Faszination Modellautos

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News 1:43 Premium Classixxs Ikarus 60 1952 und Ikarus 620 1958

Federgewichte

Das Material ist gleichgültig, wenn nur das Ergebnis stimmt. Premium Classixxs präsentiert zwei ungarische Ikarus-Omnibusse aus den 50er Jahren, komplett aus Kunststoff gefertigt. Sie sind ungemein leicht, aber sie sind und wirken hochwertig. Da spielt doch das Gewicht keine Rolle!

Man sagt immer, Federn seien so leicht. Stimmt gar nicht! Ein Kilo Federn wiegt genau so viel wie ein Kilo Kruppstahl. Wahrscheinlich konstatiert man der Feder nur deshalb die Leichtigkeit, weil Vögel befiedert sind und gut fliegen können. Dabei kann eine JU52 genau so gut fliegen wie ein Vogel, und die ist aus Aluminium. Das sind doch alles Hausfrauenweisheiten… Jedenfalls fühlen sich die Ikarus-Busse von Premium Classixxs ungemein leicht an. Kein Wunder, sind sie doch komplett aus Kunststoff und wiegen nur knapp 300 Gramm pro Stück. Und beim Ikarus sind wir schon wieder beim Fliegen. Denn der flog bekanntlich zu hoch und näherte sich bedenklich der Sonne. Aber jetzt ist gut mit Fliegen und Federn!

In der DDR waren Ikarus-Busse allgegenwärtig. Denn ab 1964 gab es keine einheimischen Busse mehr und die DDR versorgte sich gezwungenermaßen mit ungarischen Omnibussen. Sie gehorchte damit einem RGW-Beschluss. RGW bedeutet Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe und war der Ostblock-Wirtschaftsverband unter sowjetischer Führung, im Westen Comecon genannt. Danach sollten sich die Fahrzeugbauer im Ostblock spezialisieren. Ungarn wurde dazu auserkoren, sich auf die Omnibusproduktion zu konzentrieren und die Ostblockstaaten damit zu beliefern. Nicht alle Ostblockstaaten hielten sich daran, besonders die widerspenstigen Tschechen nicht. Aber die DDR war stets gehorsam, stellte ihre Busproduktion obrigkeitshörig ein und importierte den Ikarus. Deshalb war die Ikarus-Dichte in der DDR sehr hoch. Die beiden Premium-Classixxs-Modelle allerdings stammen vor dieser Zeit, waren aber dennoch verbreitet auf den Straßen in Deutschlands Osten. Was belegt, dass Ikarus-Busse nicht nur wegen der Doktrin, sondern auch wegen ihrer Qualität gebräuchlich waren.

Der Ikarus 620 in hellem Beige war für den Nahverkehr Dresden unterwegs, sein rot/weißes Pendant ist neutral lackiert, und der alte Ikarus 60 in dunklem Blau mit silbernem Dach absolvierte ein Heimspiel, in Diensten des BKV Budapest. Es gibt ihn noch in einer zweiten Version, ebenfalls ein DDR-Bus, rot mit beigefarbenem Dach aus Cottbus. Die Modelle stammen von Start Scale Models (SSM) aus Russland, Model Car World importiert sie unter der eigenen Marke Premium Classixxs, die Bodenplatte ist mit „Premium Classixxs“ bedruckt, die Boxen ebenfalls. Direkt von SSM in Russland gibt es weitere Farbvarianten (Ikarus 620 in hellem Türkis mit weißem Dach, als Eisenacher Stadtbus und als Budapester Stadtbus, Ikarus 60 in Blau mit weißem Dach), aber dort sind sie auch nicht billiger (mit Porto und Zoll sogar weit teurer) und manche Varianten sind ausverkauft.

Die Machart ist, wie von Start Scale Models respektive Premium Classixxs gewohnt, sehr gut. Hoch detaillierte Nutzfahrzeuge, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich und unterlich: Sehr schöne Innenräume, die separaten Busfahrgestelle vorbildlich gestaltet, die Ikarus 620 weisen sogar blaue Ölwannen auf, separate Auspuffanlagen. Die Lackierung und Bedruckung der Karosserien setzen das Niveau fort, trennscharfe Zweifarbigkeit, glänzende Oberfläche bei den jüngeren Ikarus 620, leichtes Seidenmatt beim älteren Ikarus 60, und die Außenrückspiegel fallen als ebenso filigrane wie stabile Formteile auf.

