Das Siku-Selbstbau-Auto und seine Nachfahren
Dass es sich um einen ’49er Ford Fordor Sedan handelt, ist offensichtlich. Aber allgemein wird nur vom „Siku-Selbstbau-Auto“ gesprochen. Auch Siku nannte es so, das „Selbstbau-Auto“. Wahrscheinlich wurde kein Spielzeugauto weltweit häufiger kopiert und/oder aus originalen Formen gebaut, wie dieses. Eine Spurensuche nach den Epigonen und eine Beschreibung des Lüdenscheider Originals.
Zunächst hat man das Lüdenscheider Original in seiner Sammlung. Meist in Orange, denn in dieser Farbe ist es am häufigsten. Dann kommen Farbvarianten hinzu. Und der Sammler entdeckt kleine Unterschiede, die ihn zweifeln lassen, ob die bunten Exemplare tatsächlich von Siku sind. Man taucht in die Materie ein, man sammelt, man vergleicht, man recherchiert. Letztlich kann der Selbstbau-Auto-Enthusiast dann etliche bunte Modelle um sich herum aufreihen. Und er kommt zu dem Schluss, dass es sich um Miniaturen von mindestens neun verschiedenen Herstellern handelt, deren Herkunft tatsächlich weltweit ist: Sea du Mecánico aus Spanien, Minicar aus Persien, Juguetimundo aus Mexiko, Libella aus Polen, Tudor Rose aus England, Marx Toys aus den USA, Osul aus Portugal und letztlich steht hier noch ein gelbes Exemplar, das wir keinem Hersteller zuordnen können. Obendrein gibt es auch einen zweiten Hersteller in Deutschland, ebenfalls aus Lüdenscheid, woher auch Siku kommt, nämlich die Firma Siemens, die das Selbstbau-Auto ebenfalls produzierte. Wir kommen also, inklusive des Unbekannten, auf neun Hersteller – die letztlich alle das gleiche Spielzeugauto produzierten, teilweise aus den weitergegebenen, originalen Siku-Formwerkzeugen, teilweise als exakte Kopien, kurioserweise nie vereinfacht wiedergegeben – und obendrein je nach Markt ein Links- oder Rechtslenker. Eine hoch spannende Angelegenheit für Forscher. Braucht noch jemand ein Thema für seine Dissertation in Modellautogeschichte? Das Siku-Selbstbau-Auto wäre eine feine Aufgabe. Welche Universität hat endlich den Mut, einen solchen Lehrstuhl einzurichten?
Der Export als Motor des Wirtschaftswunders
Lüdenscheid wurde bei Kriegsende von US-Truppen eingenommen, welche die Stadt den britischen Streitkräften übergab, in deren Besatzungszone es lag. Somit dominierten also eher englische als amerikanische Autos das Lüdenscheid der frühesten Nachkriegszeit. Aber alle Spielzeughersteller dachten Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre an Export, und auch im Inland waren alle Jungs von den dicken Amischlitten begeistert. Bis Mitte der 50er Jahre miniaturisierten deutsche Spielzeugautoproduzenten sehr gerne US-Cars. Sie versprachen sich viel vom Export. In den 50er Jahren stand der Bundesrepublik der komplette westliche Weltmarkt offen, der Außenhandel wurde zum Motor des Wirtschaftswunders, und 1960 war Westdeutschland der weltweit zweitgrößte Exporteur nach den USA. Dies zur Begründung, warum das Siku-Selbstbau-Auto ein amerikanischer Ford Fordor Sedan geworden ist. Außerdem gab es 1950, als das Spielzeug erschien, in Deutschland kaum „erwachsene“ Autos. Mercedes hatte noch keinen 220er und 300er, der Opel Kapitän sah gleich aus wie die Vorkriegsversion und wirkte somit unmodern. Allenfalls ein Borgward Hansa 1500 wäre für Siku als modernes Vorbild im angesagten Pontonstil in Frage gekommen. Aber der wäre eben als Spielzeugauto im Ausland weniger auf Gegenliebe gestoßen als ein US-Car. Wer in den USA kannte den Borgward? Aber jeder kannte den Ford!
