Faszination Modellautos

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News 1:18 Norev Citroën DS19 1958 mit Caravane Digue Panoramic 1960

Camping an der Côte d’Azur

Nachdem sie im Spätsommer 2023 einen luxuriösen Hénon-Wohnwagen ziehen durfte, fährt die Citroën DS19 nun mit einem Digue-Caravan vom Burgund in den Sommerurlaub an die Côte d’Azur. Der Digue ist preiswerter und demokratischer als der elitäre Hénon, er machte den Caravan in Frankreich zum Massenprodukt. Norev gelang ein imposantes Gespann, farblich aufeinander abgestimmt. In der Vitrine benötigen die DS und ihr Anhängsel zwar viel Platz, machen aber auch einen sehr guten Eindruck.

Vor 1945 war Pierre Digue (1913 bis 1981) ein Pariser Karosseriebauer, der sich darauf spezialisierte, aus Personenwagen Lieferwagen zu bauen. Er schnitt ihnen die Heckpartie ab und ersetzte sie durch Kofferaufbauten. Während der ersten Nachkriegsjahre baute er Einachsanhänger verschiedener Größe, auch so kleine, dass sie von einem Renault 4CV gezogen werden konnten. 1948/49 kreierte Pierre Digue sein erstes Wohnmobil zu Zeiten, als Wohnmobile zwar schon erfunden, aber alles andere als üblich waren, den Passe-Partout auf Basis des Renault Eintonner-Lieferwagens, dem Ixo in seiner Partwork-Reihe „Collection Camping-Cars“ von 2017 bis 2019 in 1:43 ein Denkmal setzte. Damit fand Pierre Digue, dessen Nachname im Deutschen „Deich“ bedeutet, seine endgültige berufliche Bestimmung: Fortan widmete er sich dem Camping. Erste Wohnwagen 1953, ab 1956 erste Importe aus Großbritannien, das damals führend in der Wohnwagenentwicklung war, Lizenzproduktion englischer Sprite-Caravans ab 1957, mit der Eingangstüre auf der rechten Seite (die englischen Originale tragen sie auf der linken). Zwei Jahre später begann Pierre Digue mit der industriellen Produktion selbst konstruierter Caravans, die Sprite-Herstellung geriet in den Hintergrund und lief 1963 aus, doch die Eigenkonstruktionen bauten natürlich auf der Erfahrung auf, welche Digue mit den damals weltmarktführenden Sprite-Caravans gemacht hatte.

Der Panoramic basierte auf dem englischen Sprite

Seine eigenen Wohnwagen nannte Digue „Panoramic“ und unterteilte je nach Modell und Größe, wofür er nette Abwandlungen des Begriffs „Panoramic“ ersonn: Alpiramic, Panorette, Majoramic, Duoramic (ein Anderthalbdecker mit Betten in der ersten Etage!), Superamic. Das gängigste Modell war der Panoramic 14 (Präsentation Pariser Salon 1960), sehr nahe am gleichzeitigen, englischen Sprite. Der Name rührt von den damals unüblichen Plexiglas-Panoramafenstern her, also um die Ecke gezogene Scheiben. Gebogenes Glas war damals noch eine teure Angelegenheit, nur bei großen (Auto-)Herstellern üblich, aber nicht im Karosseriebau. Dort verwendete man statt dessen Plexiglas, also transparenten Kunststoff. Das Wohnwagen-Design orientierte sich am englischen Vorbild: Im vorderen Teil, wo sich die Eingangstüre befand und der Wohnbereich eingerichtet ist, bestand Stehhöhe, und nach hinten flachte das Dach ab, wo die Menschen eher schliefen als standen. Das verlieh dem Wohnwagen ein schnittiges und dynamisches Aussehen. Die Riffelung der isolierten Kunststoffhaut (über Holzgerüst) sorgte für Stabilität, nichts vibrierte oder dröhnte. Der Panoramic 14 war der typische französische Caravan der 60er Jahre, geeignet für Mittelklassewagen, er hing am Peugeot 404 und Simca 1500, auch an der DS und später natürlich am Renault 16. In diesem Jahrzehnt demokratisierte sich der Wohnwagen, wurde für die Massen bezahlbar, dem Caravan-Camping hafteten keine elitären Allüren mehr an. Hauptmitbewerber von Digue waren damals Caravelair, Sterckeman und Star. Dem Panoramic-Stil blieb Digue bis Mitte der 70er Jahre treu, dann wurden die Wohnwagen rundlicher und beliebiger, eben im Stil der 70er, Das nach hinten abfallende Dach als Charakteristikum der Digue-Caravans war passé. Damals gehörte die Marke nicht mehr Pierre Digue, 1967 wurde sie an den Mitbewerber U.S. verkauft, blieb aber bis 1981 französischer Marktführer. 1987 verschwand der Markenname Digue, die Fabrik gehört heute der Trigano-Gruppe.

