Nichts ist, wie es scheint
Auftritt einer automobilen Legende: AUTOart bringt in gewohnter Modellbaukunst den Nissan Skyline GT-R R34 Z-Tune, also die Nismo-Miniauflage aus dem Jahre 2005, drei Jahre nach Produktionsschluss erschienen. In schönen Farben. Aber nur eine changiert, nämlich das spektakuläre Midnight Purple. Es wirkt am Modell so extravagant wie am Original.
Farbe ist Talmi. Sie ist erlogen. Sie übertönt die formale Wahrheit, macht sie schön oder hässlich. Aber sie alleine wenigstens ist definiert. Blau, Rot oder Grün ist Blau, Rot oder Grün. Und jetzt gilt nicht mal das mehr. Auch die Farbe wechselt ihre Erscheinung, je nach Perspektive: changierender Lack. AUTOart lackiert seinen Nissan Skyline GT-R (R34) Z-Tune in einer Farbe, die nicht definiert ist, die sich selber je nach Blickwinkel ändert und den Betrachter irritiert. Für dieses Trugbild verlangt AUTOart satte 80 Euro Aufpreis gegenüber einem konventionell lackierten Modell gleichen Typs. Aber der Effekt ist dermaßen faszinierend, dass 80 Euro nichts sind gegenüber diesem visuellen Erlebnis.
Absolut weltentrückt – „Midnight Purple“
Midnight Purple nennt Nissan die Farbe, also Mitternachtsviolett. Das klingt mysteriös, kryptisch, fast schon jenseitig. Denn es ist, alleine schon rein begriffsinhaltlich, jenseits der menschlichen Vorstellungsgabe. Zu Mitternacht ist es dunkel, zu jeder Jahreszeit, zumindest in unseren Breitengraden. Violett ist ohnehin der so ziemlich ungreifbarste Farbton, die Mischung aus Rot und Blau. Violett zur Mitternachtsstund’ ist letztlich eine Unfarbe, eine Nichtfarbe, eine amorphe, schwarze Masse. Und dennoch glänzender Lack, der letztlich gar nicht violett ist. Sondern, je nach Erscheinung, Lichteinfall und Perspektive, mal dunkelblaumetallic und mal dunkelrotmetallic. Violett erstrahlt Midnight Purple eigentlich kaum, und die Bezeichnung ist wahrscheinlich nur der Tatsache geschuldet, dass die Mischung aus beiden Erscheinungen nun einmal Violett ergibt.
Ein legendärer Farbton seit 1995
Midnight Purple ist ein eigener Nissan-Farbton, aber nur für spezielle Fahrzeuge erhältlich. Der Vorgänger des AUTOart-Modells, der Skyline GT-R der Generation R33, war 1995 der erste Träger von Midnight Purple (das damals noch Deep Metallic Purple LP2 hieß), und seitdem ist der Farbton in der Tuning-Szene legendär. Beim GT-R R34 ab 1999 offerierte Nissan Midnight Purple II LV4 nur auf der V-Spec-Version, bot sie im Laufe der Zeit auch auf anderen Fahrzeugen an (Silvia, Stagea), aber die Lackierung blieb selten. 2001 kam die dritte Generation dieses Lacks, Midnight Purple III LX0, wieder hauptsächlich für den Skyline GT-R R34, lieferbar nur ein Jahr lang bis 2002, als die R34-Produktion endete. Das bedeutet, den Skyline GT-R R34 gab es in zwei Midnight-Purple-Mixturen, LV4 und im letzten Produktionsjahr LX0. AUTOart votierte für letzteren Ton, also für Midnight Purple III. Die Lackierung besteht aus mehreren, aufeinander abgestimmten Schichten (was beim AUTOart-Modell auch der Fall ist, deshalb der satte Aufpreis), und Nissan hält sich, was die Zusammensetzung des Lacks betrifft, ziemlich bedeckt. Sicherlich unwahr ist allerdings das Gerücht, niemand außerhalb der Firma kenne die Lackkomposition. Denn sonst könnte ja kein Lackierer dieser Welt eine Lackreparatur an einem Nissan in Midnight Purple durchführen. Das Gerücht wird wahrscheinlich nur von Midnight-Purple-Fahrern kolportiert, um den Ton noch interessanter und geheimnisvoller erscheinen zu lassen.
Die Farbe ist so vielfältig, so verzaubernd und berauschend, so emotional und weltentrückt, dass man ihr alleine einen Essay widmen könnte – ohne auch nur ein Wort über das AUTOart-Modell zu verlieren. Dies wäre aber nicht der Sinn einer Modellautobesprechung. Also verlieren wir das ein oder andere Wort über den Nissan selbst.
19 Gebrauchtwagen werden zum Nismo Z-Tune
Die fünfte Nissan-Skyline-GT-R-Generation, intern R34, wurde zwischen Januar 1999 und August 2002 gebaut, 11.578 Exemplare (2,6-Liter-Reihensechszylinder-Turbo, offiziell 250, tatsächlich rund 300 PS), darunter einige sehr spezielle. Eine Sonderversion war der V-Spec, was für Victory Spezification steht, spezielles Allradsystem und Diffusor, gewichtsoptimiert, tiefer gelegt, anderes Differenzial. Später kam V-Spec II mit Carbon-Haube und Hutze. Sodann gab es M-Spec, also die V-Spec-Version etwas komfortabler abgestimmt. Von beiden, V-Spec und M-Spec, erschienen wiederum Spezialversionen mit dem Namenszusatz Nür, was für Nürburgring steht. Diese Nür-Modelle trugen jenen 400-PS-Motor, den auch die rein renntaugliche Version GT-R N1 aufwies.