Auseinandernehmen und wieder Zusammenbauen
Der Ford ist im Maßstab 1:50 gehalten, also zehn Zentimeter lang. Das gilt für all seine Nachkommen in aller Welt. Es gibt keine herauf- oder heruntergezirkelte Kopie. Das macht die Sammlung auch so reizvoll: Die Modelle passen maßstäblich alle nebeneinander, keiner macht sich durch Größe wichtiger als die anderen. Er ist komplett aus Plastik, was kein Wunder ist, denn der Markennamen Siku ist bekanntlich ein Akronym für Sieper-Kunststoff, und Siku machte Kunststoffspielzeug, bevor die bekannte Siku-Plastik-Serie in 1:60 ab 1954 erschien. Das Modell lässt sich ohne Werkzeug von jedem Jungen, auch dem mit zwei linken Händen, zerlegen und wieder zusammenbauen, was auch für kleine Technikspastiker ein Erfolgserlebnis bedeutet. Das Auto besteht aus elf Teilen: Fahrgestell mit vier Rädern, Motorblock, Lenkrad inklusive Lenksäule, Karosserie und Motorhaube. Dazu kommt ein weiteres Teil, das nicht Bestandteil des Autos selbst, aber seiner Verpackung ist: ein Motorhalter, auf dem das ausgebaute Aggregat quasi zur Wartung gelagert werden kann. Seine Achillesferse sind die Stoßstangenecken, die oftmals dem Spieltrieb nicht standhalten und abbrechen, und die Räder, die auf einen Achsstummel gesteckt werden und verloren gehen können. Aber natürlich kann bei einem zerlegbaren Spielzeugauto jedes Einzelteil verloren gehen. Modelle ohne Verpackung sind nahezu immer des separaten Motorhalters verlustig gegangen. Das Plastik von Siku ist dauerhaft, form- und lichtbeständig sowie hart. Also beste Voraussetzungen für ein Sammlerstück, das heute bis zu 75 Jahre alt ist. Die Stückzahlen müssen hoch gewesen sein. Siku-Selbstbau-Autos sind durchaus im Angebot, die Farbe Orange dominiert. Wer auf eine Schachtel verzichten kann und wem Orange gefällt, der wird beim Kauf eines antiquarischen Stücks nicht arm.
Original und Wiedergänger: Das Selbstbau-Auto aus Siku-Werkzeugen
Ein Blick genügt und wer den ’49 Ford kennt, erkennt im Siku-Modell einen solchen. Die Formenbauer leisteten ganze Arbeit, ein schön gemachtes Miniaturauto. Es ist zehn Zentimeter lang, somit im Maßstab 1:50 gehalten, denn das Vorbild misst genau fünf Meter in der Länge. Die Idee des ohne Werkzeug montier- und zerlegbaren Autos war neu. Alleine durch Klipsen konnte ein Junge aus elf Teilen ein fahrbereites Miniaturauto zusammenbauen.
Das Siku-Auto (Siku-Nr. 187) ist montierbar und demontierbar ohne Klebstoff, nur stecken und klipsen. Es ist nirgends als „Siku“-Modell gemarkt. Es hat keine Verglasung. Durch zu häufiges Abnehmen und Montieren der Räder können die Radmittelöffnungen und die am Fahrgestell befestigten Radnaben ausleiern. Das Modell rollt dann nicht mehr gut. Erst eiert es, dann verliert der Ford seine Räder. Ebenfalls gefährdet ist die Motorhaube, deren Scharniere abbrechen können. Und zu intensives Spielen kann auch dazu führen, dass die hinteren Stoßstangenecken verlust gehen, im Extremfall brechen auch die etwas filigranen B-Säulen und der Mittelsteg der Frontscheibe. Das Siku-Modell ist ausschließlich als Linkslenker produziert worden. Da es über kein Armaturenbrett verfügt, sondern nur über eine Lenkrad-Lenksäulen-Einheit, war es für Plagiate einfach, auf Rechtssteuerung umzurüsten: Die Aussparung am Fahrgestell zur Aufnahme der Lenksäule musste nur von links nach rechts verlegt werden.
