Neuer Höhepunkt der Replikateritis
Jetzt auch Corgi Toys: Hornby Hobbies macht Replikate antiquarischer Corgi-Toys-Spielzeugautos im großen Stil. Der geneigte Käufer muss Mitglied im Corgi Model Club sein, der Eigenständigkeit und privaten Charakter suggeriert, aber zu Hornby Hobbies gehört. So versäumt er kein Modell und wähnt sich in einer großen Gemeinschaft gleich Gesinnter.
Der Atlas-Verlag setzte mit Dinky-Toys-Replikaten einen Trend, überflutete den Sammlermarkt mit Nachahmungen, verdiente viel Geld damit und ging trotzdem Pleite. Einige eiferten ihm nach. Norev kaufte die Rechte an verflossenen Spielzeugautomarken (CIJ, Spot-On) und schuf mit überschaubarem Erfolg Replikate. Solido versuchte zwischen 2019 und 2021, die alten Serie-100-Modelle wiederzubeleben, kreierte dazu den Solido-Club und begrub die Idee wegen Erfolglosigkeit in aller Stille. Ixo machte für den Verlag Hachette Mercury-Modelle im 50er-Jahre-Stil, die sich als Abonnement in Italien recht gut verkauften. Manch andere derartige Unterfangen scheiterten schon nach wenigen Modellen. Corgi Toys hielt sich aus dieser Replikateritis bislang heraus. Aber jetzt gibt Corgis Mutterkonzern Hornby Hobbies Vollgas und haut ein Replikat nach dem anderen heraus – die schönsten und begehrenswertesten 60er-Jahre-Corgis, die Corgis aus der besten Zeit, im Vier-Wochen-Rhythmus. Man bekommt sie durch Mitgliedschaft im Corgi Model Club und muss gesalzene Preise dafür zahlen. Wir haben uns durchgerungen, einen Emm-Tschie zu kaufen, obgleich wir erklärte und bekennende Replikate-Hasser sind. Aber man kann bekanntlich nur ablehnen, was man kennt.
Profi-Marketing appelliert an die Gefühle
Hornby Hobbies, der Mutterkonzern von Corgi und Vanguards, kaufte den Corgi Model Club (CMC) vom bisherigen Eigentümer Blue 14, einem Start-up-Gründer in Großbritannien, dessen Eigentümer Jim Lewcock ist. Er betriebt ein richtig gehendes Investment-Syndikat, zunächst unter dem Namen The Specialist Works, heute unter Blue 14, machte Start-ups groß und verkauft sie dann. Der Corgi Model Club war ein solches Start-up im Rahmen von Lewcocks Geschäftsmodell, und Hornby Hobbies hat es sich, wie von Lewcock erwünscht, einverleibt und betreibt den Club nun selber. Und zwar logischerweise mit nur einer Absicht: damit Geld zu verdienen. Denn Hornby Hobbies ist ein Konzern im marktwirtschaftlichen Spannungsfeld und nicht Mutter Teresa, die Spielzeugautosammlern Freude und Zeitvertreib schenken möchte.
Natürlich wird auf der Club-Webseite sehr viel davon gesprochen, dass „wir“ (wobei nie klar ist, wer „wir“ ist) Spielzeugautosammler seien, Miniaturauto-Fans, Corgi-Enthusiasten und dass die alleinige Absicht sei, den Mitgliedern eine Plattform zu bieten, ihre Liebhaberei auszuleben und sich mithilfe der neuen alten Corgi-Toys-Modelle wieder so richtig schön in die verklärte Kinderzeit zurückzuversetzen. Das wird unterstützt von einer Clubzeitschrift im alten Stil (natürlich nicht auf Papier, sondern digital), einem Forum zum Austausch (das von einem Hornby-Mitarbeiter geleitet und moderiert werden muss, dem man diesen Job aufs Auge drückte und der den Oberfan geben muss).
