (vor allem Volkspolizei-Varianten!). Aber alles ist zu haben, neuzeitliche Wartburg-Modelle stellen den Sammler vor keine Beschaffungsprobleme.

Vielfältige und kaufkräftige Szene im Osten

Um zeitgenössische Drei-Elfer zu finden, muss man ein bisschen tiefer graben. Natürlich gibt es auch in diesem Sammelgebiet häufigere und seltenere Modelle. Manche sind sehr selten, andere sind sehr teuer, und einige sind sogar beides, selten und teuer (wobei das eine nicht immer deckungsgleich mit dem anderen ist). Der Wartburg hat uns schon immer gefallen, als Vorbild ebenso wie als Modell, und als Westdeutscher war es für mich vor dem Mauerfall nicht so einfach, an DDR-Miniaturen heranzukommen. Dennoch zeigten meine Bemühungen Früchte, und bereits vor 1990 hatte ich so einige alte Wartburg aus „Plaste“ beieinander.

Danach wurde alles anders, auch der Miniaturautomarkt, und gerade in Bezug auf Ostblockmodelle zeigte er sich äußerst dynamisch. Nicht nur, dass die Modellautohersteller neue Markt- und Absatzchancen in den Neuen Bundesländern sahen. Mit dem Untergang des Systems wurde, nach einer kurzzeitigen, radikalen Ent-DDR-isierung durch die Menschen aus der ehemaligen DDR, auch die Identifizierung mit der Vergangenheit zum Politikum (Stichwort: Ostalgie). Plötzlich geriet DDR-Spielzeug, zuvor kurzfristig verpönt und selbst als Flohmarktware kaum verkäuflich, en vogue, wurde teuer gehandelt. Das ist bis heute so, nicht nur im Osten Deutschlands. Nahezu jede ehemalige Ostblock-Nation ist verliebt in ihre automobile Vergangenheit und sammelt „ihre“ Autos: die Tschechen, die Polen, die Rumänen, die Ungarn, die Balten. Die hatten ihre nationale Autoindustrie, die Bulgaren und die Albaner nicht, aber die hatten deshalb von allen etwas auf der Straße. Je nach nationalem Wohlstand wird in diesen Ländern sogar mit viel Vehemenz gesammelt, vor allem die Tschechen sind richtiggehend „modellautoverrückt“, und dort hat sich eine Szene und ein Preisniveau etabliert, das uns staunen lässt.

Das gleiche gilt an sich für Russland. Aber die Russen sind seit dem Krieg gegen die Ukraine vom Westen abgekoppelt. Sie können seit März 2022 nicht mehr über Ebay antiquarische Modelle aus EU-Staaten kaufen. Wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen haben auch russische Großhändler (wie beispielsweise Adler in St. Petersburg) Probleme, ein ordentliches Sortiment anbieten zu können. Das Argument, es komme ja ohnehin alles aus China und China beliefere Russland, zieht zu kurz. Denn die Firmenzentralen der Modellautohersteller sind meistenteils in Westeuropa, also in der EU. Und die entscheiden, wohin ihre Produkte geliefert werden – respektive sie müssen oder sollten sich politischen Entscheidungen unterordnen. Dabei fallen Modellautos gar nicht unter die Sanktionen. Aber es geht schon damit los, dass viele Speditionen und fast alle Paketdienste Russland nicht mehr anfahren und es somit schwierig ist, Waren aus dem Westen dorthin zu exportieren. Russische Modellautosammler haben es also momentan nicht leicht, an Ware aus dem (aus ihrer Sicht) westlichen Ausland zu gelangen.