Die Siku-Form ging zunächst, sicherlich nur leihweise, zur benachbarten Firma Karl Siemens, ebenfalls Lüdenscheid, Wefelshoher Straße 27, nach eigenem Bekunden eine „Fabrik zur Verarbeitung von thermoplastischem Kunststoff“. Siemens fertigte nicht nur Spielzeug, sondern auch Eierbecher, Trinkbecher, Butterdosen, Salatbestecke, Armreifen, Cocktailpicker und anderes Nützliches für den Haushalt. Sieper und Siemens arbeiteten zusammen, der eine lieferte dem anderen zu, Werkzeuge wurden ausgetauscht. Bei Siemens trug der Ford die Seriennummer 297. Laut Katalog 1965 gab es ihn zweifarbig, zum Beispiel Karosserie blau und Räder sowie Chassis weiß. Geliefert „entweder im bedruckten Spezialkarton oder in Klarsichtverpackung mit Karton-Leistenverschluss“. Siemens fertigte auch andere Siku-Selbstbau-Fahrzeuge, so den Muldenkipper und Rennwagen. Es muss eine Vereinbarung zwischen Sieper und Siemens gegeben haben, wonach Siemens das Selbstbau-Auto unter eigenem Markennamen Siemens vertreiben durfte – wohl zu Zeiten, als Siku selbst kein Interesse mehr hatte. Der Autor will sogar nicht ausschließen, dass das Siku-Selbstbau-Auto überhaupt nie bei Siku selbst gefertigt wurde, sondern womöglich von Anfang an als Lohnauftrag bei Siemens. Solche Fragen über Vorgänge vor 60 oder 70 Jahren können heute nahezu nicht mehr beantwortet werden – es sei denn, man findet in Archiven entsprechende schriftliche Vereinbarungen. Zeitzeugen gibt es nicht mehr, die man fragen könnte.
Siemens produzierte den Ford in den gleichen Farben wie Siku, zeitweise jedoch in einem etwas weicheren Plastik, aber eben aus den originalen Werkzeugen. Diese müssen an Siku zurückgegangen sein, denn letztlich landeten sie in Persien, bei der Firma Minicar. Dort wurden verschiedene Siku-Modelle aus originalen Werkzeugen produziert, hauptsächlich Modelle aus der Siku-Plastik-Serie mit geringen Unterschieden (andere Farben, keine Metallerschwernis in der Karosserie, anderes Zubehör), darunter auch das Selbstbau-Auto. Da Modelle dieser drei Hersteller, Siku, Siemens und Minicar, aus denselben Werkzeugen hergestellt wurden, sind die jeweiligen Einzelteile auch problemlos untereinander austauschbar. Für die Kopien gilt das nicht nicht – aber es gilt zumindest nur eingeschränkt.
