Außen Evolution, innen Revolution
Der letzte Echte? Weil er fast so aussieht, wie das G-Modell? Oder der erste Neue, weil er technisch die Moderne einleitet? Nur fünf Jahre lang war die Generation 964 des Porsche 911 am Start. Maxichamps setzt ihr ein Denkmal, wie üblich in zwei Farben.
Es gibt wohl keinen Porsche-Designer, den man nicht kennt. Schon gar keinen, der eine Elfer-Generation zeichnete. Aber es gibt welche, die bekannter sind als andere. Zu den weniger Bekannten dürfte wohl Benjamin Dimson zählen, unter Chefdesigner Anatole Lapine der Stilist des Porsche 911 Typ 964, des Nachfolgers des G-Modells. Zunächst gewann er den Porsche-internen Wettbewerb um die Evolution des 928, den 928 S4. Unter der ehrenvollen Förderung Lapines entwarf Dimson das Exterieur des 959 und des 944 Turbo. Und dann den neuen Elfer, den Typ 964. Ein großartiger Job, aber auch ein elender Spagat. Denn Dimson musste sich der Ikone evolutionär nähern und damit gegen die heißesten und aktuellsten Designtrends der Mitbewerber bestehen. Es gelang ihm, er meisterte die Herausforderung, er modifizierte das automobile Heiligtum, ohne es vom Sockel zu stürzen und ohne, von den fanatischen Elfer-Afficionados gegrillt zu werden – wenngleich diese natürlich nicht müde wurden, Dimsons neue Stoßfänger zu kritisieren. Der Typ 964 ist der letzte Elfer, der Elfer pur ist.
Optisch war der 964er auf den ersten Blick erneut ein Facelift, wie 16 Jahre zuvor das G-Modell, und zwar vorne und hinten. Das täuschte: 87 Prozent der Teile waren neu. Also ein neues Auto, ein anderer Elfer, eine neue Generation. Es blieb bei der gut etablierten Verkaufsbezeichnung „Porsche 911“, intern hieß er „Porsche 964“ und wurde von Herbst 1988 bis Herbst 1993 gebaut. Fünf Jahre sind keine lange Zeit für eine Elfer-Generation. Doch durch den 964 wurde der Heckmotor-Porsche so richtig modern, dieser Generationenwechsel war der größte Modernitätsschub, den Porsche dem Elfer seit seiner Geburt angedeihen ließ. Denn letztlich blieben nur die Silhouette und das Layout gleich, natürlich auch der Spirit, den der Porsche 911 ausstrahlte. Aber die Technik war nahezu komplett neu, vor allem das Fahrwerk. Überspitzt ausgedrückt: Erst der 964 emanzipierte den Porsche 911 völlig vom Volkswagen Käfer. Also außen Evolution, innen Revolution.
Mit dem Allradler ging’s los in Sachen 964
Die wesentlich verbesserte Aerodynamik rührte von umfangreichen Karosseriemodifikationen her: Bug- und Heckschürze weich geformt und aus Kunststoff bestehend, ebenso Schwellerverkleidungen und neu geformte Regenrinnen an der A-Säule, dazu der völlig glattflächig verkleidete Unterboden. Eine kleine Sensation war der ab Tempo 80 automatisch ausfahrbare Heckspoiler. Der glatte Unterboden entstand, weil der Porsche 911 ein komplett neues Fahrwerk bekam und mit Allradantrieb ausgestattet wurde.
Antrieb ist ein völlig neu konstruierter Sechszylinder-Boxermotor mit Doppelzündung (also zwei Zündkerzen pro Brennraum), nach wie vor luftgekühlt, mit 250 PS aus genau 3600 cm³. Ebenfalls neu war die Abgasanlage, nunmehr ein Einzelendrohr rechts. Dazu kommt ein vollkommen neues Leichtmetall-Fahrwerk: Vorne nun MacPherson-Federbeine und Schraubenfedern (keine Drehstabfederung mehr), negativer Lenkrollradius, hinten ebenfalls Schraubenfedern. Das war eine radikale Abkehr vom Porsche-Prinzip, denn Ferdinand Porsche war ein absoluter Verfechter der Drehstabfederung, er war der Erfinder des Prinzips. Zum neuen Fahrwerk gehörte, damals zwar nicht mehr progressiv, aber immerhin modern, ein Antiblockiersystem. Und dann gibt es auch noch eine Servolenkung.
Die ersten Porsche 911 Typ 964 des Modelljahrs 1989 waren ausschließlich allradgetriebene Carrera 4 als Coupé. Die anderen Elfer-Typen dieses Jahrgangs waren noch Vertreter der vorigen Generation, also des G-Modells. Es starb zum Modelljahr 1990, der 964 wurde zur kompletten Modellfamilie: drei Karosserieformen, Coupé, Targa und Cabriolet, als allradgetriebenen Carrera 4 und als heckgetriebenen Carrera 2, die Maxichamps-Neuheit als Coupé; Turbo und Targa sind bereits erschienen. Die ovalen Cup-Spiegel erbte der Carrera zum Modelljahr 1992, ebenso die Cup-Alus. Beides finden wir am Maxichamps-Modell, weswegen es Baujahr 1992 ist und nicht, wie auf der Box angegeben, 1989.
Wegen des Nachfolgers wurde der Vorgänger geliebt
Start der Generation 964 war mit dem Carrera 4 im Januar 1989. Er und der Carrera 2 als Coupé wurden bis Juli 1993 hergestellt. Die weiteren Modelle liefen bis Januar 1994 vom Band. Dann begann eine neue Ära, denn zum ersten Mal in seiner Geschichte wurde der Porsche 911 optisch grundlegend verändert (Design Harm Lagaay). Auch wenn die Stoßstangen des 964 nicht jedermanns Geschmack waren und Elfer-Puristen sie als zu klobig verpönten, so versöhnte der Lagaay-Elfer mit dem 964. Plötzlich mochten ihn die 911-Afficionados, weil sie in ihm den letzten „echten“ Elfer sahen, den letzten, dessen Karosseriegrundzüge auf den Ur-Elfer zurück gehen. Deshalb und auch wegen der nur kurzen Bauzeit ist der Porsche 964 ein beliebter Klassiker. Und er ist modern genug, sich auch heute wie ein modernes Auto zu fahren. Eigentlich ein idealer Elfer.
afs


Modellfotos: bat

Foto: Archiv Porsche
Steckbrief:
Maxichamps 962920 Porsche 911 (Typ 964) Carrera 2 Coupé 1992 gelb und 062921 dito dunkeltürkismetallic. Fertigmodelle Zinkdruckguss, Maßstab 1:43. UVP je 37,95 Euro.