Der letzte Rover
Als es noch Individualität im europäischen Automobilangebot gab: Vanguards erinnert an den Rover 75. 20 Jahre ist das her, also noch gar nicht so lange. Und dennoch fast vergessen. Dabei war er ein so schönes „Executive Car“! Wenigstens die Briten haben ihn wertgeschätzt.
Rover verbindet man, abgesehen von den Geländewagen, mit dem Rover P6, vielleicht auch seinem Nachfolger SD1. Sicher nicht mit dem, was danach kam, nämlich Honda-Fahrzeuge mit „Rover“-Emblem im Grill. Für die Enthusiasten war das der Anfang vom Ende, das für Rover als Personenwagenmarke im Jahre 2005 eintrat. Aber zuvor war da noch was, war noch der Rover Seventy-Five, und das war erstens kein umgebadgter Japaner und zweitens ein mit Retroanklängen gestylter, selbständig entwickelter Wagen der oberen Mittelklasse, der zwar heute nahezu völlig aus dem Straßenbild verschwunden ist, aber einen glanzvoller Abschluss der Markengeschichte darstellt.
Richard Woolley zeichnete einen bemerkenswerten Wagen zu einer Zeit, als es noch bemerkenswerte Wagen gab – beispielsweise den Lancia Thesis oder den Citroën C6, die letzte Generation individueller „Executive Cars“, bevor die deutschen Platzhirsche E-Klasse/A6/Fünfer den Markt komplett unter such aufteilten. Zu Zeiten, als Rover im Eigentum von BMW war, wurde der Rover 75 auf der Birmingham Auto Show 1998 präsentiert, ein chromblitzendes Statement, dass die englische Automobilindustrie noch in der Lage war, begehrenswerte Fahrzeuge zu bauen. Der Rover 75 war quasi ein kleiner Jaguar S-Type, ebenfalls leicht retro angehaucht, ebenfalls ein Hingucker. Woolley hatte gar nicht die Absicht, ein Retro-Design zu kreieren. Er arbeitete schlichtweg mit der Bewunderung für den legendären Rover-Chefdesigner David Bache im Kopf, der die Typen P5B („Elephant“), P6 und den SD1 geschaffen hatte. Ihm, Bache, wollte er, Woollley, Tribut zollen. Das gelang. Der Rover 75 bekam, nicht nur für seine Optik, sondern auch für seine Konstruktion und das Fahrerlebnis, beste Kritiken. Der Rover 75 schrieb die Rover-Geschichte fort, in einer sehr guten Art. 211.075 Exemplare wurden gebaut. Dass es Rover nicht half, zu überleben, ist allem möglichem, aber sicherlich nicht ihm anzulasten.
Ein Gentleman’s Club auf Rädern
Der Rover 75 war konservativ. Dieses Wort ist wertfrei und unpolitisch. Konservative liebten ihn, seinen Charme, sein Holz im Inneren, sein Design. Wer die deutschen Platzhirsche, stets auf der Höhe der Zeit und ihre eigene Sprache sprechend, mochte, sah im Rover 75 keine Alternative. Er war englisch. Nicht deutsch – so sehr BMW unter Bernd Pischetsrieder versuchte, seine Anschaffung MG Rover zu teutonisieren. Er scheiterte und er resignierte daran. Nach nur sechs Jahren verkaufte BMW die Rover Group an den Investor Phoenix, der Rover auch nur fünf Jahre halten konnte und dann nach China verschacherte, an SAIC.
BMW ließ damals (goldene Zeiten!) von jeder Neuerscheinung ein Industriemodell erschaffen, und Schuco gewann die Ausschreibung nicht nur für den letzten, klassischen Mini unter BMW-Ägide, sondern auch für den Rover 75, der gleichzeitig mit dem Original 1999 in 1:43 erschien. Die meisten davon dürften in Großbritannien verkauft worden sein. Die Facelift-Version kam im März 2005 von Vanguards, ein Jahr nach dem Original, kein Industrieauftrag, gleichsam eines der wenigen aktuellen Miniaturautos von Vanguards. Es dürfte kein großer Erfolg gewesen sein. Seither vergingen 19 Jahre, und in dieser Zeit gab es gerade mal fünf Neuauflagen. Wenn man bedenkt, dass Vanguards früher um die 2000er-Auflagen und heute rund 1000er-Auflagen produziert (den Rover 75 nur 900 Mal), ist das ein Beweis für diese These. Umso mutiger vom Hornby-Management, dem Rover 75 nochmals eine Chance zu geben. Er wird sie wahrscheinlich nutzen, aber fast ausschließlich auf der Insel.
Die Modellpflege war äußerlich, auch zusätzliche Motoren. Das Facelift-Modell lebte nicht lang, nur 16 Monate und starb verfrüht, weil die MG Rover Group im Mai 2005 zusammenbrach. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass so mancher Kontinentaleuropäer nie die Facelift-Version des Rover 75 zu Gesicht bekam – oder sich zumindest nicht mehr daran erinnert. Die Produktionsanlagen wurden nach China verschifft, der Rover 75 wurde dort zum Roewe 750. Aber den sah in Europa natürlich auch niemand live.
Im Modellpflege-Modelljahr 2004/05 gab es neue Ausstattungsvarianten, darunter den Rover 75 Contemporary SE, der auf dem deutschen Markt als Rover 75 Celeste S verkauft wurde (warum? Vielleicht, weil die Deutschen das Wort „Contemporary“ nicht unfallfrei aussprechen konnten? Dabei ist „Celeste“ auch nicht einfacher für die deutsche Zunge). Das war jedenfalls das am zweithöchsten positionierte Modell, darüber rangierte nur der 75 Vanden Plas. Den Contemporary SE macht Vanguards nun in Sky Blue, was ein helles, ziemlich schimmerndes Blaumetallic ist. Das Modell ist bestens gelungen, liegt recht schwer in der Hand, was der Zinkdruckguss-Bodenplatte geschuldet ist und wertig wirkt. Er erscheint dem Deutschen etwas ungewohnt, denn wenn ein Rover 75 in Erinnerung blieb, dann das Ur-Modell mit den Doppelrundscheinwerfern. Die Einjahres-Facelift-Version mit Scheinwerfern hinter einer Glasfront hat etwas Fremdartiges. Umso größer die Freude, ihn nun in die Vitrine stellen zu können. neben den Ur-75er von Schuco.
afs
Steckbrief:
Vanguards VA09206 Rover 75 Contemporary SE 2.5 V6 2005 hellblaumetallic. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:43. Auflage 900 Exemplare. UVP 34,95 Euro.