Kopien des Selbstbau-Autos aus aller Welt
Gemarkt ist nur einer: der Brite von Tudor Rose. An ihm ist auf der Bodenplatte hinter der Vorderstoßstange der Name „Tudor Rose“ eingraviert. Alle anderen sind namenlos, anonym, verstecken ihre Herkunft. Das ist bei Billigspielzeug nicht ungewöhnlich, vor allem dann, wenn es sich um unautorisierte Kopien handelt. Letztlich begingen all die Firmen, die das Selbstbau-Auto plagiierten, einen Diebstahl geistigen Eigentums, einen Copyright-Verstoß. Inwieweit dies Siku tangierte, ist unbekannt, ebenso wie unbekannt ist, ob Siku davon Kenntnis hatte. Jedenfalls hätte Siku nicht dagegen vorgehen können, der Aufwand hätte in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen gestanden. Wie hätte Siku einen Hersteller in Polen oder Mexiko zur Rechenschaft ziehen sollen? Gar nicht. Und was hätte Siku davon gehabt? Nichts. Obendrein machte es Siku den Nachahmern leicht, indem die Lüdenscheider ihrerseits darauf verzichteten, auf ihre Miniatur „Siku“ zu schreiben. Es ist nicht auszuschließen, dass kunststoffverarbeitende Firmen in Mexiko oder Spanien oder Portugal gar nicht wussten, dass es ein Siku-Modell war, das sie kopierten.
Die Farben der Kopien sind vielfältig, von plastikhaft bunt bis einfarbig seriös, manche tragen farblich von der Karosserie abweichende Motorhauben. Die meisten sind aus Thermoplast, also hartem, nicht verformungsgefährdetem Kunststoff gefertigt, manche aus eher weichem Plastik (die späten Juguetimundo-Modelle), Louis Marx aus den USA verwendete den Ford Fordor als Staffage für eine Tankstelle mit Werkstatt.
Nicht über alle Hersteller von Siku-Selbstbau-Auto-Kopien ist Biographisches bekannt. Über den persischen, kunststoffverarbeitenden Betrieb, der aus Siku-Formen unter dem Namen Minicar produzierte, weiß man rein gar nichts – außer, dass alle Modelle in der Ägide des Schahs produziert wurden, also vor der islamischen Revolution 1978. Vincent Espinasse, expliziter Kenner der Szene antiquarischer Spielzeugautos, Betreiber des exquisiten Versandshops L’Auto Jaune in Paris und ebenso Betreiber des gleichnamigen Blogs, widmet Minicar zwar einen ausführlichen Artikel, in dem er die Modelle beschreibt und zeigt, aber er weiß auch nichts Hintergründiges über die Firma. Wir wissen nicht mal, in welcher iranischen Stadt sie tätig war. Das Gleiche, nämlich absolutes Nichtwissen, gilt für den spanischen Hersteller Sea du. Mecánico. Selbst die Verpackung gibt keinerlei Aufschluss, wann und wo das Spielzeug produziert wurde. Dito Juguetimundo S.A., ein mexikanischer Betrieb, von dem nur bekannt ist, dass das Selbstbau-Auto in dessen „Linea Cometa“ erschien, also der „Kometenreihe“ – was auch immer diese Reihe an weiteren Miniaturen beinhalten mag. Von Libella in Polen ist auch nichts bekannt, außer dass die Firma nicht nur das Selbstbau-Auto, sondern auch Siku-Plastik-Miniaturen in 1:60 munter kopierte. Diese polnischen Kopien dürften noch seltener sein als die persischen.
Nun jene, von denen ein bisschen Biographisches bekannt ist: Tudor Rose war die Spielzeugmarke der Rosedale Company im englischen Cinderford, existent zwischen 1945 und 1975, eine eher kleine Firma, die Plastikspielsachen für Woolworth produzierte (Puppen, Sandkastenspielzeug, auch Autos). Dies bedeutete eine geringe Gewinnmarge, somit konnte auch nicht groß in Formenbau investiert werden. Tudor Rose kopierte gerne, manchmal übernahm die Firma auch Werkzeuge insolventer Konkurrenten (wie beispielsweise Kleeware). Tudor Rose verwendete zumeist kleinkindgeeigneten Kunststoff, also Polythene, das etwas weicher als Hartplastik ist und nicht splittern kann. Deren Selbstbau-Auto hingegen ist aus hartem Plastik, und Tudor Rose ist der einzige Hersteller, der sich mittels einer Gravur auf der Bodenplatte zu erkennen gibt.