Das einzige DDR-Miniaturauto aus dem Westen

Zeitgenössische Miniaturen des Wartburg 311 kommen aus der DDR. Aber nicht nur. Eine kommt sogar aus dem Westen, von Muovo aus Finnland. Das ist unseres Wissens das einzige Miniaturauto nach DDR-Vorbild eines westlichen Spielzeugproduzenten. Überhaupt sind Ostblockautos von Westherstellern selten: Dinky Toys Frankreich machte in 1:43 den Moskvitch 408, Solido in Nachkriegsfrühzeiten einen Tatraplan, Gasqui aus Belgien ebenfalls und Polistil in Italien die beiden unsäglich schlecht gemachten sowjetischen Geländewagen UAZ-469 und GAZ-69. Die Ladas von Mebetoys und Mercury gelten nicht. Das waren nur Variationen derer beider Fiat 124 aus dem Bestand. Finnland, bis zu seinem NATO-Beitritt im April 2023 ein „blockfreier Staat“ mit Nähe zur und Furcht vor der Sowjetunion (respektive später Russland), betrieb Handel mit der UdSSR und importierte gerne Ostblock-Autos. Wartburg und Lada waren dort die Autos des „kleinen Mannes“ und gut verbreitet.

Deshalb ist ein Wartburg 311 Bestandteil des Muovo-Programms. Der Name lehnt sich an Muovi an, was auf Finnisch „Kunststoff“ heißt. Muovo machte drei Miniaturautoserien, 1:87 unverglast, 1:64 unverglast und 1:55 verglast, der Wartburg gehört letzterer an, deren Vorbilder allesamt aus den Jahren 1962/63/64 stammen. Die Modelle waren Werbezugaben (beispielsweise beim Kauf von Karamellen der Marke Chymos Oy oder der Panda-Schokolade), womöglich gab es sie auch im Spielzeughandel zu kaufen. Die Karosserien von Muovo-Modellen sind in „seriösen“ Farben gehalten, die Chassis hingegen oftmals in Komplementärfarbe. So ist unser Wartburg in sonnigem Gelb mit Bodenplatte in wässrig-hellem Blau, die einteiligen Radsätze sind schwarz. Formal ist er sehr gut gelungen, dimensional und proportional passt alles. Eines der seltensten Muovo-Autos, ziemlich gefragt unter Ostblock-Sammlern.

Muovo-Autos sind ein Sammelgebiet für sich, für Skandinavier, für Groschenautosammler, für Plastikliebhaber, für Enthusiasten von Werbebeigaben. Gegen all die muss der DDR-Sammler ankämpfen, wenn ein Muovo Wartburg im Angebot ist. Bei diesem Kampf muss er sich sehr engagieren. Unter dreistellig geht gar nichts.
Modellfotos: bat

Die kleinen DDR-Miniaturen in TT und H0

Der Finne ist ein Einzeltäter und Außenseiter im zeitgenössischen Wartburg-311-Angebot. Wartburgs waren in der DDR zuhause. In allen Maßstäben, von klitzeklein (Zeuke) bis riesengroß (Presu), und allerlei dazwischen. Von Zeuke stammt der Klitzekleine, ein P-311/0 von 1958 im Maßstab 1:120. Das ist die Nenngröße TT, in der Bundesrepublik kaum verbreitet, in der DDR durch den Modellbahnhersteller Zeuke & Wegwerth hingegen durchaus, Beginn der Modellbahnfertigung in TT (= 1:120) im Jahre 1957. Der Wartburg diente als Accessoire. Bei ihm handelt es sich um einen Zukaufartikel, konstruiert von und produziert bei der Firma Herr.