Und dann gab es noch den Nismo Z-Tune, das AUTOart-Modell. Er erschien drei Jahre, nachdem die GT-R-Produktion beendet worden war. Die Nissan-Motorsportabteilung Nismo baute anlässlich ihres 20jährigen Bestehens 19 Exemplare (zwei Prototypen, 17 Fahrzeuge für den Verkauf, je 160.00 Dollar teuer) auf bestens erhaltenen Gebrauchtwagen auf, die in den Zustand better than new versetzt wurden, neue Aerodynamik-Teile, modifizierte Bremsen, viel Rennsporttechnik, Motor auf 2,8 Liter aufgebohrt, 507 PS stark, 327 km/h schnell, nullhundert in 3,8 Sekunden. Das sind heute noch sensationelle Werte, und dabei ist dieser Wagen 20 Jahre alt!
Die kleine Z-Tune-Serie wurde einheitlich lackiert, und zwar in Z-Tune-Silver, das es nur für diese Modelle gab. Bis auf einen. Der verblieb in seinem originalen Farbton, Midnight Purple III. Denn er wurde nicht von Nissan aufgekauft und umgebaut, sondern hier ließ der Eigentümer eines guten GT-R sein Bestandsexemplar bei Nismo zum Z-Tune aufrüsten. Das heißt, das AUTOart-Modell basiert auf einem einmaligen Vorbild. Heute gehört ein Nissan GT-R R34 Z-Tune zu den ganz furchtbar teuren Geräten. Kaum ein Exemplar wird verkauft. Und wenn, dann im Preissegment einer feinen Immobilie (aber nicht in Mecklenburg-Vorpommern, sondern eher in Berlin). 2016 wurde einer in Hongkong für eine halbe Million Euro verkauft. 2022 wechselte ein Weiterer den Besitzer, und der brachte das Vierfache!
AUTOart nimmt den R34 das zweite Mal in Angriff
Einen solchen Nissan Skyline GT-R R34 gab es bereits von AUTOart, vor vielen Jahren, damals noch ein Zinkdruckgussmodell, schön gemacht, wie alle AUTOart-Produkte, aber eben auf dem damaligen Stand der Zeit, mit Doglegs als Haubenöffner und Tür- und Haubenspalten, wie sie eben damals bei einem Metallmodell üblich waren. Die Neuerscheinung ist komplett neu konstruiert, aus Kunststoff, viel feiner, viel bessere Shut Lines, schlichtweg Formenbau auf neuestem Stand. Man merkt, dass das Modell mit Sorgfalt konstruiert wurde und seitens der Macher eine gehörige Portion Liebe beigemischt wurde. Sämtliche Gitter sind durchbrochen, die Felgen (mit Ventilen!) und ihr Dahinter sind ein Ausbund an Filigranität, die chromgeprägten Schriftzüge sind teilweise rot oder schwarz ausgelegt, die Leuchten herrlich dargestellt. Teppichboden und die aufwändigen Haubenscharniere sind eine AUTOart-Selbstverständlichkeit, ebenso wie die bis zum Äußersten getriebene Dekorationskunst im Motorraum. Gut gefällt uns, wie AUTOart neuerdings seine Reifen fertigt, nämlich mit erhaben geprägten Schriftzügen. Der Innenraum ist ebenfalls bestens detailliert, wobei die Grundfarbe bei AUTOart immer ungefähr gleich ist, ein ganz leicht ins Bläuliche gehendes Dunkelgrau. Die Sitze tragen schwarze Grundfarbe, die kurioserweise etwas fettig glänzend wirkt. Das ist eigentlich unser einziger Kritikpunkt an diesem Modellauto. Das Rot der Sitzflächen, Türverkleidungen und partiell am Lenkradkranz erscheint uns auf Vorbildfotos etwas intensiver als am Modell, aber das kann täuschen. Sehr schön ist der hellgraue, strukturierte Dachhimmel. Weniger passend ist, dass der Innenrückspiegel im selben Hellgrau ausgeführt ist, auf Vorbildfotos ist er schwarz.
Ein bestialisch schönes Gerät!
Wie das Original, ist das AUTOart-Modell ein Juwel, eine Perle, ein Pulsbeschleuniger, ein Faszinosum. Der Preis garantiert eine gewisse Exklusivität. Doch das sollte einen potentiellen Interessenten nicht in der Sicherheit wiegen, er könne sich zu viel Zeit für die Kaufentscheidung lassen. Teuer ist er in Midnight Purple III, aber diese Version wird garantiert als erste ausverkauft sein. Und als Gebrauchtwagen dürfte dieser Nissan im Wert wohl kaum fallen.
AUTOart bringt mehrere Versionen, und nicht nur Midnight Purple III kostet Aufpreis. AUTOart offeriert das für diesen Typ charakteristische Z-Tune Silver, dann Bayside Blue und Black Pearl, jeweils UVP 269,95 Euro. Sodann kombiniert AUTOart das Bayside Blue mit einer Carbon-Motorhaube, dieser GT-R kommt auf 282,95 Euro. Die teuerste Version ist der changierende Midnight Purple III für 347,95 Euro. Alle sind mit glanzschwarz lackierten Felgen kombiniert, was bei dunklen Außenfarben ziemlich dunkel wirkt – aber die meisten Z-Tunes trugen nun einmal schwarze Schuhe und jenes Unikat in Midnight Purple III sowieso.
afs
Steckbrief:
AUTOart 77484 Nissan Skyline GT-R (R34) Z-Tune (Nismo) 2005. Fertigmodell Kunststoff, Maßstab 1:18. UVP 347,95 Euro.