Kein Sakrileg: Ein Vergleich mit der Göttin
Da war doch schonmal was? Der aufmerksame Caramini-Leser erinnert sich: Sowohl die ersten Varianten der Norev Giulia als auch das Pendant von Mitica wurden an dieser Stelle vor nicht allzu langer Zeit besprochen. Was gibt es also noch Interessantes oder gar Neues zu erzählen? Außer, die neue Farbe zu erwähnen? So einiges!
Fangen wir beim Original an. Die Giulia ist ein Auto aus den frühen 60er Jahren und 1963 auf den Markt gekommen, um genau zu sein. Als viertürige Stufenhecklimousine mit längs eingebautem Reihenvierzylinder und Heckantrieb mit hinterer Starrachse sprengt sie grundsätzlich keine Konventionen. Sie schwimmt im Mainstream des damaligen Automobilbaus, in dem es insgesamt nicht viele wirkliche Ausnahmen gab. Bis auf eine, und das ist die DS von Citroën, per Definition ebenfalls eine Dame, eine Göttin sogar, wie ihre Typenbezeichnung es lautsprachlich zuließ, „la Déesse“. Kein Automobil hätte je besser so beschrieben werden können. Der Citroën stach konzeptionell komplett aus der automobilen Welt heraus und hatte in seinen Qualitäten keine Konkurrenz, vom steinalten Motor einmal abgesehen. Und kein Auto hat seinen Charakter so unbeschadet über die Zeitläufte bewahren können wie sie.
Was hat das aber mit der Giulia zu tun? Sie war das einzige Auto auf dem Markt, das es an überzeugender technischer Intelligenz und Innovationskraft mit der DS aufnehmen konnte, wenn auch für den Betrachter erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennbar. Die vordergründig und auch heute immer noch gern als eckig oder gar schrullig beschriebene Karosserie ist ein Wunderwerk der Aerodynamik. Ihr cw-Wert von ca. 0,34 ist gar um drei Punkte besser als derjenige des Citroën! Die hierfür verantwortlichen Faktoren wie geringe Gesamtquerschnittsfläche, stark verrundete vordere Karosserieecken, riesige Radien der Frontscheibe im Bereich der A-Säulen sowie ein bewusst noch einmal reduzierter Querschnitt des Hecks mit umlaufender wulstiger Abrisskante zeigen, dass die Karosserieentwickler genau wussten, was sie taten. Auch die gut gefüllten Radhäuser mit breiter Spur vorn und teilabgedeckten Rädern hinten sind strömungseffizient, wurden lange Zeit von der Konkurrenz nicht entdeckt und sind erst heute zum Standard geworden.
Der mythische und Jahrzehnte lang gebaute Doppelnockenwellenmotor, Fünfganggetriebe und Scheibenbremsen rundum, sowie ein mit Rennerfahrung abgestimmtes Fahrwerk enthoben diesen Alfa Romeo zusammen mit seiner genialen Karosserie zeitlebens dem üblichen Alterungsprozess. Auch hier eine erstaunliche Parallele zur DS von Citroën.
Dieses Gesamtpaket erlaubt auch in unseren Tagen noch ein nahezu völlig nostalgiefreies Fahren im öffentlichen Straßenverkehr wie auf der Rennstrecke. Die Giulia der ersten Generation ist heute also ein altes Auto ohne die übliche Oldtimerromantik. Wäre der Begriff der Zeitlosigkeit nicht so ein merkwürdiger, hier könnte er wirklich mal passen. Vielleicht erklärt das auch ihre Beliebtheit bei der Modellautosammlergemeinde. Viele lieben sie, doch weitaus wenigere haben je eine gefahren. Den Vorurteilen der Stammtischverteidiger teutonischer Automobilkunst wird es zu verdanken sein. (Und in eigener Sache sei es dem Autor erlaubt, auf seine jahrelange, intime Beziehung zur Giulia Berlina zu verweisen, die nur deshalb ein Ende fand, weil ein Giulia Bertone-Coupé Einzug hielt.)
Mailänder Eulen von Lyon nach Athen getragen?
Neben Minichamps, MCG und Mitica ist Norev der vierte renommierte Hersteller, der seine inzwischen fünfte Farb- und Ausstattungsvariante im Farbton Petrolblau auf den Markt bringt. Die Norev-Modellqualitäten zu erwähnen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Hier stimmt einfach alles. Die Giulia ist sealed, was uns dank der großen Scheiben trotzdem nicht daran hindert, den authentisch eingerichteten Innenraum zu betrachten. Sie gehört damit auch zu den etwas preisgünstigeren Modellen der Norev-Palette. Bis auf die Giulia Nuova, die letzte Variante der Baureihe mit geglätteten Hauben vorn und hinten und einem Kunststoffgrill im Gesicht, hat die Karosserie nur diverse Detailvarianten wie geänderte Radgrößen, Radkappen, Heckleuchten etc. erfahren. Norev kann hier also in Zukunft noch ein paar Jahrgänge mit geringem Aufwand nachbilden. Spannend wäre natürlich auch die in wenigen Exemplaren entstandene Kombiversion Promiscua. Die würde bestimmt jeden italophilen Modellautosammler glücklich machen.
mh
Steckbrief:
Norev 187971 Alfa Romeo Giulia TI 1964 Petrolblau. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 69,90 €.