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News 1:18 Almost Real Mercedes-Maybach S680 W223 2021

Kurvenleger

Er kann mehr als andere können. Der Mercedes-Maybach kann mit vier Rädern lenken. Und seine 1:18-Wiedergabe von Almost Real kann das auch. Und was andere können, kann er schon lange. Denn die Almost-Real-Miniatur kann schlichtweg alles, was ihr Vorbild kann – zumindest im Rahmen dessen, was in 1:18 möglich ist.

Unter einem Kurvenleger versteht der Automobilhistoriker keinen modernen Mercedes-Maybach, sondern das skurrile Gefährt des ebenso skurrilen Erfinders Ernst Neumann-Neander. Dessen Skurrilität geht schon mit seinem Namen los. Er hieß Neumann, aber das klang ihm zu profan. Also kreierte er für sich einen Doppelnamen und hing dem alltäglichen Neumann den wohlklingenden Neander an, griechisch für „neuer Mensch“, somit die interpretierte Übersetzung seines eigentlichen Nachnamens. Seine Freunde nannten ihn „N²“. Er erfand nicht nur ein revolutionäres Motorrad mit Pressstahl- statt gelötetem Stahlrohrrahmen und den Schwingachs-Seitenwagen für Motorräder, sondern eben auch die heute noch legendären Fahrmaschinen, auch Kurvenleger genannt: frontgetriebene Kombinationen aus Auto und Motorrad, also dreirädrige Sportwagen mit den Kurveneigenschaften eines Motorrades.

Der Mercedes-Maybach ist nicht dreirädrig und legt sich auch nicht in die Kurve wie ein Motorrad. Und dennoch ist er eine Art Kurvenleger, denn er lenkt mit vier Rädern. Das sieht, gelinde gesagt, irritierend aus – im Original wie im Modell, denn Almost Real gibt eben diese ungewöhnliche Eigenschaft als Gimmick am Modell wieder.

Es gibt zwei Arten der Allradlenkung, jene zur Verbesserung der Manövrierfähigkeit und jene zur Steigerung der Fahrdynamik. Der Mercedes-Maybach verfügt serienmäßig, worauf seine Basis, die aktuelle S-Klasse W223 optional verfügt, eine Allradlenkung, bei der bis zu Tempo 60 und einem Winkel bis zu 10 ° (optional 4,5 °) die Hinterräder entgegengesetzt zu den Vorderrädern lenken (das dient dem Rangieren und Manövrieren), darüber hinaus lenken sie in die gleiche Richtung wie die Vorderräder und unterstützen sie dadurch fahraktiv. Das heißt also, der Maybach verknüpft beide mögliche Arten der Allradlenkung miteinander. Im Maybach setzt Almost Real diese Allradlenkung um, und zwar im Modus über 60 km/h, das heißt, die Hinterräder lenken (in kleinerem Winkel) in die gleiche Richtung wie die Vorderräder.

Im Herbst vergangenen Jahres ist der Almost Real Maybach mit dieser ausgefallenen Idee erstmals erschienen (zumindest auf dem europäischen Markt, in Asien schon früher). Nun legt Almost Real nach und bringt mehrere neue Farben respektive Farbkombinationen, die nun beim Europa-Importeur Minichamps angelangt sind: Hightech Silver over Obsidian Black, Obsidian Black over Diamond White, Nautic Blue over Cirrus Silver sowie einfarbig Patagonia Red. In den Startlöchern steht Kalahari Gold over Rubellite Red, alle zum selben Preis und alle auf 504 Exemplare limitiert. Die Zweifarbigen sehen sehr edel aus, und die Zweifarbigkeit ist charakteristisch für den aktuellen Mercedes-Maybach. Genau deshalb entschieden wir uns als Muster für den einfarbig Pataginienroten, denn das ist außergewöhnlich und verleiht dem 2,3-Tonner eine sportliche Allüre (übrigens: In der Guard-Version, also gepanzert, wiegt er deutlich über 5 Tonnen, wofür der Chauffeur also einen Lkw-Führerschein benötigt, weil über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht). Die Allradlenkung am Modell verwirrt beim flüchtigen Blick das Auge, sie sieht „komisch“ aus (also seltsam oder merkwürdig), aber sie ist vorbildlich, erhöht den Spieltrieb des Sammlers und ist obendrein ein genialer Gimmick von Almost Real, eben typisch für diesen Hersteller. Der Lenkeinschlag der hinteren Räder ist mit jenem der vorderen verbunden, aber, ganz das Vorbild, nicht im selben Winkel. Dafür konstruierte Almost Real einen aufwändigen Mechanismus. Auf jeden Fall fällt der Mercedes-Maybach in der Vitrine nicht nur seiner selbst wegen auf, sondern auch seiner Kunst wegen.