Letztlich läuft alles darauf hinaus, und das war erwartbar: Werden Sie Mitglied, profitieren Sie von diesem und jenem, das erste Stück ist gratis, das zweite billig, das dritte nähert sich dem Endpreis an und ab dem vierten zahlen Sie den vollen Preis. Das ist keinen Deut anders als die Abonnements des verblichenen Atlas-Verlages aus Lausanne oder eines jeden anderen Verlages – nur mit dem Unterschied, dass man bei Modellautos, die über Verlagsabos vermarktet werden, nur die Begleitzeitschrift bezahlt und das Miniaturauto offiziell gratis bekommt. Das hat nämlich den Riesenvorteil, dass dann (in Deutschland) nur 7 Prozent Mehrwertsteuer anfallen (für die Zeitschrift) statt 19 Prozent (für das Miniaturauto). Der Corgi Model Club bietet neben Miniaturautos so manches mehr, was das Sammlerherz vermeintlich hüpfen lässt, beispielsweise T-Shirts mit Corgi-Motiven („full of surprise and delight“, „cool“, „iconic“) für 29,95 Euro oder allerlei Devotionalien (nachgedruckter Corgi-Katalog von 1969 für 11,95 Euro, von 1965 für 10,95 Euro („authentic“), ein Ansteckpin mit dem Corgi-Hund darauf („wear it with pride“) für 8,95 Euro et cetera. Und stets wird in den höchsten Tönen gepriesen, dass alles lizenziert sei (logisch, wenn der Club Bestandteil von Hornby Hobbies ist!) und deshalb authentisch. Die Mitgliedschaft macht alles möglich.
Gesalzene Preise erinnern an den Terminus der Kaufkraftabschöpfung
Diese Corgi-Aktivitäten wären nicht sonderlich berichtenswert, weil das Vorgehen ziemlich normal und alles andere als neu ist. Mit schriller Verkaufspsychologie meint Hornby, die Sammler für die neue Produktlinie der Replikate begeistern zu können. Aus unserer Sicht ist der Auftritt tatsächlich zu schrill und laut, aber vielleicht ticken die Briten diesbezüglich anders. Was aber tatsächlich ziemlich dreist ist, sind die Verkaufspreise der Corgi-Replikate – im Vergleich mit anderen, vergleichbaren Produkten. Der Corgi Club verlangt zwischen 42,95 Euro für „normale“ Corgi-Replikate und 47,95 für aufwendigere Modelle à la James-Bond-Aston-Martin, Batmobile oder Citroën ID19 Break mit Ski. Wenige, sehr einfache Miniaturen kosten 40,95 Euro (jene Modelle, an denen nichts aufgeht). Das ist ziemlich genau der doppelte Preis, den die anderen verlangten. Die anderen: Das ist beispielsweise der ehemalige Atlas-Verlag, der in kaum anderer Aufmachung als Hornby die alten Dinky-Modelle wieder aufleben ließ (Atlas musste sogar eine Lizenzgebühr an Mattel zahlen, denen der Name „Dinky Toys“ heute gehört) oder die neue Firma Solido im Schoße von Z-Models, die zwischen 2019 und 2021 versuchte, Replikate der alten „Serie-100“-Solidos in großem Stile zu verbreiten (was gründlich misslang, weil der Solido-Club nicht genügend Mitglieder und somit Modell-Abnehmer fand). Die Atlas-Dinkys sind Geschichte. Produziert wurden sie von Norev. Norev bringt heute noch ab und zu ein Modell aus dieser Serie, vermarktet es aus namensrechtlichen Gründen aber als „CIJ“ – all diese Miniaturen kosteten zwischen 20 und 25 Euro (wenn es sich um PKWs handelte). Und nun kommt Corgi um die Ecke und verlangt das Doppelte für genau die gleiche Machart und Qualität. Dazu muss man allerdings wissen, dass Modellautos generell in Großbritannien wesentlich teurer sind als auf dem Kontinent – was natürlich auch mit dem Brexit und Zöllen und der isolierten Währung des Britischen Pfundes zu tun hat. Der britische Sammler ist sowohl bei Neuware als auch bei antiquarischen Spielzeugautos ein höheres Preisniveau gewöhnt als beispielsweise der deutsche. Und er akzeptiert es auch.
