Faszination Modellautos

Literatur

Lesenswertes: Robur

Wappler, Günther: Phänomen, Garant, Robur – Fahrzeuge aus Zittau und ihre Modelle. Brilon (Podszun-Verlag) 2023.158 Seiten. ISBN 978-3-7516-1104-6. Preis 29,90 Euro.

Über den DDR-Einheits-Schnelllastwagen Robur und seine Garant- und Phänomen-Vorgänger haben schon einige Autoren publiziert. Man sollte meinen, das Thema sei erschöpft behandelt. Dennoch ist Günter Wapplers spät geborenes Werk, erschienen im Dezember 2023, anders und deshalb eine sinnvolle Ergänzung für alle überzeugten Roburisten, Garantisten und Phänomenologen. Auch er kümmert sich um die Geschichte der Fahrzeuge um Zittau, ergänzt sie allerdings um Modellautos. Diese Ehre ist dem Robur und seinen Ahnen bisher noch nicht zwischen zwei Buchdeckeln widerfahren.

Der Schreibstil ist sehr sachlich, in einfachen, kurzen Sätzen gehalten, wie man sie in der Schule lernt. Wappler schreibt viel Text, aber nicht frei von Wiederholungen, dafür mit Gedankensprüngen, die den Leser manchmal irritieren. Dafür gibt es, zumindest für den geborenen Westler, auch köstliche Beispiele des typischen DDR-Duktus’ (beispielsweise der „Sonderbedarfsträger NVA“, der ein spezielles Robur-Fahrerhaus forderte, oder die „DDR-Produktionsmittel“). Aber wenn die Sprache schon nicht inspiriert ist, so ist es der Inhalt durchaus, die komplette Geschichte der Zittauer Fahrzeugwerke seit Gründung mit allen Höhen und Tiefen. Wappler geht auf alle Varianten ein, beleuchtet sie bis ins kleinste Detail. Man merkt ganz deutlich: Den Robur kennt er aus dem Effeff! Spannend sind Passagen, die aus der DDR-Zeitschrift Kraftfahrzeugtechnik zitiert werden, manchmal auch deren ideologisches Geschwurbel. Inwieweit es wichtig ist, dass das Werk eine Fahrradwerkstatt für die Belegschaft und einen Ausleihdienst für Staubsauger unterhielt, bleibt Ansichtssache.

Das Buch ist reich bebildert, die Bildbeschreibungen variieren von profan („Robur Bus in Rot“) bis inhaltlich hoch detailliert. Viele restaurierte Fahrzeuge sind abgebildet, aber auch hinreichend viele zeitgenössische Schwarzweißfotos aus dem DDR-Alltag, dazu Typenblätter und Prospekt-Reproduktionen. Dass es stets schwierig ist, militärische Aufnahmen aus der DDR zu beschaffen, ist bekannt. Ein NVA-Soldat mit Kamera machte sich des Hochverrats verdächtig. Doch die militärischen Ausführungen des Robur lassen sich glücklicherweise auch anhand von Feuerwehrfahrzeugen belegen. Interessant, weil fast vergessen, ist die letzte Episode der Robur-Ära 1989 bis 1991, das Fahrerhaus mit Facelift, die Motoren von Klöckner-Humboldt-Deutz und der verzweifelte Kampf ums Überleben, der letztlich verloren ging. Was wir im Buch vermissen und was wenigstens einer Randbemerkung wert wäre: Robur lieferte die Karosserien des Rennsportwagens Melkus RS1000.

138 Seiten über das Vorbild folgen 17 Seiten über den Robur und Garant als Miniatur. Im Modellautokapitel wendet sich Wappler an jene Leser, die offenbar noch nie ein Miniaturauto gesehen haben oder sogar nicht mal wissen, dass es Derartiges überhaupt gibt. Zumindest am Kapitelanfang wirkt das sehr belehrend. Miniaturen größer als 1:87 scheinen weniger sein Pathos zu sein, die Robur-Modelle aus Holz oder die 1:50-Plastikmodelle von MSW werden nur am Rande erwähnt, die Vielzahl an 1:43-Robur von Sonic/Ixo, die es als Fachhandelsmodelle ebenso wie in diversen Ostblock-Kioskserien gab, gar nicht. 1:87 ist sein Ding! Wenn er also in medias res geht und den 1:87-Espewe-Robur in allen Einzelheiten und seinen geschichtlichen Werdegang beschreibt, wird der Autor von seinem großen Wissen und seiner Euphorie überwältigt. Er verliert den roten Faden und sorgt für mehr Verwirrung als Aufhellung. Jedenfalls ist der Espewe-Rubur für Wappler ein für damalige Verhältnisse vorbildliches Modell, besser als Wiking-Modelle damals waren, schreibt er. Wappler erzählt auch die Biographie des Garant-Modells, das ab 1986 von Bernd Kasten vom Deutschen Modelleisenbahnverband der DDR in Kleinserie gefertigt wurde, ebenso diejenige des LO3000 (der in Wahrheit ein LO2501 ist), auch die schönen Geschichten in der Wendezeit, als die DDR-Wirtschaft unter- und der Stern von Stettnisch & Co. aufging. Er berichtet auch von den Roburen von Brekina und Busch, angereichert durch Tabellen vieler Robur-Varianten dieser Hersteller. Über die neu erstandene Marke Espewe lässt Wappler den Eigentümer Stefan Berkenkamp berichten, was ganz spannend ist. Aber wenn davon die Rede ist, dass der Atlas-Verlag von DeAgostini übernommen worden sei und dieser „alle Aktivitäten auf dem Gebiet der Sammelserien“ eingestellt habe, schüttelt der Leser ungläubig den Kopf. Wenn Wappler schon so tief in den Roburismus en miniature eintaucht, fragen wir uns natürlich, warum er die Espewe-Kopien aus Polen, gefertigt von ZP-Ruch, mit keinem Wort erwähnt. Gerade solche Besonderheiten sind es doch, die den Sammler interessieren – vor allem denjenigen, der schon vieles hat. Die Modellautofotos sind inhaltlich aufschlussreich, aber ziemlich unprofessionell gefertigt.

Insgesamt ein unterhaltsames Buch, das viel Wissen vermittelt, aber der Autor scheint in mancher Hinsicht über sein eigenes Wissen zu stolpern und hat Probleme, einen langen Buchtext zu strukturieren.

afs