Das DDR-1:87-Modell hingegen stammt nicht von Herr, sondern von Haufe. Entgegen der gültigen Linie, wonach DDR-Miniaturautos in 1:87 sehr wohl mit westlichen (Wiking-) Erzeugnissen formal und qualitativ mithalten können, ist der Haufe-Wartburg keine formenbauerische Meisterleistung. Bemerkenswert ist zwar die passgenau zweiteilige Karosserie, die dadurch schöne Zweifarbkombinationen zulässt. Aber die Proportionen des Haufe-Wartburg stimmen nicht. Er ist zu schmal für seine Länge oder zu lang für seine Breite, der Vorbau ist zu lang. Kein Wartburg 311 hatte jemals eine dermaßen lange Motorhaube (es sei denn, die Wartburg-Karosse steckt auf einem Mercedes-170V-Fahrgestell. Das gab’s tatsächlich!). Sie würde einem amerikanischen Muscle Car alle Ehre machen. Wem das egal ist, weil er keinen Blick für derartige Abstraktionen hat, wird ihn als schöne Miniatur loben. Die Firma Kurt Haufe fertigte ab 1958 Plastikspielwaren und zwischen 1962 und 1973 H0-Plastikminiaturautos in Kamenz. Ab 1972, nach der letzten Verstaatlichungswelle, war Kurt Haufe nur noch Betriebsleiter in seiner ehemals eigenen Firma; ab 1981 hieß das Unternehmen VEB Kamenzer Spielwaren.

Gleicher Maßstab, ganz andere Qualität und Machart: Als Nachfolgemarke von Iges gilt der VEB Press- und Schleifmittel Theuern (Theuern liegt bei Sonneberg im Süden Thüringens, und Sonneberg gilt als „Weltspielwarenstadt“ – immerhin!). Von dieser Firma, also ex-Iges, stammt ein unverglaster Wartburg P-311/0 aus Hartplastik ohne Bodenplatte im Maßstab 1:87, also in der Machart wie ganz frühe Wiking-Miniaturen. Im Gegensatz zu diesen trägt der Wartburg in seiner ersten Version noch die typischen Iges-Räder an Nylon-Achsen, die nur deshalb halten, weil das Achsende jeweils mit einem Lötkolben erhitzt wurde. Die letzten Wartburg aus Theuern ab 1965 haben rote Plastikräder an Stahlachsen, so wie sie von den späteren Plasta-Wartburg 353 bekannt sind (Plasta ist die Nachfolgemarke, nunmehr VEB Plasta-Werke Sonneberg, Betrieb Theuern). Produktion 1963 bis 1967. Es gibt zwei Formvarianten, die hinteren Radausschnitte entweder rund oder eckig. Recht nette Modelle, aber sehr einfach gehalten.

In der Machart sehr ähnlich, jedoch mit Bodenplatte versehen, sind die 1:87-Miniaturen von Jablonecka Bizuterie aus der böhmischen Stadt Jablonec nad Nisou, die einstmals Gablonz an der Neiße hieß. Dieser ČSSR-Hersteller machte einige Miniaturen östlicher und westlicher Vorbilder, formal sehr frei ausgelegt, und egal ob Wartburg, Tatra, Cadillac oder Citroën DS, sie trugen allesamt die gleiche Bodenplatte mit weißen Plastikrädern an Stahlachsen. Der Firmenname suggeriert bereits, dass die Firma Modeschmuck herstellte, Spielzeug war nur ein Nebenprodukt. Für Exotensammler sind die Kleinigkeiten von Jablonecka Bizuterie interessant, und es ist gar nicht so einfach, sie zu finden – alleine schon deshalb, weil die meisten Anbieter außerhalb Tschechiens den weithin eher unbekannten Firmennamen nicht kennen.

Der Kleinste, in der Nenngröße TT, was dem Maßstab 1:120 entspricht. Die Firma Herr baute für Zeuke einen proportional sehr gut gelungenen Warturg P-311. Wenn nur das 1:87-Modell von Haufe auch so schön wäre!
Die Zweifarbenlackierung, ermöglicht durch die zweiteilige Karosserie, ist sehr attraktiv und dieses Konstruktionsmerkmal war zu seiner Zeit innovativ. Darob verhunzte die Firma Haufe die Proportionen des 1:87er-Wartburg: zu lange Haube, zu schmal.
Wie weiland die unverglasten Wiking-Modelle: Wartburg vom VEB Press- und Schleifmittel Theuern. Formal durchaus okay, zwei unterschiedliche Führungen des hinteren Radausschnittes, einmal rundlich, einmal eckig.
Auch das ist ein Wartburg P-311, er ist ein Böhme, er stammt von Jablonecka Bizuterie in Gablonz. Das abgebildete Exemplar trägt Wiking-Räder.

