Warum Maßstäbe?
Fortsetzung der gestern begonnenen Ausführungen über den Sinn der Maßstäbe.
1:43 Der Traditionsmaßstab seit 90 Jahren:
Bei den Modellbahnern Nenngröße 0 („Null“), im angelsächsischen Raum „7 mm Scale“. 1:43 ist ein weites Feld, und darunter wird im Spielzeug- und Modellautobereich so ziemlich alles subsumiert, was sich zwischen 1:40 und 1:50 bewegt. Aktuelle Modellautos halten sich hingegen exakt an 1:43. Märklin und Trix entwickelten 1935 Modellbahnen der Nenngröße 0, was zuvor schon Frank Hornby in England getan hatte. Er stellte 1933 erstmals Miniaturautos als Modellbahn-Accessoire unter der Marke Modelled Miniatures her. Im Folgejahr gliederte er die kleinen Autos aus der Reihe Modelled Miniatures aus und schuf für sie eine eigene Marke: Dinky Toys. Die Jahre 1933/34 gelten als die Geburtstunde des Spielzeugautos im Maßstab +/- 1:43 aus Zinkdruckguss. Zu den Pionieren der so genannten Diecast-Spielzeugautos zählen neben Dinky Toys auch Solido und Autojan & Roustan, beide in Frankreich, sowie Märklin. Sammler antiquarischer Spielzeugautos haben in der Größe +/- 1:43 die größte Auswahl, weil sie seit Mitte der 30er Jahre etabliert ist. Es ist der einzige Maßstab, der durchgängig bedient wurde, bis zur großen Spielzeugautokrise in den späten 70ern, im Jahrzehnt der Resinekits in den 80ern und seit der „Erfindung“ des bis heute aktuellen Modellautos Ende der 80er, als zuerst Vitesse und ab 1990 Minichamps den Sammlermarkt revolutionierten und auf die bis heute gültigen Gegebenheiten (Modellautos für erwachsene Sammler) um- und einstellten.



1:40 Der Maßstab der VW-Werbemodelle:
Kein Traditionsmaßstab, aber erwähnenswert wegen der Wiking 1:40-Modelle. Konnte sich nicht durchsetzen, auch nicht bei den VW-Industriemodellen – nach Auslaufen der Wiking/Cursor-1/40-Plastikmodelle setzte Volkswagen auf 1:43 sowie 1:66 und wandte sich 1973 an Schuco. Volkswagen beauftragte Wiking mit diesen Modellen, legte wohl auch den Verkleinerungsmaßstab fest. Ende der 40er Jahre war 1:43 noch nicht so etabliert wie später, nicht unbedingt eine Richtlinie, an die man sich halten sollte. Vielleicht wollte Volkswagen aber auch nur, dass die Werbemodelle mehr hermachen sollten als andere Miniaturautos. Das war beispielsweise bei Spot On ebenso, als die Mutterfirma Tri-Ang den Maßstab der Modellautoserie auf 1:42 statt 1:43 festlegte: Größere Miniaturen sollten eine höhere Wertigkeit suggerieren als diejenigen der Konkurrenz. Genau das dürfte auch der Beweggrund für Yonezawa Toys in Japan gewesen sein, als deren Diapet-Modelle in den späten 70er Jahren von 1:43 auf 1:40 umgestellt wurden – so weit wie Corgi und Dinky Toys, auf 1:36 zu vergrößern, wollte Yonezawa offenbar nicht gehen.

1:36 Der Corgi-70er-Jahre-Maßstab:
Anfang der 70er Jahre von Mettoy (Marke: Corgi Toys) geschaffener Spielzeugautomaßstab in der Nachfolge von 1:43 mit der Begründung, kleine Kinder könnten die größeren Autos mit ihren Händen besser greifen, auch unter Sicherheitsaspekten: weniger kleine Teile, die verschluckt werden können. Dinky Toys folgte in seiner Endzeit dem Konkurrenten und stellte bei den letzten Neuentwicklungen ebenfalls auf 1:36 um, auch die Matchbox-Kingsize-Reihe tat dem im Pkw-Sektor gleich. Manche aktuelle Corgi-Modelle wie jene der TV- und Filmfahrzeugreihe basieren auf dem damaligen Formenbau und sind deshalb noch heute in 1:36 gehalten. Daimler-Benz orientierte sich in den 70er und 80er Jahren eine Zeitlang bei seinen Pkw-Industriemodellen an diesem Maßstab: NZG, Conrad und Cursor machten die damaligen Mercedes-Typen W123, W124, W116, W126, W201, R107 und G-Modell in 1:36. Noch heute ist 1:36 beliebt bei Metall- und Plastik-Kinderspielzeugautos mit Rückzugmotor.

