Andere Maßstäbe

News 1:24 Whitebox Lada Niva 5000 1979

Ein richtig schöner Ivan

Ein ganz spezieller Lada Niva, ein Sondermodell für den westdeutschen Markt – eine gute Idee von Whitebox, dem 1:24-Label von Model Car World: Der Niva 5000 mit Vinyldach und fetzigem Streifendekor, der Gelände-Lada mal weniger rustikal, sondern fast schon edel.

Die Sowjets in der Bundesrepublik: das wurde in der Zeit des Kalten Krieges mit Argusaugen betrachtet. Vor allem die Satra, die Importgesellschaft für russische Kraftfahrzeuge in Westdeutschland. Eine ganz dubiose Angelegenheit: die Filiale einer in den USA registrierten GmbH in sowjetischem Eigentum, die in Westdeutschland Autos verkaufte.

Der sowjetische Außenhandel, stets bestrebt, heimische Produkte gegen konvertierbare Währung, also Devisen, zu verkaufen, beteiligte sich in den USA an der 1952 gegründeten Satra Corporation zur Einfuhr sowjetischer Waren. Dazu gehören auch Autos, obgleich das mit den Russen-Autos in den USA nie so richtig funktionierte. Die Satra Corporation hatte internationale Ableger im kapitalistischen Westen, auch in der Bundesrepublik. Importeur für den Lada (und zeitweise andere sowjetische Fahrzeuge) war die Handelsgesellschaft Satra GmbH in der Lessingstraße 60-62 in Neu-Wulmstorf bei Hamburg, umfirmiert 1978 in Deutsche Lada Import GmbH. An der Gesellschaftsbeteiligung änderte sich deshalb nichts; die Firma blieb ein Zweigunternehmen der amerikanischen Satra Co. und somit eine GmbH in mehrheitlich sowjetischem Besitz.

Importgesellschaft mit Beigeschmack

Die Satra war immer ein wenig obskur, vor allem in den USA, vor allem in der Zeit des Kalten Krieges. Gründer ist der armenischstämmige Amerikaner Ara Oztemel (1926-1998), und Satra verfügte stets über viel Geld und investierte dies in sehr unterschiedlichen Bereichen. So kaufte Satra 1977 die Fernseh-Übertragungsrechte der Olympischen Spiele 1980 für die USA und stach damit die drei damals größten amerikanischen TV-Sender aus. Oztemel begann als Importeur sowjetischer Rohstoffe in die USA, hauptsächlich Chromerz, auch Mangan und Nickel. Damit verdiente er viel Geld und begann umgekehrt, US-Produkte in die UdSSR zu exportieren, hauptsächlich Stahlblech für die dortige Fahrzeugindustrie. „Satra“ heißt das Unternehmen seit 1965, ein Akronym für „Soviet-American Trading“, und Satra konzentrierte sich auch auf den Import sowjetischer Autos in die Bundesrepublik (seit 1974) und nach Großbritannien (seit 1972). Satra übernahm amerikanische Firmen, ganz oder teilweise, beteiligte sich hier und da, Oztemel blieb stets der Geschäftsführer, fungierte auch als Eigentümer, aber hinter Satra steckten viele russische Rubel.

Das Verhältnis der westdeutschen Satra zur Sowjetunion war stets gut. Man war Handelspartner, die UdSSR hatte größtes Interesse an möglichst vielen Lada-Verkäufen in der Bundesrepublik und West-Berlin. Das brachte Devisen, das brachte Valuta. So war sich selbst der sowjetische Botschafter in Bonn, Juli Kvizinski, nicht zu fein, bei der BRD-Präsentation des Lada Niva zugegen zu sein. Er sagte, der Geländewagen sei „ein Kollege von mir. Er ist auch – auf seine Weise – Botschafter meines Landes“.

Lada verkaufte Kia-Autos

Satra in Hamburg machte nie einen Hehl daraus, kapitalistisch geführt, aber von Moskauer Managern abhängig zu sein. Zunächst waren Amerikaner an der Spitze der deutschen Satra-Niederlassung. Mit der Umfirmierung in Deutsche Lada wurde Roland Moesgen, ein ehemaliger Daimler-Benz-Manager, deutscher Statthalter. Das Unternehmen wurde 1982 von der Moskauer Avto-Export übernommen, Moesgen wurde gefeuert, weil er nicht genügend Ladas verkaufen konnte, und von einem deutsch-sowjetischen Duo abgelöst, Nikolai Tcoumakov und Carl Dommermuth (zuvor in der Geschäftsleitung von Opel-Dello in Hamburg). 1993, als nach dem Systemzusammenbruch der UdSSR und einem kurzfristigen Zwischenhoch der Lada-Verkäufe dieselben zusammenbrachen, schaffte es Dommermuth, den Deutschland-Import von Kia ins Haus zu holen: Die Deutsche Kia war eine 100prozentige Tochter der Deutschen Lada, und bald wurden mehr Kia als Lada verkauft. Das gefiel dem russischen Unternehmen überhaupt nicht. Denn die Deutsche Lada schuldete AvtoVAZ damals 130 Millionen D-Mark für gelieferte Autos, und statt diese zu zahlen, investierte Dommermuth in den Aufbau eines Vertriebsnetzes für eine Konkurrenzmarke 40 Millionen D-Mark. AvtoVAZ steckte in der Klemme: Selbst geschwächt und am Tropf der russischen Regierung hängend, hätte AvtoVAZ die Deutsche Lada in den Konkurs treiben können. Doch dann hätte AvtoVAZ auf einen Schlag seinen Deutschland-Vertrieb verloren, und die Konkursmasse hätte wohl nur einen geringen Teil der Schulden ausgeglichen. Zwei Jahre schleppte sich die Auseinandersetzung hin, dann ging der Kia-Deutschland-Import an die Kia Motors Europe. Die Deutsche Lada dümpelte vor sich hin, 1999 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Lada wird zum Politikum