Niederträchtig wird die Sache natürlich dann, wenn findige Verkäufer versuchen, Replikate als Originale anzubieten. Nicht jeder potenzielle Käufer ist Fachmann, Fachfrau oder divers vom Fach. Wer die Waren in Händen hält, erkennt das Replikat. Aber im Netz, auch auf Ebay, kann durch geschickte Formulierung und durch kluge Positionierung von Modell und Box beim Fotografieren durchaus der Eindruck vermittelt werden, ein Replikat sei ein Original. Und in der Hitze des Gefechts bei schummriger Börsenbeleuchtung mag auch der ein oder andere beim Kauf hereinfallen. So oder so – es ist wichtig, dass der ernsthafte Sammler antiquarischer Modelle zumindest weiß und im Hinterkopf behält: Es existieren nun auch in großer Zahl Corgi-Replikate und sie werden allenthalben auf dem Markt angeboten.
Ein Replikat. Aber als solches erkennbar
Wir selbst lehnen Replikate ab. Wir sammeln nur Originale. Als reinen Caramini-online-Service überwanden wir unsere Abscheu und erwarben einen MG B GT, um ihn zeigen zu können, um diese Zeilen illustrieren zu können. Er stammt aus völlig neuen Formwerkzeugen, denn die ursprünglichen existieren nicht mehr (zumal Corgi Toys seinerzeit das Werkzeug umbaute, als aus dem MG B ein MG C wurde). Eine formal hervorragende Nachbildung des Original-Spielzeugs, die Machart chinesisch und nicht walisisch, Silberungen als Druckwerke statt schabloniert lackiert, die Lackierung viel glänzender und stabiler als früher, und die Bodenplatte weist das Modell eindeutig als „made in China“ aus. Aber die Lackierung und die Farbe der Innenausstattung zielt eindeutig darauf ab, das Original zu imitieren. Es soll sich so wenig wie möglich unterscheiden. Die Box nimmt ebenfalls die Dimensionen, die Illustration, die Farben und die Machart des Originals auf.
Ein Fachmann kann eine Originalbox auf den ersten Blick von einer derartigen Reprobox unterscheiden (anderes Material, andere Haptik, riecht anders, die Oberfläche rauer, die unbedruckte Kartoninnenseite in anderer Farbe…). Der Fachmann sieht auch dem Modell sofort an, dass es ein Replikat ist. Aber an den Fachmann, den ernsthaften Sammler antiquarischer Spielzeugautos, wendet sich der Corgi Model Club nicht (so wenig wie sich der Atlas-Verlag mit seiner Dinky-Neuauflage an ihn wandte, aber dieses Thema nahm eine gewisse Eigendynamik an). Der Club zielt auf Menschen, die dem Eskapismus frönen, die sich in ihre Kinderzeit zurückflüchten und die tatsächlich das Märchen glauben, dass Replikate im Wert steigen würden. Es gehört schon eine gehörige Portion Naivität dazu, Retro-Spielzeug respektive Replikat-Spielzeug teuer zu kaufen. Es sind die Adepten der „neuen Nostalgie“, die dies lieben. Die neue Nostalgie orientiert sich an den im Gehirn gespeicherten Daten der Vergangenheit: Geburtstagserinnerungen, Foto-Rückblicke, eben Retro-Filter. Es wird nur das Gestern aufgewärmt und neu vermarktet. Das Ergebnis ist die Wiederkehr des Immergleichen, eine Gegenwart, die wie Vergangenheit aussieht. Das bedeutet natürlich auch eine Zukunft, die keine ist, sondern ein Leben im permanenten Replay-Modus.
…oder lieber doch ein Original?
Wer das mag, möge auf www.corgimodelclub.com stöbern. Man kann auch auf Ebay stöbern oder eine Börse besuchen. Dort wird man feststellen, dass ein Original-Corgi in sammelwürdigem Zustand (je nach Modell) gerade mal das Doppelte eines Replikats kostet – aber das Vielfache an Charme und Authentizität bietet.
Folgende 46 Corgi-Toys-Modelle vorwiegend aus den 60er Jahren sind bereits als Replikate lieferbar; dazu gibt es besondere Modelle, die man als Eintrittsgeschenk in den Club bekommt oder nach einiger Zeit der Mitgliedschaft als kostenlosen Anreiz, doch Mitglied zu bleiben (beispielsweise das Batmobile in mattem statt glänzendem Schwarz, das als etwas ganz Besonderes angepriesen wird).