Zwei versteckte Schrauben in den Radhäusern

Der Digue von Norev ist komplett aus Kunststoff. Weil er lackiert ist, sieht man das nicht. Man fühlt es eben. Kunststoff fühlt sich wärmer an als Zinkdruckguss und ist leichter. Die Lackierung ist ein seidenmattes Eierschalenweiß, der Bereich zwischen den Fenstern Gelb und ebenfalls seidenmatt, was der Oberfläche eines Caravans entspricht. Beweglich sind die Eingangstüre, die vier Stützen, damit der Wohnwagen steht, wenn er abgekuppelt ist, das Laufrad an der Deichsel lässt sich in die Kurve drehen, aber es ist nicht rollbar und man kann es nicht auf- und niederkurbeln. Die Beleuchtung und die Handgriffe zum Schieben und Ziehen des Gefährts sind separat eingesetzt, die Vorhänge sind am Scheibeninneren angebrachte, farblich bedruckte Gravuren, selbst Vorhangschienen wurden nicht vergessen.

Um den Caravan von innen betrachten (und fotografieren) zu können, haben wir ihn zerlegt. Die vier sichtbaren Schrauben zu öffnen, ist einfach. Dennoch geht danach noch gar nichts. Gemein ist, dass weitere zwei Schrauben in den Radkästen versteckt sind und sich hinter den Rädern verbergen. Darauf muss man erst mal kommen, und wenn man darauf gekommen ist, bedeutet das noch nicht den Weg zum Erfolg. Die Räder sind so fest auf den Achsen befestigt und ihr Kunststoff ist bruchgefährdet. Wir hatten nichts als Glück, dass es uns gelang, ohne die Felgen zu ruinieren, und empfehlen die Aktion nicht zum Nachmachen. Doch was wir sahen, ist schön und weit besser fürs Auge zugänglich als nur durch die Fenster oder die geöffnete Türe. Der nasszellenlose Innenraum trägt die Grundfarbe Orange. Sämtliche Polsterung, sehr zeitgenössisch ausgeführt, sind großflächige und faltenfrei angebrachte Decals, ebenso wie der Fußboden, der das damals aktuelle Linoleum nachbildet. Norev entschied sich für den „Wach-Modus“, also mit Tisch und Sitzbänken, nicht für den „Schlaf-Modus“, bei dem daraus ein Doppelbett wird.

Die DS kombiniert Narzissengelb mit silbernem Dach

Das Zugfahrzeug, eine frühe Citroën DS19 der Jahrgänge 1956 bis 1958, ist konkret ein 1958er Modell, denn erst in diesem Jahr erschien die Farbe Jonquille AC305 (die Jonquille ist eine Narzissenart), die Innenausstattung blauer Jerseystoff. Aber das DS-Interieur ist nicht einfarbig. Die Türverkleidungen sind blau mit weiß kombiniert, weiß ist auch die Rückseite der Vordersitzbank. Über den Türverkleidungen ist Karosserieblech zu sehen, also narzissengelb, und das Armaturenbrett ist eine Komposition aus schwarz, grau und weiß. Und auch außen ist die DS nicht einfarbig. Das Dach ist Gris Métallisé lackiert, der Wagen trägt rote Felgen, von denen man hinter den fast die gesamten Felgen bedeckenden Radkappen nur das Felgenhorn sieht, dazu Weißwandreifen – höchst elegant! Die DS ist eine alt bekannte und gut gelittene Freundin, von Norev seit Unzeiten hergestellt und nach wie vor sind die DSsen von Norev die besten ihrer Art.

