100 % elektrisch, 100 % verspielt
Man nehme einen Klassiker, möglichst sympathisch und populär, entreiße ihm sein natürliches Herz und implantiere ihm einen künstlichen Batterieantrieb. Man präsentiere dies Elaborat wortgewandt und publikumswirksam und versuche dadurch, dem Batterieantrieb Billigung zu verschaffen und mit alten Sympathien für eine neue Technologie zu werben, die Akzeptanzprobleme hat. Opel machte das mit dem Elektro-Manta A, Renault mit dem R5 Turbo E-Tech, andere machen es auch. Ist es ein kluger Marketingschachzug oder pure Verzweiflung? Einen Oberbegriff dafür gibt es auch: Man nennt dies „Resto-Mod“. Jedenfalls ist es Grundlage für Modellautos. Den Elektro-Manta macht Ottomobile in 1:18, den Elektro-R5 Turbo Norev in 1:43.
2022 feierte die Rallye-Ikone Renault 5 Turbo laut Renault ihren 40sten Geburtstag (laut Adam Riese bereits ihren 42sten, denn der Wagen kam 1980 zur Welt) und das nahm Renault zum Anlass für die Rest-Mod, also die modifizierte Restaurierung eines Klassikers. Ach, Resto-Mod… Von wegen! Er sieht aus wie ein Original, aber alles ist neu und nichts ist original, er ist ein Plagiat seiner selbst mit Carbon-Karosserie, insgesamt ist er 25 cm breiter als das zeitgenössische Vorbild, hat rosa-violett getönte Scheiben, Felgen, deren LEDs bei Drifts rot aufleuchten (so ein Schmarrn!) und ein leuchtendes Logo mitten auf dem Lenkrad. Kameras statt Außenspiegeln, die Scheinwerfer spielen bei Drifts eine von Glitch Art inspirierte Animation ab. Und dann noch ein knallgelber, aufrecht stehender Handbremshebel! Und der Heckflügel! Der Concept-R5 ist nicht nur 100 Prozent elektrisch, sondern auch 100 Prozent verspielt. Eine extreme Fantasie-Studie eben, präsentiert auf dem Pariser Salon im Oktober 2022, eine Mischung aus virtueller und realer Welt. Mit dem geplanten, serienmäßigen Elektro-R5 hat dieses Artefakt allenfalls die Speicherkapazität der Batterie gemein.
Renault ist stolz darauf. Logisch. Stolz genug, um den Kleinen bei Norev als Industriemodell in Auftrag gegeben zu haben. Und nun kommt er unverändert in den Fachhandel (was könnte man bei einem Einzelstück auch ändern?). Schöne Ergänzung für jene, die den R5 Turbo mögen (immerhin Sieg bei der Monte 1981 sowie der Tour de Corse 1982 und 1985), auch für jene, die Autos im ungewöhnlichen Camouflage-Look mögen. Die Karosseriedekoration hat Norev toll hinbekommen. Das Schwarz ist kein Hochglanzlack, sondern imitiert die Carbonstruktur der Karosserie, und die winzigen, weißen Graphiken (ebenfalls im Glitch-Art-Trend), die sich zum doppelten Renault-Rombus auf den Türen konzentrieren, sind großflächige Decals. Der Heckdiffusor ist so extrem gestaltet, dass er fast wie das Schutzschild für einen frei liegenden Heckmotor wirkt (Stichwort Baja Bug), und von vorne wirken die elektrischen Insignien, als sei das Concept Car ein billiges China-Spielzeugauto. Aber billig ist nichts, Norev leistete ganze Arbeit bei der Miniaturisierung eines Spielzeugautos in 1:1. Und weil es so umfänglich dekoriert ist, kostet es auch drei Euro mehr als bei Norev üblich.
afs
Steckbrief:
Norev 517964 Renault Concept R5 Turbo 3E E-Tech 2022. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:43. UVP 38 Euro.