James-Bond-Aston-Martin DB5 in Gold, Batmobile, Chevrolet Impala 1959 als Police Car, Taxi und Fire Chief Car, Mini Cooper RAC-Rallye und Monte-Carlo-Sieger 1967, Oldsmobile Toronado 1966, Citroën ID19 Break “Corgi Ski Club”, Ford Anglia Eisverkaufswagen mit Figuren sowie mit eingebauter Spieluhr, Hillman Hunter Rallye London-Sydney 1969 mit Känguru, Chrysler Imperial Convertible 1965 mit Golf-Caddy, Rover 2000 TC P6 1971 mit auswechselbaren Rädern (“Golden Jacks”), Austin A60 Cambridge Fahrschule (lenkbar), VW T1b Pritschenwagen als Abschlepper, MG A 1955, Austin Mini Cooper S Mk II Magnifique 1968 (mit funktionierendem Schiebedach), Mercedes 600 Pullman mit funktionierenden Scheibenwischern, Lotus Elan S2, Oldsmobile Super 88 als Sheriff Car und als US-Army-Staff-Car, Sudebaker Golden Hawk, Ford Thames Airborne Caravan (Wohnmobil), VW 1200 Käfer 1961 Polizeiauto Deutschland (lenkbar) und Rallye East African Safari (lenkbar, mit Rhinozeros), Volvo P1800 „The Saint“, Marcos 1800 GT, MG B GT, Buick Riviera 1963, Ford Zephyr Mk II Estate Car 1957 englische Autobahnpolizei, Chevrolet Corvette C2 „customized“ 1963, Land Rover 109 Pickup Series II Lautsprecherfahrzeug („Vote for Corgi“) und Abschleppwagen, Citroën DS19 Rallye Monte Carlo 1969, Cadillac Ambulance (Superior) 1960, Austin Mini Countryman 1960 mit Surfbrettern, Triumph Herald Coupé, Mercedes 300 SL Roadster W198/II, Jaguar E-Type 2+2 Series I 1966, Lotus-Climax Formel-1-Rennwagen, Ford Thunderbird 1959, Porsche Carrera 6, DeTomaso Mangusta mit separatem Chassis, Ford Mustang Fastback 1965 und Bentley S2 Continental two door Sports Saloon (Mulliner) 1961 mit Achsschenkellenkung (Stand Januar 2025). Angekündigt sind VW 1200 Polizei in niederländischer Version, das Batboat auf Trailer, der Mini Magnifique in Grün (also schon die erste Farbvariante!), der James-Bond-Aston in Silber (das dürfte das maßstäblich größere Modell sein), Ford Thunderbird Bermuda Taxi, Chevrolet Impala 1959 zivil und, wie könnte es anders sein, als erster Lastwagen der Commer TS3 Ecurie Ecosse Renntransporter von 1960.
Hornby Hobbies lässt auf seiner Webseite Kunden frohlocken, und die haben kurioserweise alle Namen, von denen sogar wir als Ausländer merken: so altmodisch englisch kann eigentlich gar nicht die Mehrheit der Clubmitglieder heißen. Ein Roger Bond (der überhaupt nicht an Roger Moore als James Bond erinnert, nein, gar nicht…) wird beispielsweise zitiert mit den schönen Worten: „It’s like having Christmas every Month!“. Man muss konstatieren: Diese Webseite hat durch ihren maßlos übertriebenen Jubelcharakter einen gehörigen Unterhaltungswert und alleine schon deshalb lohnt sich ein Besuch.
So weit wir es verstanden haben, ist die Clubmitgliedschaft ohnehin auf Großbritannien mit Nordirland und Republik Irland beschränkt. Zumindest finden wir auf der Webseite keine Hinweise auf kontinentale Mitgliedschaft. Teilweise schaffen es kontinentale Händler, diese Modelle zu vertreiben, obgleich die Club-Homepage verspricht: „Not available in any Shops“. Wer ein Einzelstück unbedingt möchte, ist beim Händler womöglich besser bedient als mit einer Clubmitgliedschaft. Wir selbst haben jedenfalls nicht vor, uns von diesen Corgi-Replikaten nochmals belästigen zu lassen. Aber wir können leicht reden – schließlich haben wir diese Modelle alle als zeitgenössische Originale. Da stellt sich die Frage nach Replikaten ohnehin nicht. Und der Emm-Tschie dient uns ein Beleg dafür, dass es so etwas eben auch gibt.
afs

Modellfotos: bat