afs

Steckbrief:

Norev 181762 Citroën DS19 1959 mit Caravane Digue Panoramic 1960. Fertigmodell Zinkdruckguss (DS)/Plastik (Digue), Maßstab 1:18. UVP 149,90 Euro.

Randnotiz:

Populär zu ihrer Zeit: Digue-Wohnwagen en miniature

Caravans von Digue, quer durch die Maßstäbe, von zeitgenössischem Spielzeug zu Modellautos im heutigen Sinn: Wer wühlt und sucht, der findet. Wir zogen so einiges an Land, von trivial bis selten, hübsch, hübsch hässlich, klein und groß. Ein Ausflug auf den Campingplatz.

Als in den 60er Jahren das Caravaning in Frankreich populär wurde, hielt das Thema auch im Kinderzimmer Einzug. Platzhirsch Dinky Toys machte keinen Digue, sondern votierte für Hénon und Caravelair. Norev hingegen fühlte sich zu Digue hingezogen (nebst einem Hénon) und miniaturisierte den 1960er Panoramic 14 als sehr hübsches Modell in seiner Plastikserie. Die meisten tragen die schönen Räder mit Felgen und Reifen, die allerletzten sind mit Plastikknubbelrädern verunstaltet, aber diese letzten sind die seltensten. Die kurzfristig wiederbelebte und rasch wieder entschlafene Marke Minialuxe machte eine Norev-Kopie aus Zinkdruckguss.

Richtig spannend und selten hingegen ist die zeitgenössische Kopie von Guisval aus Spanien, aus der Frühzeit des von Francisco Verdú Guillem, José Luis Serralta und Ramón Garcia Valero in Ibi/Alicante gegründeten Unternehmens. Guisval fing nämlich mit Plastikminiaturen an, die ganz dreist kopiert wurden. Es gibt ein völlig abstrus zusammengestelltes Set mit einem Pontiac Criterion Ambulance (Miller-Meteor) 1962 (Kopie Dinky Toys England Nr. 263), an den ein Digue Panoramic 14 gekuppelt ist, eine Norev-Kopie. Und weil sich Gusival am Ambulanzwagen die roten „Blaulichter“ sparte, lautete wohl das Narrativ an die Kinder, ein Pontiac Kombi ziehe einen Wohnwagen.

Ein großes und wahrlich schön gestaltetes Plastikmodell im Maßstab 1:25 kommt aus Italien von der Firma F.V., das sind die Gebrüder Pietro und Gino Versiglia aus Mailand (ab 1969 aus Verve in Vedano Olona). Ihre Spielzeugautos sind aus einem halbweichen Plastik und passen in Größe und Machart perfekt zu den deutschen Plastikspielzeugautos von NP (= Norddeutsche Plastik Geord W. Allerdist, Hamburg-Stellingen) und Tim-Mee Plast (Fritz Baumgärtner aus Steinbach/Baden). Als etwas jüngeres Modell gesellt sich in die Digue-Parade das Majorette-Modell in circa 1/66, ein Digue Baronette GT im Matchbox-Maßstab.

Aus halbwegs aktueller Produktion stammen zwei von Sonic/Ixo gemachte Partwork-Modelle. Zum einen ein 70er-Jahre-Digue-Wohnwagen, den es als Artistencaravan des Zirkus’ Pinder und als Veranstaltungscaravan von Michelin gibt. Zum anderen widmete sich Sonic/Ixo in seiner Wohnmobil-Kollektion dem Digue Passe-Partout, einem ganz frühen Reisemobil auf Basis des Renault-Eintonner-Lieferwagens.

afs