Fast schon 1:43: Der Drei-Elfer aus Brandenburg/Havel

Kleiner als 1:43, ungefähr im Maßstab 1:50 gehalten, ist der 1958er Wartburg als Viertürer-Limousine von MSB, was für den VEB Mechanische Spielwaren Brandenburg/Havel steht. Kunststoffkarosserie, Blechbodenplatte mit lithographiertem MSB-Symbol (manchmal auch geprägt), späte Modelle mit Kunststoffbodenplatte (selten!), Kunststofffelgen mit Gummireifen (schwarz oder grau) an Stahlachsen. Er ist formal sehr hübsch, leidet aber unter einer unverständlichen Fehlstelle unter den beiden hinteren Stoßstangenhälften. Das hintere Abschlussblech ist schlichtweg nicht vorhanden, was ihm von hinten ein etwas merkwürdiges Aussehen verleiht. Es gibt ihn in vielen Farben, schwarz, blau, rot, grün, orange und weißlich, bestimmt weitere Farben. Die Produktion begann 1958 und endete Mitte der 60er Jahre. Das Modell ist begehrt, aber nicht unbedingt selten. Wer es sucht, findet es. Der VEB MSB ging auf diverse, wohl bekannte Namen zurück (darunter Lineol und Lehmann), nach Gründung der DDR allesamt enteignet und in volkseigenes Vermögen überführt.

Nach der Wende, mit Beginn der „Ostalgie-Welle“, legte der Sammler Wolfgang Borkmann eine Serie nachgegossener MSB-Wartburg aus Resine auf und verkaufte sie für rund 50 D-Mark. Borgmann modifizierte die Karosserie und modellierte ihr einen brauchbaren hinteren Karosserieabschluss an, was dem Erscheinungsbild des Modells sehr gut tat. Die Bodenplatte, ebenfalls Resine, ist ein Abguss des (Blech-) Originals, dazu modernes Räderwerk. Borkmann verkaufte unseres Wissens nur gebaute Modelle, keine Kits.

Farbenspiele: MSB Wartburg mit hellgrauen und mit schwarzen Reifen, formal recht hübsch, die Heckpartie ein bisschen überbetont.
Die Borkmann-Interpretation aus Resine, nunmehr mit Innenausstattung versehen. Ein etwas kruder Formenbau, aber immerhin eine Ergänzung für die Sammlung. Die Resine-Bodenplatte lehnt sich ebenfalls an das Original an.

Stoßstangen, Grill und Felgen in Weiß: Der typische Gevo-Stil

Einen von zwei Kombis machte Georg Vogel aus Markneukirchen im Vogtland, und beide verfügen über das frühe, rundlich gestaltete Heck mit rechts angeschlagener Heckklappe. Anfang 1964 wurde es modernisiert und erhielt eine steiler stehende, nunmehr oben angeschlagene Klappe. Wie, bis auf das Modell von Max Carl und das erste Presu-Cabriolet, alle Wartburg-Miniaturen, hat auch die Vogel-Interpretation den neueren Kühlergrill ab Ende 1958, also Modelljahr 1959. Frühe Modelle wurden unter der Bezeichnung Gevo (für Georg Vogel) vermarktet, aber die bekanntere Bezeichnung für diese Modellserie lautet Plasticart, die von 1974 bis zum Systemende gelten sollte. Doch da gab es die Gevo-Modelle der ersten Generation (Wartburg Kombi, Škoda Octavia und 1000 MB, Opel Rekord A Coupé) längst nicht mehr, die Produktion dürfte sich auf die 60er Jahre beschränken. Frühe Gevo-Miniaturen sind heute eher selten. Der Wartburg Kombi im Maßstab 1:30 ist im typischen Gevo-Stil gehalten, die Blankteile inklusive vorbildgerechter Radkappen in Weiß. Die Grillgestaltung ist etwas phantasievoll, ansonsten ist das Modell prima getroffen. Auf der Plastikbodenplatte ist das Gevo-Logo eingeprägt, Antrieb über Schwungradmotor, lenkbar oder Geradeausläufer. Plasticart ersetzte den Wartburg P-311/3 Kombi in seinem Spielzeugsortiment ganz realistisch durch den 353 Kombi.