„Prinzip Lastwagen“: Konventioneller Omnibusbau aus Ungarn

Der wohl bekannteste und am meisten verbreitete, klassische Ikarus ist der Ikarus 60 („Zigarre“) als Stadt- und sein Bruder Ikarus 55 als Reisebus. Der erschien Mitte der 50er Jahre und ist ein modern selbsttragend konstruiertes Fahrzeug mit Heckmotor. Dieses Prinzip setzte Ikarus beim gleichzeitig entwickelten, kleineren Ikarus 60 nicht um, er ruht auf einem separaten Stahlchassis mit aufgeschraubter Karosserie, Csepel-Motor vorne (also das „Prinzip Lastwagen“). Er war populär im Ostblock, auch in der DDR. Das dunkelblau/silberne Premium-Classixxs-Modell stellt einen von 507 Bussen aus Budapest dar. In Dresden liefen 26, in Cottbus fünf, in Rostock vier und etliche auch in Erfurt, manche davon mit LOWA-Anhängern. Mit dem Ikarus 60 macht Premium Classixxs also auch DDR-Nostalgikern eine Freude.

Mit seinem Nachfolger Ikarus 620 erst recht. Zusammen mit seiner modifizierten Version 630 wurde diese Baureihe von 1958 bis 1971 hergestellt und war bis in die 80er Jahre hinein straßenbildprägend. Es existiert die Zahl, dass beim Ende der DDR noch 170 Exemplare im Einsatz gewesen sein sollen. Die Varianten aus Dresden und Cottbus dürften nicht gerade zu Ladenhütern werden. Auch der Ikarus 620/630 war ein konventionell konstruierter Bus, Leiterrahmen, Frontmotor, aufgesetzte Karosserie. Mit seinem trapezförmig gestalteten Kühlergrill und den Doppelscheinwerfern hatte der Ikarus 620 einen hohen Wiedererkennungseffekt und schaute recht sympathisch in die Landschaft.

afs

Der ältere der beiden Ikarus Stadtbusse, der Typ 60 von 1952, profitiert noch nicht von einer Hochglanzlackierung. Das dürfte vorbildgerecht sein. Dunkelblau mit silbernem Oberteil waren die Hausfarben des BKV Budapest. Das Busdesign war in frühester Nachkriegszeit ziemlich generisch. Konventionell gestaltete Busse sahen eigentlich alle gleich aus, nur Einzelstücke stachen hervor.
Modellfotos: bat
Tag der offenen Tür im Trolleybus-Depot im ungarischen Kőbánya‎ im April 2023 mit beanhängertem Ikarus 60 als Nostalgiebus. Die letzten Exemplare wurden erst in den 70er Jahren ausgemustert. In den 60ern waren sie in Budapest auch mit Anhänger unterwegs.
Foto: Globetrotter19
Am 16. Juni 1960 stürzte dieser Ikarus 60 von der Überführung der Ferihegy-Schnellstraße in Budapest auf die Bahngleise. Aufnahme danach in der Werkstatt des Budapester Buswerks Sallai Imre.
Foto: Archiv Balázs Béres/Fortepan
Ende der 50er Jahre kehrte Individualität ein, auch bei Omnibussen. Sie waren nicht mehr rein zweckmäßig geformt, sondern sollten schick sein. Die prinzipielle Gestaltung ließ wenig Möglichkeiten an stilistischen Leuchttürmen zu, aber die Front und bis zu einem gewissen Grad auch das Heck ließen sich typspezifisch gestalten, sodass auch ein Omnibus einen Wiedererkennungseffekt hatte.
Aufnahme 1973 in der ungarischen Kleinstadt Vásárosnamény mit Ikarus 620 und, links ins Bild fahrend, einem russischen ZIL-130 Lastwagen.
Foto: Archiv Urbán Tamás/Fortepan

Steckbrief:

Premium Classixxs 47189 Ikarus 60 Stadtbus Budapest 1952 dunkelblau/silber, 47148 Ikarus 620 Stadtbus 1958 rot/weiß, 47149 dito Dresden beige. Fertigmodelle Kunststoff, UVP je 49,45 Euro.