Geht nicht gibt’s nicht
Freundlicher Empfang im Headquarter des Miniaturwunderlandes in Hamburg. Jens Körner ist hier seit mehr als zwanzig Jahren in Sachen Modellbau unterwegs und inzwischen quasi der Fuhrparkleiter für alles, was auf den Straßen dieser großen Welt im Kleinen steht, fährt, blinkt und bei Bedarf auch Geschichten erzählt, die in aller Regel zum Schmunzeln anregen. Caramini-online lädt sich ein ins Hamburger Miniaturwunderland.

Was sich vor nahezu 25 Jahren, im August 2001, auf den Weg machte, einmal die größte Modelleisenbahnanlage der Welt zu werden, ist mittlerweile viel mehr als das. Es ist die Abbildung der ganzen Welt. Alles, was die Natur auf den Kontinenten der Erde an Spektakulärem zu bieten hat und was die Menschheit an positiver Energie in Technologie, Kultur und Wissenschaft eingesetzt hat, um daraus die uns bekannte Welt zu machen, ist hier auf 1700 qm eindrucksvoll zu erleben. Unter den rund 400 Mitarbeitern, die der laufende Betrieb benötigt, finden sich 80 Modellbauer mit unterschiedlichen Ausgangsberufen, deren gemeinsame Hauptqualifikationen aus Enthusiasmus, Ideenreichtum, endloser Geduld und nimmermüdem modellbauerischem Geschick bestehen müssen. Denn sonst wäre das Erreichen der Ziele nicht möglich, die von den Gründern, dem Zwillingsbrüderpaar Frederik und Gerrit Braun, immer wieder aufs Neue ausgegeben werden.
Was wie ein Spielzeug daher kommt, ist in Wirklichkeit ein richtiges Unternehmen. Wie bei jedem professionellen Unternehmen dieser Größe, teilt sich auch im Miniaturwunderland das Arbeitspensum in verschiedene Bereiche auf. Der für uns interessante Bereich Modellbau enthält neben dem Kulissenbau, grob gesagt, die Bereiche Architektur und Städtebau, die Eisenbahn, den Schiffs- und Flugzeugmodellbau und nicht zuletzt den Straßenverkehr, womit wir beim Hauptinteresse der Modellautosammler angekommen sind.
Ein beständiger Kampf um Aktualität
Wie in der großen, so gibt es auch in der Welt der kleinen Automobile interessante Entwicklungen, die eine nähere Betrachtung wert sind. Weil große Teile der Anlage inzwischen schon seit vielen Jahren bestehen und mit großem Aufwand gepflegt werden, ist ihr Alterungsprozess oft weniger an Zustand und Verschleiß festzumachen als an der zeitlichen Einordnung der Ausstellungsstücke. Während Gebäude auch im Original einfach weiter altern und durch eine gewisse Patina an Realitätsnähe eher dazu gewinnen, lassen die große Anzahl von Autos vergangener Epochen den Schluss zu, es handele sich nicht unbedingt um eine Darstellung der heutigen Aktualität. So macht das Alter der verwendeten Modellautos im Maßstab 1:87 im Laufe der Jahre aus dem schlichten alltäglichen Parkdeck eines Großflughafens irgendwann ein scheinbares Oldtimermeeting. Also einfach hin und wieder alles gegen neue Typen tauschen, mag sich der Betrachter denken: Die Hersteller versorgen das Miniaturwunderland dabei sicher großzügig mit aktuellem Nachschub.
Doch genau hier gibt es ein nicht unerhebliches Problem. Seit geraumer Zeit haben die Automobilhersteller ihre Aktivitäten im Bereich der Miniaturen auf die Maßstäbe 1:43 und 1:18 konzentriert und vernachlässigen den traditionellen Modellbaumaßstab 1:87. Industrieaufträge seitens der Großserienherstellern gehen bei Herpa, Rietze, Wiking & Co. schlichtweg nicht mehr ein. Lediglich vereinzelt werden neue Typen realisiert, was aber für einen flächendeckende Aktualisierung nicht reicht. Außerdem fehlen aktuelle Newcomer aus der Elektroautoszene nahezu völlig, zumal, wenn sie aus dem asiatischen Raum kommen. Die beiden Chefs des Miniaturwunderlandes sind aber für ihre Technologieoffenheit bekannt und begeistern sich zum Beispiel für Modelle wie den Hyundai Sonic 2, den sie in natura auch selber gern fahren. Wenig überraschend, dass sie sich diesen auch für ihre eigene Welt im kleinen Maßstab wünschen. Auch Fahrzeuge von Kia und Polestar, dem sehr designaffinen Volvo-Ableger von Geely aus China, stehen auf dem Wunschzettel.
