Vom Hype zur tiefen Verbundenheit
Whitebox, die Eigenmarke von Model Car World im Maßstab 1:24, blickt mal wieder über die Mauer, nach Osten zu Zeiten, als es selbige noch gab. Neu sind ein Trabant 601 und ein Wartburg 312. Der Maßstab ist zwar quer, aber die Miniaturen sind es nicht. Die sind richtig gut.

Einerseits war es lustig. Andererseits könnte man es als verächtlich und respektlos einordnen (vor allem im Nachhinein). Aber Hippster denken oftmals nicht sonderlich nach über das, was sie tun, um hip zu sein. Sie tun es einfach. Das arrivierte Szenefahrzeug in den späten 80er Jahren war der Mercedes W108, die S-Klasse zwischen 1965 und 1972. Das fuhr „man“ auf der Düsseldorfer Kö, der Münchner Leopoldstraße und all den anderen Szene-Boulevards in westdeutschen Großstädten. Dann kam der 9. November 1989, die Grenzöffnung. Plötzlich war der Mercedes out und die Hippster fuhren Trabant. Es war einfach zu unglaublich, dass die DDR-Bürger mit ihren Trabanten über die nunmehr offene Grenze kamen und das Auto im Westen für 50 D-Mark verkauften. Ein Taschengeld, selbst für Studenten, billiger als ein ausgeflippter Partyabend in der angesagten Bar. Reihenweise fuhren sie „Trabbis“.
Was den DDR-Bürgern lieb und teuer gewesen war, worauf sie Jahre lang gewartet hatten und worauf sie stolz gewesen waren, ja, was sie richtig lieb gehabt hatten – das war nun nichts mehr wert. In der ex-DDR wurden die Trabanten achtlos liegengelassen, aufgegeben, weggeworfen. Für die westdeutschen Mainstreamer war es kein Problem, vom schwäbischen Kulturgut auf den Sachsenhobel umzusteigen. Die vorherrschende, allgemeine Meinung befahl es, und um dazuzugehören, nimmt man schon so einiges in Kauf. Kurioserweise galt das nur für den Trabant. Am Wartburg hatten die Adepten des Zeitgeistes keinerlei Interesse. Heute sind die 50-Mark-Zeiten längst vorbei, sie galten ohnehin nur ein paar Wochen, vielleicht Monate. Heute werden Trabanten restauriert und wieder so richtig geliebt. Und, ja, sie haben es verdient!
Modellautoreaktionen auf die Wende
Die Modellautobranche reagierte auf die Wende, und am schnellsten diejenigen Hersteller, die nicht aus Deutschland kamen. Den richtigen Riecher hatte Bernard Peres schon immer. Er war der erste, der unter seiner Marke Vitesse einen Trabant 601 in 1:43 brachte: Bereits im Mai 1990 standen sie in vielen Farben in den Modellautofachgeschäften, damals für 20 D-Mark. Von der schnellen Truppe war auch Sseca Toys mit einem in riesiger Auflage gefertigten Trabant 601 in 1:32 mit Rückzugmotor. Den fand man nicht im Fachhandel, dafür auf der Kirmes, im Souvenirladen oder im Spielzeuggeschäft. Sseca Toys war damals ein neuer Name und geht auf die Marke King Star der Myeongsung-Gruppe aus Busang/Südkorea zurück, in den 70er Jahren gegründet und bis Anfang der 2000er aktiv. Auch Herpa war sehr, sehr schnell (aber nicht so schnell wie Vitesse), schon im Spätsommer 1990 war deren Trabant 601 am Markt (damals für sympathische 5,85 D-Mark). Und Wiking hatte den „DDR-Boom“ regelrecht verschlafen, im Februar 1991 einen allenfalls halbschönen Trabant gebracht und danach das Geschäft mit DDR-Mobilen kampflos Herpa überlassen. Selber schuld! Recht flink war auch Revell und lancierte 1992 einen Trabant 601 als 1:25-Plastikbausatz, recht hübsch gemacht, von allen gebaut – auch von jenen, die eigentlich keine Plastikkits zusammenkleistern (so auch der Verfasser dieser Zeilen). Lange Zeit war er in diesem Zwischenmaßstab „the one and only“ und, rein dimensional, der größte nach der Wende erschienene Trabant – bis Sun Star den ersten Achtzehner brachte. Jetzt, neben dem Whitebox-Modell, von Ixo/Sonic im Auftrag von Model Car World gefertigt, merkt man erst, welche formalen Schwächen der Revell-Trabant hat, vor allem im Bereich des viel zu eckigen Kühlergrills. Die beiden nebeneinander – man sieht sofort, welcher der Bessere ist!
Gute Gründe für gute Modelle
Das Whitbox-Modell ist ein rundum hübscher Trabant, ein frühes Modell in Pastellgrün mit weiß abgesetztem Dach, also die Ausstattungsvariante „Sonderwunsch“ ab 1966, und er trägt Entlüftungsschlitze an der C-Säule (ab 1969), also ein Trabant der 70er Jahre, noch ohne die eckigen Stoßstangen und mit Radkappen auf den Felgen. Formal ist er prima getroffen, mehrteiliges Interieur in Rehbraun mit schwarzem Armaturenbrett. Verchromt sind der Grill, die Scheibenwischer, der Außenspiegel und die Radkappen, die Stoßstangen in Karosseriefarbe.
Parallel dazu erscheint von Whitebox auch ein Wartburg 312 Deluxe als Viertürer-Limousine, Babyblau mit Dach und unteren Flankenpartien in Weiß. Das ist der Zwischentyp, der die Technik, vor allem das Fahrwerk, des künftigen Wartburg 353 in der Karosserieform des seitherigen Typs 311/1000 vorwegnahm. Als Limousine wurde er nur 1965/66 gebaut, Kombi und Camping-Limousine blieben ein Jahr länger im Programm. Optisch ist ein Wartburg 312 vom Vorgänger (für den Laien) an den kleineren Rädern zu erkennen, 13- statt 15-Zöller, deswegen auch neue Radkappen und -zierringe (die gleichen wie beim späteren Typ 353). Das hat Ixo für Whitebox genau richtig gemacht, und tatsächlich wirken die Räder ungewohnt klein, aber sie stimmen. Stimmen tut auch der Rest, der Wartburg ist eine ebenso gute Miniatur wie der Trabant. Mit beiden wird der Ostalgiker für einen überschaubaren Betrag glücklich. Beim Wartburg gibt es für das gleiche Geld viel mehr Chromteile, nämlich auch die Stoßstangen, Felgenzier und Lampengrundplatten. Er trägt hinten sogar zwei zusätzliche Nebelschlussleuchten.
Wer sich mit 1:24 anfreundet, erwirbt mit den Whitebox-Miniaturen schöne Modellautos für kleines Geld. Nur ist es eben schwierig, sich mit 1:24 anzufreunden. Größer als 1:43, kleiner als 1:18. Eine Zwischengröße eben, und die meisten Sammler, die ent oder weder sammeln, auch diejenigen, die sowohl als auch sammeln, fragen sich, ob und warum sie sich auf den dritten Maßstab einlassen sollen. Dabei gibt es dafür manchmal gute Gründe. Zwei davon heißen Trabant 601 und Wartburg 312.
afs


Modellfotos: bat




Steckbrief:
Whitebox 124241 Trabant 601 Sonderwunsch 1969 und 124242 Wartburg 312 Deluxe 1965. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:24. UVP je 27,95 Euro.