Der Geschäftsführer der neuen Importgesellschaft ist seither Dieter Trzaska, seit 1975 Lada-Händler, seit 1999 Importeur für Deutschland und Österreich, ansässig in Buxtehude bei Hamburg, zunächst abhängig vom europäischen Zentralimporteur in Zypern. Zwischenzeitlich hatte die Renault-Nissan-Allianz bei AvtoVAZ das Sagen, frisches Kapital, neue Modelle und mit Bo Andersson saß erstmals ein Nicht-Russe an der Spitze von AvtoVAZ. Die Lada Automobile GmbH Deutschland schrieb unter Trzaska schwarze Zahlen. Ende 2019 stoppte Lada den Export in europäische Länder, weil die Motoren den EU-Abgasvorschriften nicht mehr entsprechen und speziell der Niva Probleme mit dem vorgeschriebenen Fußgängerschutz hat. Das sollte aber nicht das radikale Ende sein. Der Lada Niva gilt wegen seiner eingeschränkten Produktion als Kleinserienfahrzeug und genießt somit eine spezielle Behandlung seitens der Behörden. Somit könnte der deutsche Importeur Nivas in Eigeninitiative einführen und umrüsten – was aber an der Ablehnung durch die französische Renault-Nissan-Chefetage scheiterte. Und dann kam der russisch-ukrainische Krieg Anfang 2022 und damit die komplette Ablehnung alles Russischen, Lada wurde zum Politikum. Renault verhökerte seine Anteile an AvtoVAZ für einen symbolischen Rubel an den russischen Staat (zehn Jahre zuvor hatte Renault dafür 750 Millionen US-Dollar bezahlt!). Die Halden der Lada Automobile Deutschland sind seit Frühjahr 2020 leer, kein Niva-Neuwagen ist erhältlich. Dieter Trzaska hofft auf die Zukunft. Irgendwann. Bis dahin überbrückte er die Zeit mit chinesischen Elektro-Importwagen. Aber dieses Geschäft siecht auch, seitdem die Bundesregierung die E-Auto-Prämie abschaffte. Trzaska ist Optimist. Er hofft weiterhin.

Schick gemacht für Westdeutschland

Sein Wesen ist seine Rustikalität. Ein Niva in Serienausstattung versprüht den Charme eines zähen Kolchosebauern. Doch westdeutsche Käufer wollten ihn gerne etwas schicker. Dieses Bedürfnis stillte der Importeur, vor allem in den 80er Jahren, mit zahlreichen Sondermodellen. Jedes war individuell, aber ihnen gemein war, dass sie sich optisch und in Bezug auf die Ausstattung von den immer gleichen Fließband-Nivas abhoben. Mancher Sonder-Niva trug Metalliclackierung, alle hatten fetziges Streifendekor (aufgeklebt, nicht lackiert), Vinyldächer werteten die Autos auf, manche trugen sogar Faltschiebedächer und Geländesportstahlfelgen. Einige Beispiele, rein für den deutschen Markt: Niva 5000 von 1979 mit Teppichboden, Sportlenkrad, Zusatzscheinwerfern, Vinyldach und Armlehnen. Niva 5000 C von 1980 ähnlich wie der 5000, aber zusätzlich Sportfahrwerk mit Bilstein-Stoßdämpfern, Melber-Alus mit 195/R16-Reifen. Niva 5000 CA von 1981 mit noch breiteren Felgen (ATS-Alus, 225/R15-Reifen), dazu Faltschiebedach.

Im Whitebox-Programm ist der von Ixo/Sonic gefertigte 1:24-Lada Niva schon seit Jahren, immer mal wieder in einer anderen, bunten Farbe. Schick war er noch nie. Jetzt schon. Neu am Modell ist lediglich seine Aufmachung, die Dekoration, die aus einem biederen Niva einen schnieken Niva 5000 macht: freundliche, nicht grelle Lackierung in hellem Beige, das Dach mattschwarz (im Original ein Kunstlederbezug), an den Flanken und auf der Motorhaube schwungvolle Doppelstreifen in hellerem und dunklerem Braun, die auf der Haube Platz für einen großen „Niva“-Schriftzug lassen. Ein attraktives Modell, das im Wesentlichen nur Westdeutsche kennen – und das deswegen unter den vielen Niva-Fans dieser Welt sicherlich sehr begehrt sein wird.

afs

Kaum ein Niva war freundlicher gestaltet als das westdeutsche Sondermodell Niva 5000 des Modelljahrs 1980. Whitebox hat dessen Charakteristika bestens umgesetzt.
Modellfotos: bat
Die Deutsche Lada hatte eine ganz pfiffige Werbung in den frühen Jahren, welche den Niva in seinem jeweiligen Element zeigt und seinen Nutzen stets im Verhältnis zum Preis preist: Sondermodell Niva 5000 vom September 1979.
Quelle: Archiv afs
Klischees wurden bemüht, doch auch der Klassenfeind konnte nicht umhin, zuzugestehen, das Produkt der Sowjetunion sei „erstaunlich westlich“. Der Auto Motor Sport vom 9. April 1980 entnommen.
Quelle: Archiv afs
Besonders wilde Nivas hatte der französische Importeur Poch im Programm: Blick auf seinen Stand auf dem Geländewagen-Salon in Val d’Isère 1990 vor eindrucksvollem Panorama. Der vordere Wagen trägt einen absoluten Wide-Body-Kit.
Foto: Archiv afs

Steckbrief:

Whitebox WB124224 Lada Niva 5000 1979. Fertigmodell Zinkdruckguss, Maßstab 1:24. UVP 27,95 Euro.