1:32 Slotcars, Bausätze, Spielzeug aus West und Ost, Plastik und Metall:
Bei den Modellbahnern Nenngröße I, bei den Modellautosammlern ein sehr beliebter Maßstab, der in vielen Sparten genutzt wird, vom Slotracer über das Spielzeugauto bis zum Traktor-Industriemodell und als Modellbahnzubehör. Manche auf 1:43 spezialisierte Plastikspielzeughersteller hatten auch größere Modelle im Angebot, Serien in 1:32 (so Minialuxe oder Clé in Frankreich), und generell war 1:32 international eine beliebte Größe für Plastikspielzeugautos, ein Großteil der klassischen Hongkong-Kunststoffautos orientieren sich daran, ebenso wie die Ostblock-Spielzeugautos aus „Plaste“. Solido machte Ende der 60er Jahre eine schöne Serie an 1:32-Zinkdruckguss-Miniaturen, die demontierbar waren (Opel Rekord C Coupé, Peugeot 504, Renault 16, Ford 15m P6 Pickup), die klassischen Britains-Militärmodelle sind ebenso 1:32 wie aktuelle landwirtschaftliche Industriemodelle à la Wiking oder Universal Hobbies. Als Modellbahn-Zubehör gibt es schön gemachte Modellautos in 1:32, so beispielsweise von KM 1 (Opel Olympia Rekord P I in unzähligen Versionen). 1:32 ist auch der klassische Slotracing-Maßstab. Slotcar Racing etablierte sich Anfang der 60er Jahre in den USA und kam als Trend mit Verzögerung nach Europa, auch nach Deutschland, wo die Firma Neuhierl unter dem neuen Markennamen Carrera zum führenden Hersteller aufstieg, bekannt auch Märklin, Fleischmann und Stabo; Scalextric aus England war bedeutender Importeur. Slotcar Racing wurde zu Hause als Hobby, aber auch professionell als Meisterschaft ausgeübt. Ende der 60er Jahre war es Usus, dass Gaststätten Carrera-Rennbahnen im Nebenzimmer hatten. Mitte der 70er endete der Boom, Flipperautomaten und Billardtische ersetzten die Carrera-Bahnen. Die Branche dümpelte vor sich hin, zweiter Boom in den 90er Jahren, dann aber vorwiegend im Maßstab 1:24. Auch vor allem britische Plastikkits sind in 1:32 gehalten, und das geht oftmals Hand in Hand mit den Slotcar-Liebhabern, die dadurch individuelle Renner bekommen, wenn sie die Karosserien von Plastikbausätzen auf Slotcar-Chassis’ setzen. Darüber hinaus ist 1:32 der gebräuchlichste Militärmaßstab, zurückgehend auf die Zeit der Bleisoldaten.

1:24/1:25 Der Promo-Maßstab:
Typisch amerikanisch. 1949 beauftragte Ford die Firma Aluminium Model Toys (AMT) von West Gallogly in Troy/Michigan mit einem guten Modell des brandneuen Ford Fordor Sedan, der in allen lieferbaren Farben in 1:25 miniaturisiert und an Kunden verschenkt wurde: Die Geburtsstunde des Promotional Model, kurz Promo, und auf deutsch Werbemodell. Bis in die 70er Jahre hinein war diese Praxis Usus (auch bei Importeuren in den USA wie Mercedes, Rolls-Royce, Renault, Opel), und nach dem (jährlichen) Modellwechsel der US-Vorbilder machten die üblichen Verdächtigen (AMT, Jo-Han, Monogram, Hubley, Revell etc.) aus den Promos Bausätze aus Plastik zum selbst Lackieren und Zusammenbauen. In den USA ist das Sammeln von 1:24- oder 1:25-Promos mindestens so populär wie in Deutschland das Wiking-Sammeln. So genannte US-Hochpreis-Direktvermarkter à la Franklin Mint (und all die Trittbrettfahrer, die ebenfalls ihren Namen auf „Mint“ enden ließen) wählten ebenfalls 1:24/1:25, aber dieser Trend ist längst vorüber. Der Maßstab schwappte ohne großen Erfolg auf die Alte Welt über, Ende der 60er Jahre vor allem nach Italien, wo Politoys/Polistil und Mebetoys Diecast-Modelle in 1:25 machten. Togi auch, entschied sich aber für 1:23, warum auch immer. Jüngst, als die Partwork-Serien so ziemlich alles Interessante und Verkäufliche in 1:43 abgefeiert hatten, entschieden sich die Verlage, die erfolgreichsten Serien erneut aufzulegen – mit Modellen in 1:24. Diese fertigt PCT/Ixo, und beispielsweise Model Car World lässt dort aus dem Formenfundus der Partwork-Modelle seine eigene Serie namens Whitebox fertigen (zuvor 1:43). Das wird zwar am Markt durchgeboxt, erfreut sich aber keiner allzu großen Beliebtheit. 1:43 ist handlicher, und wenn schon groß, dann gleich 1:18 – das ist das europäische Sammler-Credo.