Unser Gevo-Wartburg ist nur eingeschränkt präsentabel: Die zuvor fehlende vordere Stoßstange entlehnte ein Gevo-Markenbruder, ein Škoda. Und eine Verglasung sollte er auch haben, hat er aber nicht. Nichtsdestotrotz ein schönes Modell, und wir sind zuversichtlich, dereinst zu einem kompletten Exemplar zu kommen. Der Mensch braucht schließlich noch Aufgaben in seinem Leben.

Limousine und Kombi: Paarweises Auftreten bei Anker

Ein grüner Anker-Wartburg war mein erstes DDR-Spielzeugauto. Von einem Mitschüler, der offenbar „Ost-Verwandtschaft“ hatte, tauschte ich es ein, womöglich gegen ein Siku- oder Matchbox-Modell, das ihm besser gefiel. Vielleicht auch dagegen, ihm eine Woche lang die Deutsch-Hausaufgaben zu machen. Dieser grüne Wartburg begleitet mein Leben seit fast 50 Jahren.

Der Anker-Wartburg, Maßstab etwa 1:30, ist ein schönes und populäres Modell, etliche Farben, verhältnismäßig einfach zu haben. Wer sich mit zeitgenössischen Wartburg P-311 beschäftigen möchte, beginnt zumeist mit dieser Miniatur. Stoßstangen und Kühlergrill sind aus glänzendem Blech und bei schlechten Exemplare ist das Blech angelaufen oder gar rostig. Die einteiligen, schwarzen Kunststoffräder sind charakteristisch (auch die allerersten Anker Barkas trugen diese Räder). Dank Verglasung und separat eingesetzter Scheinwerfer, Vorderblinker und Rückleuchten wirkt der Wartburg recht hochwertig und realitätsnah. Weniger realitätsnah hingegen ist seine Drehschemellenkung, aber das ist die Eigenheit vieler lenkbarer DDR-Spielzeugautos. Antrieb Federlaufwerk (also zum Aufziehen), Schwungrad oder gänzlich ohne Antrieb, somit reines Schiebeauto. Auf der Motorhaube trägt der Wagen das Wartburg-Logo, auf dem Kofferraumdeckel einen „Wartburg“-Schriftzug als Decal (in der DDR sagte man „Nassschiebebild“, im Westen früher wohl auch). Diese fehlen häufig, sind aber als Nachfertigungen erhältlich. Im Katalog von Gärtner/Lange, „Spielzeugautos der DDR“ von 2001 (nach wie vor die empfehlenswerteste Grundlage einer DDR-Spielzeugautosammlung!) ist von keiner Bodenplattenvariante die Rede, aber es gibt sie: im ersten Produktionsjahr glatt, danach graviert. Das soll keine Kritik am Katalog sein. Seit 2001 gibt es natürlich neue Erkenntnisse. Schön wäre eine Neuauflage auf heutigem Stand.

Der Limousine folgte mit einem Jahr zeitlicher Verzögerung ein Kombi, ebenso wie das Gevo-Modell ein früher Kombi mit rundlicher Dachform bis 1964. Limousine und Kombi teilen sich die Anbauteile und Mechanik, nur die Karosserie ist neu. Die beiden wirken wie aus einem Guss, passen also hervorragend nebeneinander. Dennoch machten die Formenbauer einen Fortschritt: Nur der Kombi verfügt über angegossene Scheibenwischer. Es gibt laut Lange/Gärtner-Katalog einen Bausatz in schöner Schachtel, aus dem man mit einer Bodenplatte und zwei Karosserien entweder einen Kombi oder eine Limousine zusammenbauen kann. Wunderschönes Teil, noch nie in Natura gesehen.