Wer die ganze Welt im Modell zu bauen versteht, wird an kleinen Modellautos nicht scheitern. Hier schlägt die Stunde von Jens Körner und seinem kleinen, im wesentlichen aus zwei weiteren Personen bestehenden Team. Körner selbst erstellt in 3D CAD die Oberflächen der auserkorenen Fahrzeugtypen. Dies geschieht, wenn vorhanden, unter Zuhilfenahme von frei verfügbaren 3D-Daten, die am Rechner mit den von ihm neu erstellten Daten abgeglichen werden. Ansonsten wird mit Bildmaterial und Maßskizzen gearbeitet, die im ständigen Bewertungsprozess und mit großem Einfühlungsvermögen dem Original möglichst nahe kommen. Das ist letztlich wieder die ganz alte Methode und Kunstfertigkeit, mit denen schon die legendären Entwickler der traditionellen Modellautohersteller unsere geliebten Klassiker Wirklichkeit werden ließen. Im Gespräch mit Jens Körner wird schnell klar, da ist einer, der weiß, wovon er spricht und was er tut. Beeindruckend ist, wie spielerisch hier High Tech und klassischer Modellbau gleichzeitig eingesetzt werden.
Lizenzfrei für den Eigenbedarf
Neue Fertigungstechniken kommen den Anforderungen spezieller Modellwünsche entgegen. Während die Außenform festgelegt und für das 3D-Drucken vorbereitet wird, entsteht das Chassis, wobei es meistens zwei verschiedene Ausführungen gibt. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen durch den Einsatz einer Beleuchtung, die im Einzelfall sogar die Darstellung von Blinkleuchten in den Außenspiegeln umfasst. Dies wird durch immer filigranere LEDs und Lichtleiter ermöglicht. Die LED-Technik ermöglicht ja auch bei den echten Autos immer eigenwilligere Beleuchtungskonzepte. Diese markanten Lichtsignaturen erleichtern dann das Identifizieren der kleinen Modelle auch auf größere Entfernung.
Neben Druckern im eigenen Hause werden Druckaufträge auch an Partnerunternehmen vergeben, sodass man eigentlich von neuen Modellautoherstellern sprechen und sich fragen könnte, warum die aufwendig entwickelten Modelle nicht auch die Vitrinen der nach Neuigkeiten lechzenden Sammlerwelt bevölkern könnten. Aber der Sammler geht leer aus und muss sich auf sehnsüchtiges Betrachten beschränken. Denn hier stehen neben dem hohen Fertigungsaufwand vor allem lizenzrechtliche Themen dagegen. Für den Eigenbedarf gefertigte Modelle bedürfen keiner Zahlung von Lizenzen. Zudem macht der Verzicht auf die Anfertigung von teuren Werkzeugen für eine serielle Fertigung das einzelne Modell billiger für die Wunderweltler. Dafür gönnen sie sich aus lauter Spaß an der Sache den Luxus, alle Farbvarianten des Originals auch im Modell zu realisieren. Ein Modell kostet so inklusive Lackierung und händischer Montage durchaus hohe zweistellige Eurobeträge und wenn dann noch was leuchten soll, gleich noch mal 20 bis 30 Euros mehr.
Der Erneuerungsprozess des Fuhrparks ist eine stete Aufgabe mit behutsamem Wachstum. Die Intention der Modellbauer ist eine langsame Durchdringung des Fuhrparks mit aktuellen Autotypen, die beim Besucher des Miniaturwunderlandes helfen, die betrachteten Szenerien im Hier und Heute zu verorten. Das gelingt schon mit relativ wenigen Exemplaren, und so ist der Wandel ein fließender Prozess. Die Fertigung wird vom eingespielten Team in das übrige Tagesgeschäft integriert und es dauert einfach seine Zeit. Wer die Gelegenheit hat, bei einer Hamburg-Reise das Miniaturwunderland zu besuchen, kann sicher sein, die ökologisch günstigste aller Weltreisen zu machen. Wer die vielen dahinter tätigen Spezialisten und Enthusiasten bei der Arbeit beobachtet, der wird feststellen, dass der Maßstab der Arbeitsergebnisse zwar klein, der Aufwand aber riesig ist. Die hier beschriebene Autoabteilung ist ja nur ein kleiner Teil davon.
Welche Modelle kommen noch? Eine nahe liegende Frage. Jens Körner gewährt Caramini-online einen kleinen Einblick in die nahe Zukunft. Aber es ist im Kleinen wie im Großen: Vertrauen ist gut, aber die Bitte um Verschwiegenheit beantworten wir mit groß geschriebenem JA. Im Miniaturwunderland herrscht dieselbe Professionalität wie bei den 1:87-Herstellern (und den 1:1-Fahrzeugbauern), die ihre Neuheiten auch nicht hinausposaunen. Dem Miniaturwunderland geht es weniger um Konkurrenzdenken (denn es gibt ein solches nicht). Ein anderer Aspekt ist Jens Körner wichtig: Die Neugierde soll den interessierten Besucher immer wieder aufs Neue in die sich ständig wandelnde Miniaturwelt locken. Seien Sie versichert, es lohnt sich! Für den sympathischen und offenen Empfang bedanken wir uns noch einmal sehr herzlich!
mh

Fotos: mh










Steckbrief:
Hier gibt es, anders als sonst, nichts zu vermelden. Keine Bestellnummern, keine Preise. Wer sich den Modellen nähern will, ist auf einen Besuch angewiesen. Alle hierfür hilfreichen Informationen finden sich unter http://www.miniatur-wunderland.de