Die erste Rose des Jahres
Der Katze zweiter Aufguss: Kyosho bringt sein frühes Jaguar E-Type Coupé in neuen Farben, darunter Pale Primrose, einem hauchzarten Pastellgelb. Das ist so feinsinnig und steht so sehr im Widerspruch zum Charakter des E-Type, dass es einfach eine faszinierende (Dis)-Harmonie bildet.
Primeln sind bunt. Sie sind nicht notwendigerweise gelb. Primeln können lavendelfarben sein, magentarot, von rosa bis violett und von weiß bis gelb. Und dennoch wird die Primel mit zartem Gelb in Verbindung gebracht. Sie gehört zu den Ersten, die im Frühling blüht und ist quasi sein Bote. Lateinisch heißt sie Primula, und ein Autobianchi heißt ebenso. Die Briten nennen sie Primrose, also die „Erste Rose“ des Jahres, obgleich die Primel nichts mit Rosen gemein hat. Und sie nennen einen Farbton „Primrose“, aus dem Jaguar „Pale Primrose“ mischte, ein ganz zartes, pastelliges Gelb, sozusagen Weiß mit einem Schuss Gelb. So ist die Neuauflage des Kyosho Jaguar E-Type lackiert, und gleichzeitig gibt es noch zwei weitere: Opalescent Dark Green (heller als British Racing Green und metallisiert) und Schwarz, im Juni dieses Jahres erschienen und nun beim Importeur Minichamps eingetroffen.
Im November 2021 erschien das Modell als Formneuheit, damals in Carmen Red, British Racing Green, Opalescent Gunmetal (also graumetallic), Opalescent Dark Blue (mittleres Blaumetallic), Cream (Weiß) und in Opalescent Silver Blue (silbriges Hellblaumetallic), alle ausverkauft. Wir entschieden uns für Pale Primrose, weil die Farbe so unsportlich, so elegant ist, und daher vom allgemeinen Verständnis so gar nicht mit dem Charakter des E-Type harmoniert. Und eben diese Diskrepanz fasziniert. Den Farbton Pale Primrose gab es fast während des gesamten E-Type-Lebens, von 1963 bis 1974 und er ist somit völlig korrekt auf dem Kyosho-Modell: E-Type Coupé der ersten Serie mit 3,8-Liter-Reihensechszylinder mit 269 PS, somit gebaut 1961 bis 1964.
Kyosho hat noch viel Potential. Den frühen E-Type gab es in etlichen Farben, so Bronze Metallic, Claret Red, Cotswold Blue, Imperial Maroon (ein dunkleres Uni-Rot), Indigo (dunkelblau), Opalesvent Silver Grey (silbermetallic), Pearl (Weiß) und Sherwood Green.
Feine Detailversessenheit mit groben Momenten
Einen 1A-E-Type stellte Kyosho auf die Speichenräder, und die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines weiteren E-Types stellt sich angesichts der schönen Interpretation nicht. Es wurden zwar viele E-Types in 1:18 im Laufe der Jahre gebaut, aber die meisten sind momentan ohnehin nicht lieferbar, und sealed-Modelle konkurrieren nicht mit einem Kypsho. Zudem: Was heißt schon „viele E-Types“? Kann man einen Offenen überhaupt mit einem Geschlossenen vergleichen, einen Zwölf- mit einem Sechszylinder, einen kurzen E-Type mit einem 2+2, einen all-open-Diecast mit einem Resinemodell? E-Type ist wahrlich nicht gleich E-Type!
Der Kyosho-Jaguar ist ein wunderschönes Modell, gut gemacht, und er wird jeden, der ihn sich in die Vitrine stellt, zufrieden stellen. Es gibt ein paar kleine Kritikpunkte im Detail, die das große Ganze nur dann trüben, wenn man nach ihnen fischt. Wer sucht, findet immer. Das perfekte Modell gibt es nicht. Und falls doch, so kann man seine Perfektion kritisieren und ihm deshalb Sterilität unterstellen.
Die Form stimmt. Das Modell „lebt“ den Charakter des Vorbildes, all das Sinnliche, Barock-Bacchantische, das diesem Auto inne wohnt, hat Kyosho völlig korrekt in 1:18 hinabgezirkelt, und das Ganze gepaart mit einer hochwertigen Lackierung und Montagequalität. Kyosho ist sich aber auch insofern treu geblieben, als die Kyosho-DNA nicht ausgehebelt wurde, dieser Spagat zwischen Vorbildtreue und Detailversessenheit auf der einen Seite und einer Spur von stabiler Grobheit auf der anderen. Was uns gewaltig beim Öffnen der Haube stört, sind die prominent neben den Vorderrädern an der Aufhängung sitzenden Kreuzschlitzschrauben. Das ist zu viel der groben Stabilität und passt nicht zu einem 280-Euro-Auto. Auch wünschen wir uns in dieser Klasse durchbrochene Kühllamellen auf der Motorhaube. Und die beiden Schraubenlöcher auf der Unterseite der Motorhaube (sieht man nur von unten) sind nicht gerade feinster Modellbau. Der 3,8-Liter-Motor ist schön gemacht, gar keine Frage, aber unter der Haube könnte es ein wenig filigraner und detaillierter zugehen. Kyosho verzichtete auf ein Lenkradgestänge, also eine Verbindung zwischen lenkenden Vorderrädern und Lenkrad. Drehen kann man das Volant zwar, aber es dreht ins Leere.
Zum Positiven gibt es mehr zu sagen, wobei so manches Positive in diesem Preisbereich aber auch eine Selbstverständlichkeit sein muss. Generell freuen wir uns über die Machart und die prima Verarbeitung. Herauszuheben ist, dass der Jag seine Vorderräder mit vernünftigem Lenkeinschlag bewegen kann und dass er federt. Schönes Detail sind die echten Federn, hinten sogar doppelte Federn. Die Räder mit ihren Zentralverschlüssen sehen super aus (wir haben die Menge der Speichen nicht mit dem Originalrad verglichen und nicht nachgezählt!), ebenso die drei Scheibenwischer, gute Leuchten sind in diesem Preissegment keines Lobes wert, so wenig wie der durchbrochene Fotoätz-Grill. Hübsch gemacht sind die auch innen strukturierten Hauben vorne und hinten, der zur Seite aufklappende Heckdeckel nicht nur mit Verkleidung, sondern auch mit Griff. Türen und Hauben sind passgenau eingesetzt und halten gut auf, die Scharniere an der Heckklappe mit etwas grobschlächtiger Verkleidung, die Türen mit starker Feder. Das heißt, sie gehen nicht ganz leicht auf, dafür schließen sie mit sattem Klack. Von innen ist der Jag gut gemacht, lackierter Kunststoff, etliche separate Teile, feine Bedruckung, aber eine Offenbarung ist das Interieur nicht – so wenig wie das Chassis. Dafür gilt dasselbe: Es ist gut gemacht, reißt uns aber nicht zu Begeisterungsstürmen hin wie beispielsweise ein Almost-Real- oder AUTOart-Chassis.
afs
Steckbrief:
Kyosho KYO8954LY Jaguar E-Type 3.8 Coupé Serie I 1961 Pale Primrose. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP des Importeurs Minichamps 279,95 Euro.