Zwei grüne Anker-Limousinen, und eine begleitet mein Leben seit rund 50 Jahren.
Der Kombi erschien nach der Limousine, teilt mit ihr die Anbauteile, hat aber angegossene Scheibenwischer.
Am wenigsten dauerhaft am ganzen Modell sind die Nassschiebebilder auf der Motorhaube und hinten.
Poliertes Blech, glänzt wie Chrom, eingesetzte Scheinwerfer, Blinker und Rückleuchten am Beispiel zweier Kombis. Der DDR-Formenbauer bei Anker durfte zeigen, was er konnte.
Gleiches Prinzip wie bei einem Pferdewagen: Die Drehschemellenkung will charakterlich nicht zum qualitativ hochwertigen Spielzeugauto passen.
Zwei von drei Antriebsarten: Schwungrad und gar kein Antrieb. Ein Chassis mit Federwerk können wir nicht zeigen.
Frühes und spätes Chassis, zunächst glatt, später graviert.

Der Alte aus Judenbach: Wartburg von Mes-Ju

Ihn zu bekommen, ist nicht einfach. Ihn zu bezahlen, kann weh tun. Dabei ist die Plastikminiatur von Ca-Ju respektive Mes-Ju bei weitem nicht der schönste Wartburg P-311. Aber er ist der Älteste, bereits 1959 erschienen und somit als einziges zeitgenössisches Spielzeugauto (neben der ersten Serie des Presu-Cabriolets) mit dem alten Kühlergrill versehen. Die Machart ist ähnlich jener des Anker-Modells, der Maßstab auch. Im Gegensatz zum Anker gibt es keine separaten Anbauteile, dafür Plastikfelgen mit Gummireifen, das Modell ist verglast, Federwerkantrieb, Achsschemellenkung. Der Wartburg aus Judenbach leidet unter einer verunglückten Karosserie mit viel zu kurzer Heckpartie. Doch trotz dieser Formschwäche ist er unter DDR-Sammlern sehr gesucht, wie überhaupt alle Miniaturautos dieses Herstellers. In der Art des Wartburg gibt es auch einen Trabant 500 Kombi. Der ist noch seltener und noch teurer.

Max Carl ist der Mann hinter Ca-Ju und Mes-Ju, Ca für Carl, Ju für den Ort Judenbach in Thüringen. Max Carl war ursprünglich Puppenfabrikant und suchte zusammen mit seinem Sohn Helmut nach dem Krieg nach neuen Möglichkeiten, über Puppen hinaus. Es erschien ein zweisitziger Bakelit-Sportwagen unter der Bezeichnung Ca-Ju, ein wunderschönes und begehrenswertes Spielzeug. Max Carl siedelte 1952 nach Coburg um, also in den Westen. Seine existente Firma in Judenbach wurde vom DDR-Staat treuhänderisch verwaltet, firmierte fortan unter Mes-Ju und konzentrierte sich wieder auf Puppen und Plüschtiere. Gegen die staatliche Direktive entwickelte Mes-Ju auf eigene Initiative den Wartburg und den Trabant Kombi, gefertigt zwischen 1959 und Mitte der 60er Jahre beim Spritz- und Presswerk Heldburg in relativ kleiner Auflage.

Nicht unbedingt schön, aber selten und als altes Spielzeug ungemein charmant: Der Mes-Ju Wartburg mit gelben Plastikfelgen, zu kurzer Heckpartie, Drehschemellenkung und Federwerkantrieb. Das Loch in der rechten hinteren Türe dient dem Einstecken des Schlüssels zum Aufziehen.

