Faszination Modellautos

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News 1:18 Norev Mercedes 230 E W124 1989

Der “letzte echte Benz” von Norev

Es gibt wichtige Autos und unwichtige. Was wichtig und was unwichtig ist, entscheidet jeder Sammler für sich. Aber einig sind wir uns, dass populäre Autos für mehr Sammler wichtig sind als Nischenfahrzeuge. Deshalb gibt es viele Elfer, E-Types, DSsen, Käfer und Sambabusse in 1:18, aber weder einen Talbot Tagora noch einen Ford 26m oder Austin Allegro. Was der Sammler wünscht, beschert dem Hersteller Verdienst. Der Mercedes W124 ist wichtig. Es gibt W124er in 1:18, aber so ganz glücklich ist der Mercedes-Sammler nicht mit ihnen. Das MCG-Modell aus Metall hat formale Defizite und ist rundum geschlossen, die AMG- und Brabus-getunten Interpretationen von Ottomobile (Limousine und T-Modell) sind sehr gut, aber aus Resine und somit nicht jedermanns Geschmack. Nun gibt es einen zum rundum Glücklichwerden: Norev, Metall, all open, all gut.

Dass ein W124 von Norev kommen wird, ist nicht nur seit langer Zeit ein offenes Geheimnis, es ist auch logisch. Die Norev-Mercedesse werden in engster Kollaboration mit Daimler entwickelt, Daimler unterstützt Norev mit allen möglichen Daten und Unterlagen, Daimler sichert Norev auch die Abnahme einer nicht unerheblichen Anzahl an Modellen in speziellen Farben zu – was für Norev die Entwicklung risikoloser und angenehmer macht. Aber bei einem klassischen Mercedes besteht ohnehin nahezu kein Risiko, dass er zum Ladenhüter wird. Es handelt sich jedoch nicht um einen Industrieauftrag, sodass Norev den Daimler-Konzern nicht zuerst exklusiv bedienen und darauf warten muss, sein eigenes Modell erst nach einer vertraglich festgelegten „Höflichkeitsfrist“ an die Fachhändler ausliefern zu dürfen. Relativ gleichzeitig werden die W124er in unterschiedlichen Farben im Fachhandel, bei Mercedes und im Norev-Online-Shop erhältlich sein.

Der Norev W124 sieht aus, wie jeder Norev-Mercedes aussieht, er kann, was jeder Norev-Mercedes kann, er ist auf dem konstruktiven und Fertigungsniveau eines jeden Norev-Mercedes – zumindest eines jeden, der in der besagten Kooperation mit Daimler entstand (es gibt auch andere im Norev-Programm, die dieses Privileg nicht genießen, das W123 Coupé beispielsweise). Es ist also schwierig, von einem Höhepunkt zu sprechen. Der Neue ist so gut wie jeder, und jeder ist sehr gut. Er entspringt den schöpferischen Händen und Gedanken von Norev-Produktmanager Sascha Voss in der Norev-Deutschland-Filiale in Aachen. Der W124 lenkt und dreht dabei sein Lenkrad, er federt, Motorhaube und Kofferraumdeckel gehen auf, die vier Türen sowieso. Auf der Bodenplatte steht „230 E“ und die Motornachbildung bestätigt den 132-PS-2,3-Liter-Vierzylinder mit Einspritzung. Wie bei Norev-Mercedessen üblich, ist der Motorblock kein separates Teil, sondern eine dreidimensionale Gravur. Man kann also nicht durch die geöffnete Haube bis zum Asphalt, also dem Schreibtisch, durchblicken. Das ist dem Preis geschuldet, und das ist halt so. Die etwas klobigen Scharniere an Motorhaube und Kofferraumdeckel sind auch halt so. Das muss man akzeptieren. Sonst muss man am Norev W124 nichts akzeptieren, denn das ist ein Modellauto ohne Defizite.

Unser Muster ist ein Serienmodell, kein Deco-Sample, kein Vorserienmodell. Noch ist es nicht ausgeliefert, Caramini-online genießt das Privileg der Exklusivität und dankt für dieses Vertrauen seitens Norev. Unser 230 E ist einer der beiden, die an Daimler geliefert werden und dort über die Accessoireschiene verkauft werden. Die Farbe heißt Rosenholz Metallic 485 (auf der Mercedes-Palette 1992 bis 1995). Eine sehr überhöhende Bezeichnung für einen nicht außergewöhnlichen Mittelbraunmetallic-Ton, etwas bieder, eher von älteren Käufern bevorzugt. Doch selbst das wortgewaltige „Rosenholz Metallic“ kann niemals die Farbbezeichnung „Luci di Bosco“, also „Waldesleuchten“, des Alfa Romeo Sei toppen, den wir gleichzeitig auf dem schwarzen Schreibtisch stehen haben. Das ist der Gipfel der Poesie in Sachen Autofarbbezeichnung! Die Kontrastfarbe beim Mercedes (Schürzen und Flankenverkleidung) lautet Karminbraun. Die zweite Farbe für Daimler wird Beryll Metallic sein, ein helles Türkis, ebenso elegant wie ungewöhnlich.

