Der Vater des Miura ist tot – Ein Nachruf auf Marcello Gandini
Italienische Design-Prominenz unter sich: Marcello Gandini (re.) und sein Chef Nuccio Bertone vor einer Ferrari-Rainbow-Skizze im Januar 1976. Gandini und Bertone bleiben untrennbar verbunden durch sein Erstwerk als Chefdesigner, der Lamborghini Miura. Foto: Archivio Stile Bertone
Er ist Mister Miura. Er ließ die Jungs in den 60ern träumen von einem wilden, aufgeregten, einmaligen, unnachahmlichen Design eines ebensolchen Traumwagens. