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Sammeln: Marcello Gandinis Schöpfungen als zeitgenössische 1:43-Modelle

Der Vater des Miura ist tot – Ein Nachruf auf Marcello Gandini

Er ist Mister Miura. Er ließ die Jungs in den 60ern träumen von einem wilden, aufgeregten, einmaligen, unnachahmlichen Design eines ebensolchen Traumwagens. Als gerade mal 25jähriger zeichnete Marcello Gandini, damals bei Bertone, den Lamborghini Miura. Nun starb er im Alter von 85 Jahren.

Am 13.März 2024 ist Marcello Gandini in seinem Heimatort Rivoli am Rande Turins verstorben. Er lebte seit Jahren zurückgezogen auf einem großzügigen Landsitz, in dem er bis zuletzt sein Büro für Industrial Design betrieb und sich vorrangig mit der Optimierung der Konstruktion und Fertigung von Automobilen befasste.

Diese eher technische als ästhetische Aufgabenstellung stand auch am Anfang seiner beruflichen Interessensentwicklung, die ihn schon im Alter von sechzehn Jahren von der eher schöngeistigen Familientradition weg und hin zur Beschäftigung mit Fragen der Automobiltechnik führte.

Sein Wunsch, beim Karosseriebauer Bertone eine Anstellung zu finden, ging zunächst nicht in Erfüllung – auch weil sein Kollege Giorgetto Giugiaro dort den Posten des Chefdesigners für weitere drei Jahre inne hatte und wahrscheinlich kein Interesse an einer starken internen Konkurrenz hatte. Betrachtet man heute die Lebenswerke dieser beiden gleichzeitig aktiven Ausnahmedesigner, kann man sich ein Zusammenarbeiten auch fast nicht vorstellen.

Nach Giugiaros Weggang 1965 war dann der Weg für Gandini frei und er blieb sechzehn Jahre in führender Position bei Bertone. In dieser Zeit schuf er eine große Zahl von Ikonen italienischen Autodesigns, beginnend mit dem Lamborghini Miura, einem Projekt, das noch unter Giugiaro begonnen worden war. Es folgten etliche stilbildende Entwürfe wie die Alfa Romeo Montreal und Carabo, der Lancia Stratos als Studie und Serienfahrzeug, Lamborghinis Marzal, Espada, Countach und Urraco sowie, als einziger nicht von Pininfarina gezeichneter Ferrari seiner Zeit, das Mittelmotorcoupé 308 GT 4. Ein jeder zählt zu den berühmtesten Autodesigns aller Zeiten. Während seiner Jahre bei Bertone erarbeitete sich Marcello Gandini den Ruf, ein Ausnahmetalent zu sein. Seine Schöpfungen bedienten nicht den Massengeschmack (das war eher Giugiaros Domäne), sondern ließen die Massen träumen vom Unerreichbaren.

Nach seinem Weggang von Bertone, das er unter anderem wegen der  immer größer werdenden bürokratischen Strukturen verließ, arbeitete Gandini als Freelancer weiterhin erfolgreich für Automobilfirmen in aller Welt, darunter Renault, Maserati, Lamborghini, Bugatti und Cizeta. Sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit wenige Wochen vor seinem Tod war die Entgegennahme der Ehrendoktorwürde des Instituts Politecnico in Turin für sein Lebenswerk und die Verdienste um die Forschung und Innovation im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Automobilen, die mit vielen Patenten gekrönt war.

Mit Marcello Gandini verlässt ein weiterer wichtiger Protagonist der italienischen Automobilkunst die Bühne und hinterlässt nicht nur eine Lücke, sondern steht für das unvermeidliche Ende einer großartigen Epoche.

Natürlich haben seine genialen Entwürfe die Kinder ebenso fasziniert wie die Großen. Früher fanden sie vielfach Eingang in die Welt der Spielzeugautos: nahezu kein Hersteller mit Rang und Namen, der keinen Lamborghini Miura im Programm hatte! Heute ist es nicht anders, in 1:43 wie in 1:18 sind Gandini-Schöpfungen omnipräsent – natürlich seine Lambos, aber auch Alfa Montreal und Carabo, Lancia Stratos, seine Maseratis oder der Fiat X1/9. Doch Gandini war auch für „Brot und Butter“ gut und zeichnete den Audi 50/VW Polo I, den Autobianchi A112, den Fiat 132, den Citroën BX und den Renault Supercinq, ja sogar den Renault-Schwerlastwagen Magnum. Das Caramini-online-Team hat seine Sammlungen durchforstet und eine Anzahl Miniaturen zu Tage gefördert, die wir hier gern als Hommage an Marcello Gandini abbilden. Wir hätten uns für 1:18 entscheiden können, es wäre genügend vorhanden gewesen. Haben wir aber nicht. Auch nicht für 1:43-Modellautos aus jüngerer Zeit, womit wir diesen Beitrag auch hinreichend hätten illustrieren können. Stattdessen votierten wir für zeitgenössische 1:43-Miniaturen (mit ein paar Maßstabsausreißern nach oben und unten), und auch da können wir nicht alles zeigen, was es gibt (respektive: was in unseren Sammlungen steht), weil dies den Rahmen sprengen würde. Wir mussten eine Auswahl treffen und hoffen, diese wiederum trifft des Lesers Geschmack.

mh