Nichts zu verbergen, so sollte man meinen, hätte auch der arrivierte Hersteller Louis Marx, eine englische Spielzeugfirma mit einer Produktionsfiliale in den USA, welche die Spielzeugherstellung 1956 komplett nach Hongkong verlegte. Dennoch verzichtet Marx auf einen Herstellernachweis auf dem Auto. Auf der Verpackung des Selbstbau-Autos (dort negierend übersetzt: „Take-apart-Car“) ist der Vermerk „made in USA, New York“ zu lesen, was bedeutet, dass es vor 1956 in der US-Filiale produziert wurde. Louis Marx verkaufte das Auto als Teil eines Tankstellen- und Werkstattgebäudes, das ebenso ein Bausatz war wie das Auto selbst. Ein wunderschönes Spielzeug, überdies ist die Graphik der Verpackung herrlich gestaltet. Diese Garage ist sicherlich der Höhepunkt einer Sammlung an Siku-Selbstbau-Autos und seiner Nachfahren.
Bleibt noch Osul aus Portugal. Osul wurde 1931 von den Gebrüdern Arthur Henriquez und Alfonso (andere Quelle: Manuel) Henriquez im portugiesischen Espinho gegründet und spezialisierte sich zunächst auf Cellulose-Puppen, gleich nach dem Krieg auf Plastikspielzeug aller Art, darunter auch Spielzeugautos. Anfang der 50er Jahre entstanden erste Plastikmodelle im Maßstab circa 1:43 nach US-Vorbildern, die sich auf Portugals Straßen fanden, sehr einfach gehalten, einteilige Karosserien, keine Bodenplatte, Plastikräder mit Stahlachsen, allesamt aus halbwegs weichem Plastik. Mitte der 50er Jahre entstand die nächste Generation an Osul-Modellen. Sie waren aus Hartplastik gefertigt und der Formenbau ist bemerkenswert gut. Sie tragen Bodenplatten und haben ein Interieur, teilweise sogar zu öffnende Teile. Gleichzeitig entstanden Plastikmodelle in größerem Maßstab. Aus dieser Zeit stammt auch die Osul-Kopie des Siku-Selbstbau-Autos. 1964 startete Osul eine neue 1:43-Modellreihe unter dem Namen Metosul. Das ist die Zusammensetzung aus den Worten „Metall“ und „Osul“, also Zinkdruckguss. Die nächste Serie an Zinkdruckgussmodellen trug erneut einen anderen Namen, nunmehr Luso Toys. Das war wieder ein Wortspiel, „Luso“ ist identisch zu „Osul“, aber rückwärts geschrieben (also ein Anagram). Diese letzte 1:43-Serie erschien Mitte/Ende der 70er Jahre und war qualitativ ziemlich minderwertig. Schwanengesang der Luso-Serie waren von Gama bereits lackiert übernommene 43er, die Metosul mit sehr schlecht gemachten, selbst gefertigten Bodenplatten ausstattete und als eigene Produkte verkaufte. Mitte der 80er Jahre wurde die Produktion eingestellt.
Das Vorbild: Der erste Ford in Pontonform
Konstruktiv und optisch bedeutete das Ende des Zweite Weltkrieges eine Zäsur im Automobilbau. Die Pontonform löste die klassische Vorkriegsform ab, die selbsttragende Bauweise ersetzte die Rahmenbauweise. Beides kam, wie nahezu alle automobilen Innovationen, aus den USA, und Ford gehörte zu den Vorreitern. 1949 erschien in den USA der Ford Standard und Custom in diversen Ausstattungsvarianten, und in seinem Stil folgte 1952 der deutsche Taunus 12m mit der Weltkugel. Der erste deutsche Wagen in Pontonform war der Borgward Hansa 1500 von 1949. Der US-Ford existierte zweitürig (Ford Tudor als phonetische Bezeichnung für two door) und viertürig (Fordor von four door), als Coupé und Cabriolet sowie als Kombi mit Holzaufbau („Woodie“). 1950 wurde er leicht überarbeitet und hieß nun Custom Deluxe. Die Baureihe wurde bis 1951 hergestellt, dann kamen neue Karosserien und Namen. Den Ford von 1949 bis 1951 gab es mit einem Sechszylinder-Reihenmotor (3,7 Liter, 95 PS) und mit einem V8 (3,9 Liter, 100 PS), und interessanterweise zeigte die 1949er und 1950er Version, wie später der deutsche Taunus, vorne eine Weltkugel, allerdings im Grill und nicht als Ausbuchtung in der Motorhaube.
