Literatur

Lesenswertes: Die Modellautos der 70er

Trüdinger, Jörg: Jungs, Eure Kinderträume. Die Modellautos der 70er. Stuttgart (Motorbuch-Verlag) 2023. 96 Seiten. ISBN 978-3-613-04547-7. Preis 16,95 Euro.

Der sympathisch-chaotische Laden für antiquarisches Spielzeug in Stuttgart, Such & Find im gründerzeitlichen Heusteigviertel, ist Legende und ein Muss für jeden modellautoaffinen Stuttgart-Touristen. Der Inhaber Jörg Trüdinger erinnert mit seinem Buch „Jungs, Eure Kinderträume“ an die Spielzeugautos der 70er Jahre. Der Mann hat Ahnung und Erfahrung, und er kann auf einen Fundus zurückgreifen, der eine schöne Illustration garantiert. Hier macht das Blättern Spaß, und authentisch ist, dass Trüdinger nicht nur mint boxed abbildet, sondern ein Modell durchaus auch in einer dezenten Patina, die das Autole sagen lässt: „Mit mir wurde gespielt. Ich habe meinem Kind Freude bereitet.“ Um diese Helden der Kinderzimmer in den 70er Jahren geht es, und so richtet sich das Büchlein an jene, die damals ihre Kindheit erlebten – also die zwischen 1965 und 1975 Geborenen, Trüdingers Kohorte. Neun Hersteller wählte er aus, Mattel, Schuco, Dinky und Corgi Toys, Märklin, Siku, Matchbox, Majorette und Gama, also die populärsten Marken der 70er Jahre im deutschen Sprachraum, und es geht somit um die „nach-Mattel-Revolution“, um die Spielzeugautogeneration mit den „heißen Rädern“ (die von vielen Sammlern als Anfang vom Ende des vorbildgetreuen Spielzeugautos definiert wird). Da Mattel die Revolution einläutete, beginnt das Buch mit deren Hot Wheels – und alles andere war eine Reaktion darauf. Ende der 70er erkrankte die Branche schwer, Firmen verendeten, andere wurden Opfer von Konsortien und nur Markennamen überlebten. Die 70er waren das letzte Aufbäumen. Trüdinger schwelgt in Erinnerungen, sieht das Positive, die schnell laufenden Knubbelräder als notwendige Entwicklung. Das kann, muss man aber so nicht sehen. Jede Firma erhält ihre eigene Biographie, von der man merkt, dass sie der Biographie ebenso des Autors wie auch des Rezipienten entspricht. Diese Firmenbiographien sind interessant zu lesen, reichen allerdings weit zurück und haben mit den 70er Jahren, in denen die meisten Spielzeugauto-Hersteller ihren Höhepunkt längst überschritten hatten, wenig zu tun. Wikipedia-Beiträge dienten erkennbar als Recherchehilfe. Schöne Illustrationen, hübsche Arrangements, Prospekt- und Werbereproduktionen. Das Buch ist flott geschrieben und flott gelesen. Man liest es einmal mit Vergnügen, aber es ist kein Werk zum immer wieder Schmökern, auch kein Nachschlagewerk – wenngleich gut recherchiert. Es unterhält einen langen Abend lang und es ist ein perfektes Mitbringsel für einen Sammler antiquarischer Spielzeugautos.

afs