Faszination Modellautos

1/18

News 1:18 Solido RWB-Porsche

Generisch statt spezifisch

Jeder Rauh-Welt-Porsche ist anders. Individueller als ein Rauh-Welt-Porsche geht eigentlich gar nicht. Dennoch ist Solido nun schon der dritte Hersteller, der einen generischen Rauh-Welt-Porsche macht, nunmehr in 1:18, nach Ixo in 1:43 und Micro City in 1:87. Das Rezept geht wohl auf: Viele Varianten sind möglich, aber wirklich korrekt ist keiner.

RWB steht für „Rauh-Welt-Begriff“, und dieses sinnlose Wortkonstrukt hält ein Japaner, der kein Deutsch kann, für typisch deutsch. Deshalb gab Akira Nakai seinem Optik-Tuning-Betrieb diesen Namen. Und deshalb steht auf seinen Porsche auch solcher Unsinn wie „Zweite Entwicklung“ (seien wir froh, dass Nakai-san nicht auf die Wörter „Sauerkraut“ oder „Kuckucksuhr“ gestoßen ist und diese für typisch deutsch hält). Diese Porsche polarisieren, in 1:1 ebenso wie in 1:x, es ist Japan-Tuning in Reinkultur, es ist nicht seriös. Aber faszinierend, immer faszinierender, und deshalb liegen Solido, Ixo und Micro City richtig mit ihrer Entscheidung. Es geht ja nur um Optik, um Dekoration, um fette Schlappen, um Imagination, um Phantasie, um Träume. Einen RWB-Porsche kaufen ernsthafte Sammler, klar, aber auch Freaks und Menschen, die sonst nie ein Modellauto kaufen würden. Einen Solido-RWB-Porsche nimmt im französischen Carrefour-Hypermarché mit, wer eigentlich einen Cidre, einTarte au Citron und ein Paket Toilettenpapier kaufen wollte. Daneben stehen, im Supermarkt, Berge an Solido-Achtzehnern, mit rund 50 Euro nichts als Mitnahmeartikel. Und wenn aus einem solchen Mitnahmeartikel der Grundstock für eine Modellautosammlung werden sollte, umso besser! Im Carrefour ist schon so mancher auf den Geschmack gekommen!

Solido entschied sich für den populärsten und am meisten generischen RWB-Porsche, einen, der Star in Mangas ist, Titelheld in Tuning-Magazinen, Weltruhm eben, kompromisslos, cool, extrem, kreativ und individuell. Und den Porsche-Puristen kräuselt sich mehr als nur der Zehennagel. Und doch: Der Mensch ist nicht nur vom Schönen, Ästhetischen fasziniert, sondern auch von seinem Gegenteil, der puren Hässlichkeit, die er kaum fassen kann.

Die kleinen Poser sind im Supermarkt unterwegs

Bei Solido sind nun also die Poser unterwegs, sie geben an, sie schneiden auf, sie drehen auf, ja sie sind überdreht, rücken sich ins rechte Licht und wollen sich gegenseitig übertönen – diese Kakophonie startet Solido mit zwei RWB-Porsche. Die Grundform des 911 Typ 964 hat Solido recht gut getroffen wobei sich das Wort „Grundform“ nahezu ausschließlich auf das Dach und die Türen bezieht, alles andere ist am RWB-Porsche verändert. Solido hat zwei Felgentypen, um zu variieren. Immerhin das! Der Porsche ist höchst beflügelt und voll verspoilert, die Kotflügelverbreiterungen sind angenietet und Solido bildet die Nieten nach, Flips und Flaps allüberall, die Felgen haben den Tiefgang einer Waschmaschinentrommel und sind mal verchromt, mal gesilbert.

Die Erstlinge: Der Eine sieht aus wie ein Carrera RSR 2.8 aus den frühen 70ern im Porsche-Werkslivrée des Hauptsponsors Martini, also ein typisches Beispiel für „Backdate“, zurück datiert. Dieser „Martini“ heißt Ichiban Boshi („Der höchste Stern“, ein Name, den ihm Akira Nakai gab). Er wurde in der RWB-Filiale in Nashville/Tennessee konvertiert, und sein Vorbild ist der 911 RSR 2.8 alias „R6“, der 1973 als Werkswagen in fast genau demselben Livrée die Targa Florio gewann. Der Zweite in gleißendem Türkis heißt Shingen (auch von Nakai-san getauft, er benamt all seine Kreationen) und wurde 2018 umgebaut, der 69ste in den USA entstandene RWB-Porsche. Takeda Shingen ist ein japanischer Regionalfürst und Warlord, der im 16. Jahrhundert zwei japanische Provinzen regierte. Hier basiert das Vorbild auf einem Elfer Typ 993, die Dekoration ist für RWB-Begriffe eher diskret mit japanischen Schriftzeichen auf Türen und Vorderhaube sowie dem Wort „Shingen“ auf dem Schweller, zwar in lateinischen Lettern verfasst, aber optisch „japanisiert“; man nennt die Schriftart „Samurai Style“ oder „Samurai Text Effect“ – und das ist im Kleinen genau das, was ein RWB-Porsche im Großen ist: Nichts als gehypter Fake, Talmiglanz, der zum Lebensstil empor gehievt wird, gepaart mit Narrativen eines Autotuners, der sich wie ein Popstar oder Guru verhält und nicht wenige Menschen in seinen Bann zieht. Ein Phänomen, beispielhaft für die übersteigerte Egosucht des beginnenden 21sten Jahrhunderts, spätrömische Dekadenz…

Zur Solido-Neuheitenauslieferung gehört noch ein dritter Porsche, diesmal weit seriöser: Ein 911 Turbo 3.6 der Generation 964 in hellem Blaumetallic, mittlerweile die achte Farbvariante dieses Modells, steht ihm gut und harmoniert mit dem hellgrauen Interieur und den silbernen Felgen mit verchromtem Außenrand.

afs

Porsche in japanischer RWB-Verkleidung. Keiner kam so zur Welt, wie er heute ist. Die meisten wurden als 964er geboren und wirken älter und somit klassischer, als sie wirklich sind. Backdate eben, zurück datiert. Das ist so, als ob man einem Mexiko-Käfer ein Brezelfenster implantiert und die Kotflügel verbreitert. Original ist nichts, aber alles ist originell. Man muss das mögen, um sich darauf einzulassen. Oder man lehnt es ab. Dann ignoriert man dieses Phänomen ganz einfach.
Modellfotos: bat
Der Solido RWB-Porsche ist nicht typspezifisch, sondern generisch, also abstrakt. Solido nimmt sich somit die Möglichkeit heraus, nahezu alle bekannten RWB-Kreationen auf Porsche 964 und 993 mit diesem einen Formwerkzeug abzudecken.
Neue Farbe für den Solido Porsche 964 Turbo: Horizontblau Metallic 37X.

Steckbrief:

Solido S1808501 Porsche 911 (Typ 993) RWB 2018 Shingen und S1808502 dito Martini 2020, S1803408 Porsche 911 Turbo 3.6 Coupé (Typ 964) 1993 hellblaumetallic. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 54,95 Euro (RWB) bzw. 44,96 (911 Turbo 964).