Anachronistische Erscheinung
Das erste Mal seit einem Vierteljahrhundert: Wiking legt wieder ein 1:40-Modell auf, den legendären Sonderbus in bunter Hippie-Verkleidung. Prinzipiell ist eine 1:40-Reedition hoch willkommen, Hippie ist auch eine nette Idee, aber die Umsetzung ist fragwürdig.
Mit „Be sure to wear some Flowers in your Hair“, mit Scott McKenzie, mit Flower Power wird der VW T1, noch mehr aber sein Nachfolger T2, in den USA in Verbindung gebracht. Ein Hippie-Mobil, so nonkonformistisch wie die Protagonisten selbst es waren. Natürlich fuhren auch bürgerliche Studenten mit VW T1 und T2 an den kalifornischen Strand. Ihre VWs waren wie aus dem Ei gepellt und trugen Surfbretter auf dem Dach („Surfin’ USA“). Die Hippie-Busse rochen eher nach Sex and Drugs, außen trugen sie die absolute, mit dem Pinsel aufgetragene Buntheit psychedelischer Wonnestunden, dazu optimistische Botschaften à la „Make Love not War“, dazu wohl bekannte Zeichen wie das CND-Symbol (Campaign for Nuclear Disarmament), 1958 vom britischen Künstler Gerald Holtom für den weltweit ersten Ostermarsch von London zum Kernwaffenforschungszentrum Aldermaston entworfen. Martin Luther King nahm das Symbol auf, so ging es um die Welt. Es wurde auch zum Symbol des Widerstands gegen den Vietnamkrieg und von den Hippies und der 68er-Bewegung genutzt. Manche fühlen sich beim Betrachten an den Mercedes-Stern erinnert. Dieses Zeichen druckte Wiking auf das Dach des Busses, das ein Faltdach darstellt, also im Original aus Planenstoff besteht. Natürlich können Hippies ein Faltdach bepinseln, aber spätestens wenn die Farbe getrocknet ist und das Faltdach in Öffnungsposition geschoben wird, blättert die Farbe ab. Eine Friedenstaube findet sich nicht auf dem Bus, dafür ein Hinweis auf das “Age of Aquarius” (Stichwort: Musical „Hair“), also das anbrechende Zeitalter des Wassermanns, und ein paar Sprüche wie „The Happiness Bus“, „Dope, Hope, Peace, Freedom“, „Good Vibes only“, „Feeling groovy“, „Make Love not War“, „Do what your Soul makes shine“. Da ist zwar mancher Spruch darunter, der an unserem Gefühl für englische Grammatik rüttelt, aber Spontisprüche sind spontan und beinhalten keine wohl überlegten Reflexionen zur Fremdsprachengrammatik. Und überhaupt ist der Bus ein europäischer und kein amerikanischer, denn er trägt keine US-Export-Bügelstoßstangen, weil das noch nie ein Wiking-1:40-VW-T1 tat.
Insofern ist der Hippie-Bus also recht nett, phantasievoll und realistisch beschriftet. Aber genau das gilt für seine Gesamtgestaltung nicht. Hippies bemalten ihre Autos mit Farbe aus der Dose und einem Pinsel, klischeehafterweise im LSD-Rausch. Dass ein Mensch sein Fahrzeug (mit oder ohne Einfluss von LSD) gestaltete wie John Lennon seinen Rolls-Royce Phantom VI und dies als Entwurf für ein Gesamtkunstwerk gesehen wurde, das anschließend von einem Profilackierer am realen Objekt umgesetzt wurde, dürfte die Ausnahme sein. Aber genau so ist das Wiking-Hippiemobil gestaltet. Schön bunt zwar, aber viel zu professionell. Wie Wiking auf genau diese Art der Gestaltung kam, ist ebenfalls fragwürdig. Das Ganze ist computergeneriert (was man von einem originalen Hippie-Bulli nun wirklich nicht behaupten kann). Man wähle bunte Schlaufen aus, gebe am Computer ein, diese mit einem Graphikprogramm zu verzerren, erstelle daraus eine Druckvorlage und gestalte einen VW Sonderbus. Die Grundfarbe der Karosserie, von der durch die bunte Bedruckung nahezu nichts zu sehen ist, ist gelb, Oberteil und Stoßstangen sind weiß, die Innenausstattung ist in Rot abgespritzt. Die beim Original rote Kunststoffeinlage in der Doppelzierleiste, die Unter- und Oberteil der Karosserie voneinander trennt, bildete Wiking nicht durch ein Druckwerk nach.
Überhaupt ist dem Wiking Sonderbus (der offiziell nicht „Samba“ hieß, sondern „VW Bus Sonderausführung“ oder kurz „VW Sonderbus“) anzusehen, dass seine Formwerkzeuge ihre besten Tage hinter sich haben. Aber sie haben eben auch schon viel erlebt! Die 1:40-Serie waren Werbemodelle für Volkswagen, eingesetzt von der Frühzeit bis Anfang der 70er Jahre. Die Werkzeuge wurden, analog zum Vorbild, immer wieder modernisiert. Den „Samba“ gab es als Wiking-Werbemodell für Volkswagen ab 1955, Formschöpfer war Alfred Kedzierski, und die Werkzeuge wurden mehrfach modifiziert, um das jeweils aktuelle Modell wiederzugeben. Zunächst war das Oberteil abnehmbar, das Faltdach war ein extra eingesetztes Bauteil, das Modell hatte kein separates Chassis und formintegrierte Stoßstangen, eine Verglasung gab es nicht und das VW-Logo vorne war ein Druckwerk. 1961 erhielt der Sonderbus eine Verglasung und ein verklebtes Oberteil, das Faltdach wurde Bestandteil desselben, das VW-Logo war geprägt, das Modell erhielt Vorderblinker, größere Rückleuchten und separat eingesetzte Stoßstangen. Die letzte Formüberarbeitung bescherte ihm ein gesondertes Chassis, und dergestalt wurde der T1b Sonderbus an Volkswagen auch zu Zeiten geliefert, als es im Original längst einen T1c gab, den Wiking nicht miniaturisierte.
Diese letzte Version von 1961 ist es also, die Wiking bis 1967 an Volkswagen lieferte und weiterhin im Formenfundus hat. Ab Herbst 1994 gab es eine Phase, in welcher Wiking Wiederauflagen der letzten 1:40-Modelle auf den Markt brachte (beginnend mit dem Karmann Ghia), sie dauerte bis Herbst 1998, es gab sogar ein paar Werbemodelle für externe Auftraggeber. Seither sind die Formwerkzeuge der Wiking-1:40-Modelle wieder in den Dornröschenschlaf verfallen. Nun erschien, ziemlich überraschend, der Hippie-Sonderbus. Ob er ein Unikat bleibt? Oder ob Wiking erneut seinen großen Modellen ein Revival gönnt? Die 1:40-Sammler sind gespannt.
afs
Steckbrief:
Wiking 0765 02 Volkswagen T1b Sonderbus ’Hippie’ 1961. Fertigmodell Kunststoff, Maßstab 1:40. UVP 31,99 Euro.