Sandkastengeeignet: Der Plaho-Wartburg

Eine Nummer größer, Maßstab circa 1:25, ist der Plaho-Wartburg aus weichem Plastik. Aber obgleich er in einem für Outdoor-Spiele im Sandkasten geeigneten Material gefertigt ist, ist er formenbauerisch mindestens so gut wie seine Hartplastikbrüder, ein sehr gelungenes Modell, wenngleich unverglast mit durchbrochenen Fensteröffnungen, reines Schiebeauto. Die einteiligen Plastikräder haben ziemlich grob profilierte Reifen, was man sich schönreden kann, da das Plaho-Modell schließlich „offroad“ im Freien unterwegs sein soll. Deshalb trägt er vorne eine Öse. Dort kann eine Schnur befestigt werden und ein Kind kann den Wartburg hinter sich herziehen. Laut Lange/Gärtner-Katalog wurde das Spielzeugauto von 1965 bis circa 1975 produziert.

Der Name Plaho ist eine Zusammensetzung aus PLAst- und HOlzspielwaren und die Firma aus Steinach ist ein typisches DDR-Konstrukt, die Zusammenziehung verstaatlichter Einzelbetriebe unter einem Leitbetrieb, Anfang der 60er Jahre gegründet.

Outdoorgeeignet, im Hinterhof, im Schrebergarten, vor allem im Sandkasten: Plaho-Wartburg mit All-Terrain-Bereifung, proportional sehr gut gelungen. Genau so sieht ein Drei-Elfer-Wartburg aus. Hätte die einfache Machart nicht Auswirkungen auf die Bewertung der Güte, so könnte man konstatieren: Zumindest formal hat Plaho den naturgetreuesten Spielzeug-Drei-Elfer geschaffen.

Der Ritterschlag der DDR-Sammlung: große Presu-Modelle

Wer DDR-Wartburg-Modelle sammelt, sieht die P-311-Modelle von Presu als Höhepunkt der Sammlung. Sie sind groß (Maßstab circa 1:18), eindrucksvoll, hochwertig – und heute sind sie sehr teuer. Presu machte die Viertürer-Limousine, das Coupé und das Cabriolet, alle drei mit zweiteiliger Karosserie und somit in Zweifarbenlackierung (es soll auch einfarbige Versionen geben). Gemeinsam sind beiden die Anbauteile, die Bodenplatte und Innenausstattung sowie die Mechanik. Das Cabriolet ist besonders begehrt, und das war es schon zu Zeiten, als es aktuell war. Deswegen sind mehr Cabriolets verkauft worden und somit am Sammlermarkt als Limousinen. Die Limousine ist also seltener und noch teurer als der offene Wagen, und dieser leidet fast immer unter einem mehr oder weniger gebrochenen Windschutzscheibenrahmen. Eine Sonderstellung nimmt das Coupé ein. Das ist nur in hard-core-DDR-Sammlungen zu finden, eine echte Liebhaberangelegenheit, absolut selten. Am längsten war das Cabriolet in Produktion, es erschien bereits 1960 mit altem Kühlergrill (aus Blech). 1962 wurde es mit dem neuen Kühlergitter modernisiert, und zu dieser Zeit kamen auch die beiden zusätzlichen Versionen Limousine und Coupé, Produktion bis Mitte der 60er Jahre. Allen Presu-Wartburg gemein ist die Mechanik: Kabelfernsteuerung, Elektromotor, Achsschenkellenkung. Normalerweise schwarze Reifen, sehr frühe Modelle auch mit Reifen aus hellem Gummi. Die Nassschiebebilder (Wartburg-Logo auf Motorhaube, „Wartburg“-Schriftzug auf Kofferraumdeckel) sind empfindlich, es gibt Nachfertigungen.