1:22,5 Der Gartenbahn-Maßstab:
Bei den Modellbahnern Nenngröße II. Modellautos im exakten Maßstab 1:22,5 gibt es kaum. Die Gartenbahn-Profis behelfen sich mit 1:24 oder 1:25 und haben dort eine große Miniaturauto-Auswahl.
1:18 Der Königs-Maßstab:
Manche nennen 1:18 den „Bburago-Maßstab“, weil Bburago ihn in den späten 70ern popularisiert hat. Mitte/Ende der 80er legten viele Sammler mit dem Ferrari F40 für 39,95 D-Mark den Grundstein für ihre 1:18-Sammlung; mit 2,8 Millionen produzierten Exemplaren dürfte er das meist verkaufte Modellauto der Welt sein. Das erste Großmodell von Bburago war allerdings kein Achtzehner, sondern 1977 ein Rolls-Royce Camargue im queren Maßstab 1:22, 1978 kam das erste Bburago-1:18-Modell, ein Mercedes SSKL. Richtig in Fahrt kam 1:18 in den frühen 90er Jahren, als absolut hochwertige Modelle in diesem Maßstab erschienen, Trendsetter waren Minichamps, Exoto, Kyosho. 1:18 hat keine Tradition. Die Wahl dieser Größe ist obskur. Es gibt weder im Zoll- noch im metrischen System dazu eine Erklärung. Zumindest kennen wir keine.


1:13/1:14 Der Museumsmaßstab:
Wenn Museen Einzelstücke von Modellbauern fertigen lassen, wählen sie entweder 1:14 oder 1:8. Gerade in Italien ist 1:14 ziemlich verbreitet, und die Fiat-Werbemodelle von Rivarossi und Pocher, aber auch die französischen Werbemodelle von Mont Blanc für Citroën sind in dieser Größe. Darüber hinaus war dies in den 60ern ein beliebter Maßstab für große Spielzeugautos mit Funktion (Kabelfernlenkung, Friktionsantrieb, später Remote Control).


1:12 Der Kaisermaßstab im Spielzeugautosektor:
Lange etabliert als der Puppenhaus-Maßstab, „one inch to one foot“. 1:12 wurde ebenfalls gerne für große Funktions-Spielzeugautos verwendet – vor allem dann, wenn das Vorbild eher klein ist oder das Spielzeug besonders repräsentativ sein soll. Im modernen Modellautosektor ist 1:12 der Kaisermaßstab und überragt 1:18 (ein 1:12-Modell ist 50 Prozent größer als ein 1:18-Modell). Theoretisch ist in Sachen Detaillierung in 1:12 weit mehr möglich als in 1:18. Aber viele Hersteller verzichten gerade in dieser Größe auf zu öffnende Teile. Sie gestalten ihre Modelle „sealed“ mit dem Argument, mit 1:12-Modellen weniger den Sammler ansprechen zu wollen als denjenigen, der ein dekoratives Accessoire für seine Bar, sein Büro, sein Autohaus oder seine Wohnung haben wolle.


