Wenigstens bei Arwico: Sieg für die Schweizer
Der Schweizer Modellbauhändler Arwico schickt im Rahmen seiner „Arwico Collectors Edition“ (ACE) jeweils drei neue Ausführungen des Saurer l4C Alpenwagen IIIa und des FBW C40U mit dem Spitznamen „Haifisch“ auf die Modellstraßen. Da einige der Fahrzeuge als Oldtimerbusse auch außerhalb der Schweizer Grenzen im Einsatz sind, dürfen sie in bundesdeutsche Vitrinen fahren. Natürlich befindet sich unter den beiden Trios je eine Version der Schweizer Post PTT in der klassischen gelben Lackierung mit weißem oder metallicgrauem Dach. Die anderen Modelle zeichnen Vorbildfahrzeuge von privaten Busunternehmen und des Militärs nach.

Modellfotos: kr
Die Saurer AG aus Arbon, mittlerweile unter chinesischer Führung, stellte ab 1853 Textilmaschinen und Fahrzeuggetriebe her. In den 20er Jahren kam die Produktion von Lastkraftwagen, Bussen und Militärfahrzeugen hinzu. Diese wurde im Jahr 1987 mit der Auslieferung des letzten Militärlastwagens endgültig aufgegeben. Der 1952 vom Ingenieur Josef Hausner konstruierte Alpenwagen IIIa ist sicher das bekannteste Busfahrzeug aus dem Hause Saurer. Ziel der Entwicklung war es, weg vom bisherigen Konzept des „Car Alpin“ mit Stoffschiebedach zu gelangen, denn dessen Systemnachteil war der unangenehme Durchzug bei geöffnetem Dach. Ebenso war dessen Unterhalt sehr aufwändig. Die Lösung bestand in der Ausführung des Dachs als Glasdach mit rauchtransparenten Plexiglasscheiben am Dachrand und am Heck, die einen freien Blick in die Schweizer Bergwelt ermöglichten. Über einen in Dachmitte angeordneten Kanal konnte Frischluft in den Innenraum gebracht werden. Verschiedene Karosseriebauer (Eggli, Frech-Horch, Gangloff, Hesse, Lauber, Ramseier & Jenzer sowie Saurer selbst) zeichneten für die Aufbauten der 41 zwischen 1953 und 1955 produzierten Alpenwagen IIIa verantwortlich. Einzelne Fahrzeuge standen bis zum Jahr 1976 im Einsatz.
Das Vorbild unseres Postautos war beim Busunternehmer Paul Nussbaumer aus Ganterschwil stationiert, der mit dem Fahrzeug im Auftrag der PTT die Linie Bütschwil–Libingen seit den 30er Jahren betrieb. Begonnen hatte das Unternehmen im Jahr 1906 mit einer einspännigen Postkutsche, 1924 folgte das erste Motorfahrzeug mit sechs Plätzen.

Die ehemalige Eisenbahngesellschaft „Bex-Villars-Bretaye“ (BVB) betrieb einzelne Linien mit Autobussen, natürlich auch mit Saurer L4C Alpenwagen, welche die klassische rote Farbgebung der Bahngesellschaft trugen. Darunter fiel vor allem die Linie von Aigle nach Villars, die heute noch existiert. Die Fahrtzeit beträgt 30 Minuten, verantwortlich für den Betrieb ist die Transports Publics du Chablais (TPC), in der die BVB aufging.
Der Busverkehr des Autoverkehr Thun-Goldiwil-Heiligenschwendi (ATGH) starte im Jahr 1918. Deren Saurer L4C Alpenwagen IIIa waren in Lindgrün mit weißem Dach lackiert. Beim ATGH bezeichnete man das Fahrzeug als „der Grüne mit der langen Schnauze“. Das Vorbild des ACE-Modells mit der Wagennummer 8 fuhr auf der Linie von Thun nach Heiligenschwendi über Goldiwil. Das Schwesterfahrzeug mit der Nummer 6 wurde als letztes seiner Art im Jahr 1988 außer Betrieb gesetzt.
Arwico hat alle drei Modelle des Saurer L4C Alpenwagen IIA mustergültig umgesetzt. Saubere Lackierungen, feine Bedruckungen der Details und lupenreine Beschriftungen, schöne Trilexfelgen, vorbildgetreue Nachbildung der Rauchglas-Partien – alles so, wie es sein muss.
Die Saurer-Schnauzenbusse des Autoverkehrs Thun-Goldiwil-Heiligenschwendi versahen ihren Dienst zum Teil bis 1988. Sehr markant zeigt sich der schokobraune Streifen zwischen Ober- und Unterteil des Aufbaus, der auf der ebenso lackierten Motorhaube endet.