Presu-Fernlenkmodelle gab es ab 1958. Ab Anfang der 70er Jahre lief das Produktionsprogramm aus, in typischer DDR-Sortimentsbereinigung und -Firmenzusammenführung wurden Presu-Erzeugnisse künftig unter dem Markennamen Anker vertrieben. Die bekannten Anker-Fernlenkmodelle Wartburg 353 und Fiat 124 Coupé, hergestellt bis zum Systemende, sind ganz eindeutig Presu-Konstruktionen. Der Vollständigkeit halber sei Elmes erwähnt, obgleich es gerade den Wartburg nicht in Elmes-Version gibt. Presu, die Presswerke Suhl, machte seine Spielzeugautos mit Kabelfernsteuerung, also lenkbar und mit Elektromotor versehen, die Mechanik auf einem Kunststoffchassis verbaut. Elmes, der VEB Vereinigte Südthüringer Spielzeugwerke Eisfeld, nutzte die gleichen Karosserien, auch die gleichen Räder, für ihre Produkte, realisierte aber Spielzeugautos mit Blechfahrgestell und Schwungradantrieb, somit nicht gelenkte Geradeausläufer. Elmes-Versionen von Presu-Autos, deutlich seltener als die Presu-Versionen, gibt es vom Tatra T 603 und vom Volga GAZ-21.

Zum Cabriolet hat es bei uns noch nicht gereicht und zum Coupé wird es wahrscheinlich nie reichen. Aber die Limousine können wir zeigen, die wir vor langer Zeit aus Belgien importierten (wie mag sie dorthin gekommen sein?). Ein begehrenswertes und eindrucksvolles Modell, herrlich detailliert, formal aber nicht hundertprozentig getroffen. Da haben die Formenbauer von Anker und Plaho die Wartburg-Proportionen genauer studiert, bevor sie mit ihrer Arbeit begannen. Trotzdestonichts ist die Presu-Interpretation der Höhepunkt einer Wartburg-311-Sammlung.

Und vielleicht noch einer, ein Pole

Das Sammeln zeitgenössischer Wartburg P-311 ist also vielfältiger als man gemeinhin annehmen möchte. Es sind etliche, unterschiedliche Modelle in der DDR hergestellt worden (und eines in Finnland und ein kleines in der ČSSR), und weil sie alle aus „Plaste“ gefertigt wurden, sind von nahezu jedem Modell viele unterschiedliche Farben möglich. Eine Evolution gab es auch bei mehreren Miniaturen, so beispielsweise unterschiedliche Grills beim Presu-Cabriolet, Chassis aus Blech oder Kunststoff beim MSB-Modell, grundsätzlich andere Räder bei den kleinen unverglasten Wartburg aus Theuern (ex-Iges). Man kann sich, wenn man das Thema ernst nimmt, in Varianten und Farbenspielen verlieren. Etliche Miniaturen sind einfach zu bekommen, auf fast jeder Börse oder beständig auf Ebay. Manche sind selten und teuer. Manche sind so selten, dass Geld nicht mal hilft. Der Verfasser wäre gerne bereit, ein Presu-Coupé zu kaufen, wenn er denn eines fände. Und zu einem Presu-Cabriolet mit intaktem Scheibenrahmen konnte er sich, angesichts der geforderten Preise, auch noch nicht durchringen. Auch an einen Wartburg von Mes-Ju heranzukommen, ist nicht nur schwierig, sondern ebenfalls eine Geldfrage. Wer dann noch die halbwegs aktuellen Modellautos zu diesem Thema von Ixo und Minichamps sammelt, braucht eine große Vitrine für all seine Wartburg P-311.

Zum Abschluss noch ein polnisches Modell, das ein Wartburg P-311 sein kann oder auch nicht. Wir zeigen es nur der (angestrebten) Vollständigkeit wegen. Ein unverglastes Plastikauto mit Blechboden und Schwungradantrieb, Maßstab circa 1:32, grün mit einem Blaulicht auf dem Dach. Der Hersteller heißt Lumet und stammt aus Poznań (Posen). In derselben Machart und Größe fertigte Lumet einen eindeutig identifizierbaren Syrena, und unser grünes Modell kann entweder ein generisches Fahrzeug im Stile der End-50er-Jahre sein oder ein Wartburg P-311. Wir entschieden uns für Letzteres.

afs

Ein Pole, der von sich selber nicht so genau weiß, was er sein soll. Ein typisches und stilisiertes 50er-Jahre-Auto oder ein Wartburg P-311? Das kann jeder Sammler für sich entscheiden. Für uns ist es ein Wartburg.