Faszination Modellautos

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News 1:18 Norev Renault 12 Gordini 1971 (ohne Stoßstangen)

Attraktivität durch Verlust

Weniger ist mehr: Bisher machte Norev den Renault 12 Gordini ausschließlich mit Stoßstangen, und das seit vielen Jahren, immer wieder Neuproduktionen, ein Bestseller. Nun kommt er erstmals ohne dieselben, was seinem serienmäßigen Auslieferungszustand entspricht. Dafür kreierte Norev sogar eine neue hintere Kennzeicheneinheit mit Beleuchtung für das Zweizeilen-Nummernschild.

Wer verkaufen will, braucht attraktive Angebote. Das gilt immer (außer in der Planwirtschaft). Das gilt für Autoproduzenten ebenso wie für Modellautoproduzenten. Wird ein Produkt unattraktiv, weil es zu alt ist oder weil es jeder hat oder weil es aus der Mode gekommen ist, so muss es aufgewertet werden („gepimpt“). Dann kommt etwas hinzu, was bisher noch nicht da war. Ein Modellautohersteller könnte ein unattraktives Modellauto mit einem Dachgepäckträger, darauf ein Rodelschlitten und zwei Paar Ski mit Stöcken, aufwerten (das taten genügend Spielzeugautohersteller in den 60ern und 70ern). Den umgekehrten Weg geht Norev. Deren Renault 12 Gordini ist mitnichten unattraktiv. Und dennoch macht ihn Norev noch attraktiver, indem der Hersteller etwas weglässt. Die Stoßstangen. Da muss nichts Neues hinzukommen, da kann etwas Bisheriges wegfallen, und schon ist die neue Version da, die sich so mancher kauft, der die bisherige bereits hat. Nur, weil was fehlt! Und trotzdem was fehlt, ist das Modell nicht mal preiswerter. Immerhin: Teurer ist es auch nicht.

Den R12 Gordini hat Norev schon länger im Programm, ein „all time classic“, wird immer wieder neu aufgelegt. Wesentliche Veränderungen kann es nicht geben, die Farbe Bleu de France (also: Französischblau) mit den charakteristischen weißen Streifen ist legendär. Zuletzt erschien er als unveränderte Wiederauflage im November 2018. Und nun erneut, aber nicht unverändert, sondern mit ohne Stoßstangen.

Manche Dinge, die sportlich aussehen, sehen nicht nur so aus, sondern haben einen sittlichen Mehrwert. Die mattschwarze Motorhaube beispielsweise dient dazu, dass der Sportfahrer nicht von der tief stehenden Sonne geblendet wird, die sich im Glanzlack der Haube spiegelt. Schließlich könnte es für den Rallyefahrer fatal sein, wenn er deswegen kurzfristig die Augen zukneift. Radkappenlose Sportstahlfelgen verringern die ungefederten Massen des Autos. Und fehlende Stoßstangen sorgen für geringeres Gewicht, wodurch die vorhandene Motorleistung weniger Überflüssiges beschleunigen muss und die die Bremsen weniger Überflüssiges stoppen müssen. Ergibt also Sinn, das alles! Natürlich gilt das nur für 60er- und 70er-Jahre-Autos.

Auf der hinteren Stoßstange befindet sich in der Regel die Kennzeichenbeleuchtung, die vorgeschrieben ist, damit ein Übeltäter nach vollbrachtem Delikt auf der Flucht nicht unerkannt abhaut. Ist die Stoßstange weg, muss anderweitig für Licht für das hintere Kennzeichen gesorgt werden. Das berücksichtigte Renault und das berücksichtigt Norev. Trägt der R12 gemeinhin ein Kennzeichen in üblichen Dimensionen und einzeilig, so hat der R12 Gordini ohne Stoßstangen das italienische Modell montiert: Quadratisches Kennzeichen in zwei Zeilen, wie es in Italien Vorschrift war, auf einer speziellen Grundplatte mit beidseitigen Leuchten, damit das Kennzeichen erhellt wird. Renault konnte auf die Bauteile der Italienversion, die jeder Hersteller im Angebot hatte, der Italien belieferte, zurückgreifen. Norev nicht. Dieses Formteil musste Norev neu schaffen, tat es auch, und das gibt dem Stoßstangenlosen nochmals eine andere Erscheinung, wenn man ihn von hinten betrachtet. Es sind also drei Veränderungen, die den üblichen R12 Gordini vom stoßstangenlosen R12 Gordini unterscheiden: zwei weg gelassene Chromstoßstangen und die hintere Kennzeichenanordnung mit Beleuchtung. Also für Fans eine durchaus interessante Variante.

Zum historischen Hintergrund: Der R12 Gordini hatte einige sportliche Attribute, so die Lufthutze auf der Haube, die Zusatzscheinwerfer, die Sportstahlfelgen, und serienmäßig wurde er ohne Stoßstangen ausgeliefert. Das gefiel nicht jedem, vor allem den Pariser Käufern nicht, denn dort war damals noch üblich, dass beim Einparken das zuvor oder dahinter parkende Fahrzeug einfach ein wenig verschoben wurde. Deshalb bot Renault eine Version R12 Gordini TL an, die mit Stoßstangen ausgeliefert wurde.

Der Norev R12 Gordini ist ein schönes, älteres Norev-Modell aus Zeiten, als es noch semi-all-open bei Norev gab: Motorhaube (vorne angeschlagen) und Vordertüren zu öffnen, Auto lenkbar, Auto nicht gefedert. Innen das typische Renault-Design der Zeit, das die einen als reinen Funktionalismus liebten und die anderen als sozialdemokratische Austerität hassten, dazu das hübsche Gordini-Lenkrad mit gelochten Speichen. Außen Fergat-Stahlsportfelgen, Cibié-Zusatzscheinwerfer mit gelben Streuscheiben und natürlich die charakteristischen R12-Gordini-Streifen. Wir finden, die Veränderungen sind, trotzdem sie minimal sind, so identitätsstiftend, dass sich die Neuvorstellung lohnt. Weniger ist mehr, der Stoßstangenlose ist ein anderes Auto als der Bestands-R12-Gordini.

afs

Amédée Gordini nahm sich des 1,6-Liter-Motors aus dem R16 TS an und zauberte daraus 113 PS dank Weber-Doppelvergaser und anderer, alltagstauglicher Tuningmaßnahmen, dazu Fünfganggetriebe und vorne belüftete Scheibenbremsen. Wer in Deutschland einen 02er-BMW fuhr, hatte in Frankreich einen R12 Gordini.
Modellfotos: bat
Ungewohnte Heckansicht: Quadratisches Kennzeichen auf entsprechender Grundplatte mit Beleuchtung rechts und links, ziemlich italienisch.
Foto mit Symbolwert, wenngleich in Teilen bewegungsunscharf: Als Renault den althergebrachten, geliebten, ja vergötterten R8 Gordini durch den R12 Gordini im Sommer 1970 ablöste, wurde dieses Foto publiziert: Statisch der Alte, dynamisch der Neue, ein potenzieller Überflieger. Und, ei gucke da, der R12 trug keine Stoßstangen!
Foto: Archiv Renault

Steckbrief:

Norev 185248 Renault 12 Gordini 1971 Bleu de France (ohne Stoßstangen). Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:18. UVP 69,90 Euro.