Beutelratte, Gürteltier und Kampffuchs

Der W223 als Mercedes S-Klasse erschien Ende 2020, gleichzeitig wurde der verlängerte Mercedes-Maybach (Z223) präsentiert. Er ist seit Mai 2021 im Verkauf. Ihn gibt es als schnöden V8 (S 580) für die ärmeren Leute sowie als wenn-schon-denn-schon-V12 (S 680), Biturbo-V12, 5980 cm³ und 612 PS, eine Chauffeurlimousine, 18 Zentimeter länger als die lange S-Klasse, sehr souverän, das Vorbild für Almost Real.

Unser patagonienroter Mercedes-Maybach erinnert nicht im Mindesten an Land und Leute in Patagonien, denn das ist südamerikanische Pampa, trocken, unbesiedelt, arm, kühl, Steppe eben mit Beutelratte, Gürteltier, Ottern und Kampffuchs. Rot ist dort wenig. Aber das heißt nichts. Patagonienrot klingt gut, und niemand wird dazu aufgefordert, sich über die Namen von Mercedes-Farben Gedanken zu machen. Im Gegenteil! Nicht darüber nachzudenken, ist im Zweifelsfalle besser. Das Interieur des Patagonien-Maybach ist in reinstem Weiß gehalten, dazu ein paar schwarze Akzente, ein krasser Gegensatz, und die vollverchromten, riesigen Aluminiumfelgen lassen jeden pferdegezogenen Präriewagen, mit dem amerikanische Sieder vor 150 oder mehr Jahren den amerikanischen, wilden Westen domestizierten, vor Neid erblassen.

Jedes Detail an diesem Modell ist klug durchkonstruiert und in der best möglichen Machart umgesetzt, die Verarbeitung ist erste Güte, ungewöhnliche Details sind nebst der Allradlenkung die längs verschiebbaren Vordersitze und die beiden Koffer im Kofferraum. Übrigens: Wer einen patagonienroten Mercedes-Maybach bestellt, spart Geld. Denn die fast schon obligatorische Zweifarblackierung kostet im Original läppische 20.300 Euro Aufpreis, was dem Neupreis eines hippen Fiat 500 mit Rolldach entspricht (oder einem weniger hippen Seat Ibiza oder Skoda Fabia). Almost Real verlangt für Zweifarbigkeit keinen Aufpreis, gewährt bei Einfarbigkeit aber auch keinen Minderpreis.

afs

Optisch unterscheidet sich der Maybach deutlich von der S-Klasse, vor allem von vorne durch eine eigenständige Motorhaube mit verchromter Finne und den Maybach-exklusiven Kühlergrill, auch durch das Dreiecksfenster in der C-Säule. Und natürlich, wie seit jeher bei jedem Maybach, durch das Logo an der C-Säule.
Modellfotos: bat
Ein Traum in reinem Weiß mit schwarzen Akzenten. Sehr edel gemacht die Türschwellerleisten mit „Maybach“-Schriftzug, schlichtweg ein Teil der Maybach-Inszenierung. Ebenso wie der Bildschirm, Ausdruck der persönlichen künstlichen Intelligenz („Hey, Mercedes!“), die dem Fahrer seine Wünsche abliest und das Rückpublikum unterhält.
Der Motor als Dancefloor. In der Werkstatt kann man all die Plastikabdeckungen abnehmen. Warum kann man das am Modell nicht? Immerhin steckt darunter ein V12. Eigentlich ist der doch sehenswert. Und außerdem gibt es ihn nur im Maybach, nicht in der Mercedes S-Klasse.
Ernst Neumann-Neander 1947 am Steuer einer Fahrmaschine, gedacht als dreirädriger Sportwagen mit den Kurveneigenschaften eines Motorrades.
Foto: Archiv Rainer Simons

Steckbrief:

Almost Real ALM 820119 Mercedes-Maybach S680 4MATIC W223 2021 rotmetallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. Auflage 504 Exemplare. UVP des Importeurs Minichamps 265 Euro.