1:9 Der Motorrad-Maßstab:
Motorrad-Highend-Modelle werden gerne in 1:9 gefertigt. Doppelt so groß wie 1:18 und in der Herkunft ebenso unklar wie 1:18. Zumindest im metrischen System wäre 1:10 logisch, nicht zuletzt der einfachen Umrechenmöglichkeit wegen. Aber 1:10 existiert quasi nicht als Verkleinerungsfaktor im Modellbau.
1:8 Der Ausnahme-Maßstab:
Lange Zeit war 1:8 der absolute Ausnahme-Maßstab bei Automodellen. Gewählt von Herstellern, die dem ambitionierten Modellbauer Einzelstücke bieten wollten: Einen Ferrari F40 oder Testrossa oder einen Mercedes 500 K als Pocher-Bausatz baut man sich ein Mal und stellt das Ergebnis stolz ins Wohnzimmer, über den Kaminofen oder in die Schrankwand. Alleine aus Platzgründen können nur wenige Menschen Modellautos in 1:8 sammeln. In jüngster Zeit gewann die Riesen-Größe an Beliebtheit, seitdem Partwork-Verlage das Geschäftsmodell entdeckt haben, in 120 oder mehr Einzelausgaben via Abonnement einen 1:8-Bausatz zu verkaufen. Der Herausgabezeitraum erstreckt sich meist über zwei Jahre (wöchentlich eine Ausgabe), der Gesamtpreis summiert sich meist auf rund 1400 Euro, und der Käufer ist kontinuierlich eine Stunde lang mit dem Fortgang seines Bausatzes beschäftigt. Ideal für Menschen, die direkt nach dem Renteneintritt in ein tiefes Loch fallen oder sich schlichtweg selbst beschäftigen wollen. Die 1:8-Partwork-Bausätze konzentrieren sich auf drei Hersteller: PCT/Sonic (Markenname: Ixo), EHK (Markenname: Eligor) und Grani & Partners (nicht im Fachhandels-Business).

Foto: Michael Borgeest

Foto: Michael Borgeest
1:6 Der Barbie-Maßstab:
Mattel selbst spricht von 1:6, wobei das relativ ist – zumal die Proportionen der Barbie-Puppe von Anfang an umstritten waren und bemängelt wurde, die Puppe würde eher der Männerphantasie als einer realen Frau entsprechen. Die echte Barbie ist exakt 29,2 cm groß, also knapp 12 Inches. Barbie sowie ihre Freundinnen und Freunde leben in einem eigenen Kosmos, zu dem auch Fahrzeuge gehören, und die sind im Maßstab 1:6 gehalten. Aber das ist so relativ wie Barbies eigener Maßstab, denn bei den Fahrzeugen handelt es sich schwerlich um vorbildgerechte Reproduktionen, sondern eher um Phantasiefahrzeuge mit realen Allüren – wie unser Fotobeispiel des zum Zweisitzer erheblich verkürzten Rolls-Royce Corniche Convertible bestens belegt.

1:1 Die Größe des Originals:
Kein Witz, es gibt auch Modelle in Originalgröße. Zum einen, eine aktuelle und etwas dekadente Entwicklung: Modellautos in Originalgröße von besonders teuren Fahrzeugen, eventuell Einzelstücken, die sich in die Garage (oder ins geräumige Wohnzimmer) stellt, wer vom Original träumt und es nicht erreicht. Er gibt sich dann mit einem Resine- oder 3D-Modell in Originalgröße zufrieden. Zum anderen: nicht dekadent, sondern effektiv, Modelle von Prototypen in der Automobilindustrie. Früher, vor dem und während des frühen Computerzeitalters, wurden Autos am Reißbrett konstruiert und deren Karosserieformen auf einem weißen Blatt Papier entworfen. Um zu sehen, wie die zweidimensionalen Entwürfe in der Realität aussehen, wurden dreidimensionale Automodelle in Originalgröße hergestellt, entweder aus Holz oder aus Gips. Erst dann war den Entscheidungsträgern ersichtlich, wie der Entwurf auf das menschliche Auge wirkt, wie sich das Licht an den Kanten und Sicken bricht, wie das Auto in der angestrebten Originallackierung aussieht. Teilweise hatten diese „Clay Cars“ (Gips-Autos) rechts und links leicht unterschiedliche Linienführungen, um einen Vergleich verschiedener Gestaltungsvorschläge zu ermöglichen. Aber – zugegeben – mit Modellautos hat der Maßstab 1:1 wenig zu tun. Dennoch sei er hier erwähnt. Die Maßstäbe kleiner als 1:160 haben ja mit Miniaturautos auch nichts zu tun. Aber sie gehören in diese Abhandlung. Wenn schon, denn schon.
afs

Foto: Archiv Opel

Foto: bat

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