Steckbrief:
ACE 85.002011 Saurer L4C Alpenwagen IIIa „PTT / Paul Nussbaumer“. Aufbau unten gelb, Dachpartie graumetallic. IA braun. Linie „Bütschwil-Libingen“. Kennzeichen „SG-98411“. 85.002012 dito „BVB Bex-Villars-Bretaye“. Aufbau unten rot. Dachpartie graumetallic. Linie „Aigle-Villars“. Kennzeichen „VD-1270“. 85.002013 dito „Autoverkehr Thun-Heiligenschwendi“. Aufbau unten lindgrün, Dachpartie weiß. Linie „Thun-Heiligenschwendi“. Kennzeichen „BE-26906“. Metallmodelle mit Kunststoffteilen. UVP jeweils 46,90 CHF.
Das Vorbild des zweiten Busmodells nach Schweizer Vorbild heißt offiziell FBW C40U, ist aber wegen seines markanten Kühlergrills mit dem Spitznamen „Haifisch“ bekannt. Gebaut wurde es bei der Firma Franz Brozincevic & Cie. aus Wetzikon (FBW), zusammen mit Saurer einer der bedeutendsten Hersteller von Lastwagen und Bussen in der Schweiz. Als für seine Zeit neuer und moderner Fahrzeugtyp stellte der FBW C40U einen Frontlenker dar, der sich im Gegensatz zu den „Schnauzer“-Postautos besser auf den engen Schweizer Bergstraßen zurecht fand. Außerdem konnte der Innenraum effektiver ausgenutzt werden, es waren 36 Sitz- und 11 Stehplätze vorhanden. Gebaut wurden die Haifische von 1955 bis 1961, ihre Leistung betrug 150 PS, erzeugt von einem Sechszylinder-Diesel mit elf Litern Hubraum. Nota bene: Der Begriff „Postauto“ ist typisch schweizerisch. Die Deutschen und Österreicher sagen dazu „Postbus“.
Das obligatorische PTT-Modell zeichnet einen Bus nach, der laut seiner Beschriftung über drei Schweizer Alpenpässe fuhr (Furka, Grimsel und Susten oder Gotthard, Nufenen und Furka). Diese Strecken bietet Postauto heute noch an.

Der Autobetrieb Weesen-Amden (AWA) wurde im Juli 1919 von der Ortsgemeinde Amden eingerichtet. Durch den Ausbau der Bergstraßen kamen weitere Linien dazu, auf denen natürlich auch die C40U Alpenbusse von FBW im Einsatz waren. Die AWA bietet Sonderfahrten mit ihren historischen Bussen für Gesellschaften und Vereinen an. Das kleine Posthorn an der Front weist darauf hin, dass das Vorbild des ACE-Modells in Postbus-Diensten unterwegs war.
Auch die Schweizer Armee setzte den FBW C40U zum Transport von aktiven Soldaten und Wehrpflichtigen ein. Nach dem Ersten Weltkrieg bis hinein in die 70er Jahre wurden in kleinen Stückzahlen bei den Schweizer Herstellern Saurer, Berna und FBW auf die Bedürfnisse der Armee zugeschnittene Busse bestellt. Schon damals galt „so zivil wie möglich, so militärisch wie nötig“. Wer nicht die M-Nummernschilder bemerkt, erkennt deren militärischen Auftrag nicht.
Arwico hat dies genau in den Maßstab 1:87 verkleinert.


Noch ein kleiner Ausflug in die H0-Modellautogeschichte. Der italienische Hersteller Mercury führte in den 50er Jahren eine Serie von Metallmodellen im Maßstab 1:87 ein. In dieser Serie gab es als Highlight einen FBW C40U mit einem Unterteil aus Metall und dem Panoramadach aus Kunststoff (das oft Sprünge aufweist). Das Modell ist immer noch sehr begehrt und selten.

Steckbrief:
ACE 85.002014 FBW C40U „Haifisch“ „PTT“. Aufbau unten gelb, Dach weiß. IA rot. Linie „3-Pässe-Fahrt“. Kennzeichen „P-24060“. 85.002015 dito „AWA Autobetrieb Weesen-Amden“. Aufbau unten blau, Dach grau. Wagennummer 8. Kennzeichen „SG-39008“. 85.002016 dito „Schweizer Armee“. Aufbau unten hellgraubeige, Dach weiß. Kennzeichen „M-79535“. Metallmodelle mit Kunststoffteilen. UVP jeweils 46,90 CHF.

Foto: Yves Bersier

Foto: Archiv afs