Einen Heckschriftzug trägt der 230 E nicht, lässt also den Betrachter im Unklaren über seine Potenz. Typisch schwäbisches Understatement (sofern es sich nicht um einen 200er handelt, der durch die Schriftzuglosigkeit dem Nachbarn suggerieren soll, er sein ein 300 E). Der 230 E war der meist verkaufte W124 mit Benzinmotor. Es gab drei Bauserien des Mercedes W124, das Ursprungsmodell von Herbst 1984 bis Herbst 1989, die erste Modellpflege mit den glatten Seitenverkleidungen bis Herbst 1993 (von Norev wiedergegeben), zuletzt die Version mit dem Plakettengrill, die nun als „E-Klasse“ vermarktet wurde und bis Mai 1995 lief. Ihr folgte der deutlich größere Mercedes W210, der erste mit Vieraugengesicht. Norev macht lediglich die Mopf-1-Version, keinen Ur-W124 und keine Plakettengrill-E-Klasse. Das erste Fachhandelsmodell wird Perlgrau Metallic 348 sein, der Fachhandelspreis liegt mit 99,95 Euro etwas niedriger als jener, den Daimler verlangt (110 Euro). Zunächst ausschließlich für Daimler wird auch eine Polizeivariante kommen. Insgesamt entwickelte Norev drei Felgentypen. Unser Erstling in Rosenholz Metallic trägt die Kanaldeckel-Alus.

Es bleibt nicht bei der 230 E Limousine. Norev wird auch ein T-Modell bringen, dieses dann als 300 TD, also mit einem anderen Motor (3-Liter-Sechszylinder-Diesel mit 113 PS). Auch hiervon werden spezielle Farben für Daimler produziert, und das erste Taxi auf Basis des T-Modells wird ebenfalls via dessen Accessoireshop erhältlich sein (mit Taxameter, Zusatzaschenbecher hinten und Doppel-Rückspiegel). Sodann erscheint als dritte Variante der 500 E, im Original bei Porsche gebaut. Er benötigt eine komplett andere Karosserie, entsprechendes Räderwerk, den 5-Liter-V8 unter der Haube – doch die Anbauteile sind identisch zur 230 E Limousine. Der erste 500 E wird via Daimler verkauft und trägt die Farbe Almadinrot Metallic. Caramini-online wird die unterschiedlichen Varianten vorstellen, sobald sie uns vorliegen.

Zunächst genießen wir Opas Benz in Mittelbraunmetallic, innen ebenfalls braun. Es gibt nichts Negatives, nur Lob, aber auch nichts Herausragendes, weil wir einwandfreie Benze von Norev erwarten und gewohnt sind. Formal und konstruktiv prima, die Verarbeitung tadellos, die Details auf dem Stand der Technik, der Stern auf dem Kühler als Fotoätzteil und auf dem Kofferraumdeckel als Chromprägung, die Flankenlackierung mit dem richtigen Glanzgrad, die Felgen hingegen nicht. Sie glänzen nicht, sollten es aber tun (das weiß der Autor, denn er hat vergangenen Herbst die Gullideckelfelgen seines alten Benz aufpoliert: das Silber hat einen Klarlacküberzug und glänzt wie Karosserielack). Bemerkenswert sind Kleinigkeiten, die Norev vorbildlich mehrteilig ausführt oder mehrfarbig dekoriert. Das sind die Sahnehäubchen, auf die aus Kostengründen verzichtet werden könnte und niemand würde es vermissen. Aber wenn es da ist, so fällt es positiv auf (beispielsweise Antennensockel, Türgriffe) Der Wagen steht auch genau so auf den Rädern, wie es ein 230 E soll, hat also, neudeutsch ausgedrückt, den richtigen „Stance“. Der Innenraum ist auf demselben Qualitätslevel und brilliert mit vielen schönen Kleinigkeiten, so zum Beispiel dem grünen Kreuz auf der Hutablage, das symbolisiert, dass hier unter einer Klappe der Verbandskasten untergebracht ist. Ansonsten gilt für Innen das gleiche wie für Außen: Gut gemachter Job seitens des Konstrukteurs, den schwäbischen Standard der Gemütlichkeit gut eingefangen, Holz mit feiner Maserung, die Umsetzung auf üblichem Norev-Niveau.

Seine Fans nennen den W124 den „letzten echten Benz“ (wobei das die W123-Enthusiasten bei ihrem Objekt der Begierde ebenfalls machen). Sie schätzen an ihm, dass bei der Konstruktion die Ingenieure noch mehr zu sagen hatten als die Controler. Der W124, vor allem als Limousine, ist heute noch allgegenwärtiger Bestandteil des Straßenbildes – als verhätscheltes Rentnerfahrzeug, als aufgemotzte Streetracer-Schüssel oder als gepflegter Jung-Oldtimer mit gehörigen Alltagsqualitäten. Sofern er keinen 4-Matic-Allradantrieb oder den 300-24V-Motor unter der Haube hat, ist er unkaputtbar und funktioniert unauffällig und unaufhörlich. Der W124 schafft es, durch seine schlichte Art zu faszinieren, was eigentlich ein Anachronismus ist. Aber es ist halt so… Und dann sind da wieder die anderen, die ihn nicht mögen. Sie behaupten: „Der W124 wird total verklärt, ist uncool und bieder.“ Aber wenn es so weiter geht mit der W124-Beliebtheit, wird er irgendwann den VW Käfer als Germany’s best loved Oldtimer ablösen. afs

Steckbrief:

Norev B6 604 0697 (Mercedes-Bestellnummer) Mercedes 230 E W124 1989 Rosenholz Metallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP im Mercedes-Accessoire-Shop 110 Euro. afs