Er war die erste Nachkriegs-Neukonstruktion der „Big Three“ in den USA (Chevrolet brauchte ein halbes Jahr länger, Plymouth sogar ein Dreivierteljahr). Doch der ’49 Ford war nur optisch mit seiner Pontonform modern, nicht konstruktiv. Er ruhte nach wie vor auf einem soliden Leiterrahmen (aber immerhin vordere Schraubenfedern und er war der erste Ford mit Automatikgetriebe). Ford nutzte diesen Vorsprung aus. Der Wagen war ein echtes Massenauto, der best verkaufte Wagen in den USA, und deswegen auch in Westdeutschland ziemlich bekannt. Denn die amerikanischen Besatzungssoldaten fuhren entweder diesen Ford oder den gleichzeitigen Chevrolet.
Als Miniaturauto der erste Promo aller Zeiten
Sein immenser Erfolg dürfte der Grund dafür gewesen sein, weswegen recht viele Spielzeugautohersteller den ’49 Ford miniaturisierten. Das bekannteste Exemplar ist das Dinky-Toys-Modell Nr. 139a (einfarbig) bzw. 170 (zweifarbig). Siku hatte seinen ’49 Ford niemals als solchen bezeichnet, sondern immer nur als „Selbstbau-Auto“. Und die namenlose US-Limousine von Wiking, also Nr. T3a mit der Wiking-Bezeichnung „Limousine (USA-Typ)“, orientiert sich eindeutig auch am ’49er Ford. Doch das alles könnte man als „Pflicht“ des ’49er Ford bezeichnen. Denn die „Kür“ seiner selbst ist: Ihm wurde das erste amerikanische Promo-Modell gewidmet. „Promo“ ist die landläufige Abkürzung für „Promotional Model“, also Werbemodell.
Die US-Promos in 1:25 sind weithin bekannt, ein eigener Mikrokosmos im weltweiten Geschehen der Modellautowelt. Doch alles hat einen Anfang, und der Anfang der Promos war der Ford, den AMT 1949 machte. Der Promo-Erstling sah anders aus als spätere Promos, nicht aus durchgefärbtem Kunststoff, nicht wie ein einfacher Kit, der „straight out of the box“ zusammengebaut wurde. Der Ford hat einen Blech-Boden mit Uhrwerkantrieb und befestigtem Schlüssel an der Fahrzeugunterseite. Die Karosserie ist aus lackiertem Kunststoff (alle Ford-Farben waren auch als Miniatur lieferbar), die Verglasung ist nicht transparent, sondern aus Blech, die Chromteile aus verchromtem Zinkdruckguss, die Weißwandreifen aus Gummi. AMT wurde 1948 von West Gallogly in Troy/Michigan gegründet, die Buchstaben stehen für Aluminium Model Toys, und Gallogly zog einen Hauptgewinn, als Ford ihn mit der Werbemodellproduktion beauftragte. Das trat eine ganze Lawine hervor, die Promo-Modelle wurden zu einem riesigen Geschäftsmodell.
Der ’49 Ford war als Miniaturauto also ebenso populär wie im Original. Geschichte schrieb er als erstes US-Promo-Modell ebenso wie als Siku-Selbstbau-Auto, das mit seinen Epigonen wahrlich ein Weltauto war.
afs