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News 1:18 Norev Renault 30 TX 1979

Ein Großer im Kleinen-Layout

Renault adaptierte das Golf-Prinzip auf die obere Mittelklasse und scheiterte damit. Der zeitgenössisch verkannte R30 hat mit zunehmendem Alter die Sympathien der (französischen) Klassiker-Szene gewonnen. Norev lässt ihn in der Topversion R30 TX aufleben.

Antrieb vorne, schräges Heck, große Klappe, umlegbare Rücksitzbank: klingt nach Golf, klingt nach Golf-Klasse, ist auch üblich in der Golf-Klasse ab Mitte der 70er. Aber in Verbindung mit 2,7 Litern Hubraum, mit einer 4,52 m langen Karosserie, mit einem Fahrzeug, das der oberen Mittelklasse zugehören will? Das war gewagt im Jahre 1975. Wer wagt, kann gewinnen. Wer wagt, kann auch verlieren. Renault wagte, das Golf-Prinzip auf sein Spitzenmodell anzupassen. Und Renault verlor auf der ganzen Linie!

Renault war damals ein Staatsbetrieb, die politische Grundrichtung war sozialistisch. Deshalb fuhren Sozialisten bevorzugt Renault. Zur sozialistischen Pragmatik der Gleichmachung gehört auch, dass etwas Elitäres – sofern man es überhaupt macht – keinen zu großen Unterschied zum für alle erreichbaren Durchschnitt haben dürfe. Bis zum R30 war der R16 der größte Renault, und sowohl stilistisch als auch technisch gab es keinen gravierenden Unterschied zwischen R16 und R30, weshalb die französische Presse bei der Präsentation des R30 auch vom „Super-R16“ oder vom „Über-R16“ sprach (der Designer beider war auch derselbe, Gaston Juchet). Dass der R30 aussah, wie er aussah, war politisch gewollt, war ein politisches Statement und wurde in Frankreich genau so aufgefasst. Für die Sozialisten mit Geld war der R30 genau das Richtige, sie fuhren ihn. Selbst der sozialistische Staatspräsident François Mitterrand fuhr ihn. Aber das waren wenige. Zu wenige, als dass sich das Ganze rechnete. Und als Renault darauf reagierte und den R30 mit 2-Liter-Motor zum R20 degradierte, war es ganz aus. Der R30 selbst war entwertet, der R20 wurde als Auto für Emporkömmlinge diskreditiert. In dieser Klasse fuhr der Franzose Peugeot oder Citroën. Und im Ausland, beispielsweise in Deutschland? Hier erlebten R30 und R20 dieselbe diskrete Karriere wie überall in Europa: In dieser Klasse kaufte man keinen Renault und in dieser Klasse fuhr man kein Schrägheck. Es sei denn, man liebte Individualistenmarken wie Citroën oder Rover. Aber ein Renault ist weder ein Citroën noch ein Rover, sondern eben „nur“ ein Renault. Der R20 war die Schockreaktion nach unten, in Richtung breite Masse. Die Topversion des R30, der R30 TX ab 1979, zielte in die andere Richtung, wollte eine kleine Luxuslimousine sein. Aber das waren alles Verzweiflungstaten ohne das gewünschte ökonomische Ergebnis.

Man vermisst, was man nicht mehr sieht

Den großen Renault hat Norev schön länger im Programm, als R20 TS, als R30 TS sowie als R30 TX. Der TX kommt nun neu in der diskretesten Farbkombination der frühen 80er, Silbermetallic mit blauem Interieur. Der R30 wurde auf dem Genfer Salon im März 1975 präsentiert, kam aber erst acht Monate später zur Serie. Auf dem Pariser Salon 1978 wurde der R30 TX als Spitzenmodell vorgestellt, optisch nur durch seine spezifischen Alus erkennbar. Unterm Blech tat sich mehr: Einspritzung statt Vergaser (142 statt 128 PS), Fünf- statt Vierganggetriebe. Ein weiterer Marketingfehler war, dass der schwächste R30, nämlich der Turbodiesel mit 2,1-Liter-Vierzylindermotor ab 1981, serienmäßig ausgerechnet jene Alus trug, die ursprünglich dem stärksten, dem R30 TX, vorbehalten war. Kurz und gut (oder: nicht gut): Der R30 war ein Flop, gebaut zwischen Oktober 1975 und Oktober 1983, ein Achtungserfolg allenfalls auf dem Heimatmarkt, vom Topmodell R30 TX gab es gerade mal 40.401 Exemplare innerhalb von fünf Jahren.

Umso seltener ist ein R30 oder R20, nunmehr auch in Frankreich, aber in Erinnerung ist er geblieben. Was man nicht mehr hat oder sieht, woran man sich aber noch gut erinnern kann, das vermisst man. So geht es den französischen Auto-Afficionados, sie vermissen den einst ungeliebten R30 und freuen sich über jeden gut erhaltenen Klassiker, den sie sehen. Und über einen Norev R30 TX, den sie im Fachhandel bekommen.

Felgen im Pfadfinder-Design

Der R30 TX übertraf den R30 TS in Sachen Ausstattung – aber bis auf die Alus ist das nichts, was im Modell umgesetzt werden kann. Norev bildet die Art der Sitzpolster korrekt nach, aber man kann nicht sehen, ob das nun Stoffpolster aus dem R30 TS oder Velourspolster aus dem R30 TX sind, und gerade die elektronische und elektrische Mehrausstattung bleibt unsichtbar. Sichtbar sind die TX-Felgen, klasse gemacht mit Renault-Rhombus auf der Nabe, das Design erinnert ein wenig an den geflochtenen Lederring der Pfadfinder, um das Halstuch zusammenzubinden. Aber diese Assoziation hatten die Renault-Designer sicherlich nicht. Das Modell, keine Formneuheit, sondern eher eine Altheit, stammt noch aus jener Zeit, als Norev bei einem all-open-Modell die hinteren Türen geschlossen ließ, das Modell lenkt mit minimalem Einschlag, es ist en gros und en détail prima getroffen, sogar separate Auspuffanlage, die Hutablage ist beweglich, der Motor hübsch und (für einen Norev-Motor!) ziemlich dreidimensional gestaltet. Gut gemacht ist das Armaturenbrett, dem wir jegliches Design absprechen (eben ein Brett mit Aussparung für vier Instrumente) und das typische Renault-Lenkrad. Erstaunlich ist, dass ein so luxuriös ausgestatteter und hoch positionierter Wagen zu Beginn der 80er Jahre keinen serienmäßigen rechten Außenspiegel hatte. Aber das stimmt so, ein Blick in die vorliegende Renault-30-Preisliste von 1981 bestätigt es.

afs

Steckbrief:

Norev 185272 Renault 30 TX 1979 silber. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 69,90 Euro.