Die Schlange ist zurück
Die Schlange ist zurück und beißt begierig zu: Kyosho legte seine Cobra 427 S und 427 S/C erneut auf. Obgleich die Formwerkzeuge etliche Jahre auf dem Buckel haben, begeistern die Modelle noch heute. Oder gerade deswegen. Denn früher wurden Modellautos mit Enthusiasmus und nicht mit dem Rotstift konstruiert.
Kyosho macht Shelby Cobras in 1:18 und in 1:12. Aber auch in 1:43. Die schauen wir uns nun an, denn das 1:43-Modell ist über den Kyosho-Importeur Minichamps erhältlich. Kyosho stieg in den Maßstab 1:43 im Jahre 1997 ein, die „Museum Collection“. Zu den sieben Premierenmodellen gehörte die Shelby Cobra 427 S in Dunkelblaumetallic mit breitem, weißem Doppelstreifen über Motorhaube und Heckbereich. Im Laufe der Zeit wurden wechselseitig die 427 S und das Rennsportmodell 427 S/C (= Semi Competition) wieder aufgelegt, in unterschiedlichen Farben. So gab es beispielsweise Rot im Oktober 2007, Hellblaumetallic im Mai 2012 und nun liefert Kyosho das Modell in der Ursprungs- und einzig wahren Cobra-Farbe erneut, Dunkelblaumetallic und weiß bestreift, in zwei Versionen: Das normale Modell 427 S (sofern man bei einer Cobra überhaupt von „normal“ sprechen kann) mit großer Windschutzscheibe und das Rennsportmodell 427 S/C mit der kleinen Rennsportscheibe, die, als rudimentäres Halboval, lediglich den Fahrer vor zu vielen Mücken und sonstigem Fluggetier bei hohem Tempo schützt. Und auch bei ihm nur die zwei unteren Drittel des Kopfes, denn im oberen Drittel übernimmt dies der Helm.
Vom Konstrukteur bestimmt, nicht vom Controller
Die Kyosho-Cobra in 1:43 ist also ein altes Modell, Werkzeugbau aus dem vorigen Jahrtausend (der Achtzehner ist noch älter, erschien erstmals 1992). Aber das ist kein Kriterium für mangelnde Güte. Im Gegenteil! Und ein großer Teil der heute neu lancierten Maxichamps-Modelle ist genauso alt und erschien unter dem Label Minichamps erstmals in den 1990er Jahren. Das Kyosho-Modell ist hoch detailliert und gibt das Vorbild ausgezeichnet wieder. Die Unterschiede beider Versionen beschränkt sich nicht auf die Größe und Form der Windschutzscheibe und die Verstärkung des Überrollbügels hinter dem Fahrer durch ein Zusatzrohr, das im Beifahrerfußraum mündet. Die Straßenversion verfügt über mehr Chromteile, die beim Renner schwarz sind (Stoßstangenhörner, Überrollbügel), der 427 S erfreut sich eines Lenkrads mit Holzkranz, beim 427 S/C sind die Fußräume silbern, also nicht verkleidet. Und weil es beim Renner keinen Außen- und Innenrückspiegel am Scheibenrahmen geben kann, weil selbiger nicht vorhanden ist, platziert Kyosho zwei aerodynamisch geformte Rückspiegel links auf dem Kotflügel und ungefähr in der Mitte im Blickfeld des Fahrers. Sie Sidepipes sind beim Straßenmodell silbern und bei der Rennversion weiß lackiert. Identisch sind die Felgen. Gleich ist auch die feine Machart und Lackierung, lauter separat eingesetzte Kleinteile, vor allem im Innenraum, Sicherheitsgurte, Embleme als Fotoätzteile – ein schlichtweg schönes Modellauto, dem man das Alter seines Formenbaus (nunmehr 27 Jahre) nicht ansieht – oder, anders ausgedrückt, das vom Alter seines Formenbaus profitiert, weil damals der Konstrukteur und nicht der Controller das Sagen hatte.
Plastikbomber beherrschen die Szene
Über die Cobra braucht man nicht viel zu erzählen. Jeder kennt sie. Und dennoch haben etliche Menschen, die sich gerne in der Klassikerszene bewegen, noch nie eine echte Cobra live gesehen. Aber hunderte an Repliken (oft mit Jaguar-Achsen und Ford-Vierzylinder-Motoren). Kaum ein Auto wurde häufiger nachgebaut, und die meisten Spätgeborenen tragen eine Kunststoffkarosserie. Außerdem wurde die originale Cobra nach dem offiziellen Produktionsstopp 1968 von Brian Angliss, Gründer und Inhaber von AC Autokraft in Brooklands, als AC Mk IV weitergebaut. Die Cobra 427 ist die stärkste ihrer Art, befeuert von einem Ford-V8 mit 7 Litern Hubraum (427 Kubikzoll, daher die Bezeichnung Cobra 427) und rund 360 PS. Die Cobra zählt zu den „sexiest cars alive“, eine typische, britische 50er-Jahre-Roadster-Karosserie, extrem verbreitert, extrem berädert, extrem stark und obendrein konstruktiv seinen Anforderungen gewachsen. Denn Carroll Shelby implantierte nicht nur einen V8 und fette Schlappen, sondern konstruierte den britischen AC Ace (Debüt 1953) nahezu komplett um.
Interessanterweise gab es nie eine zeitgenössische Cobra in 1:43. Alle Cobras stammen aus der Modellautozeit ab den 90er Jahren, älter sind allenfalls ein paar Weißmetall-Handarbeitsmodelle in Kleinserie aus England (Auto Replicas), Japan (Rubicon) und den USA (Nostalgic Miniatures), aber die entsprechen wahrlich nicht mehr heutigen Sammleranforderungen. Etliche Modelle seit den 90er Jahren waren kompromissbehaftet, weil sie preiswert sein sollten (Solido, Bang), wenige gute Cobras sind heute nicht mehr lieferbar oder gar Raritäten (Norev, auch der hervorragende 1:43-Plastikbausatz von Monogram aus den Spät-80ern). Das Kyosho-Modell hat mehr als nur eine Daseinsberechtigung. Es ist momentan, um die ehemalige Kanzlerin zu zitieren, „alternativlos“.
afs
Steckbrief:
Kyosho KS03019MBL AC/Shelby Cobra 427 S 1965 with racing screen und KS03018MBL dito with normal screen. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:43. UVP des Importeurs Minichamps je 66,50 Euro.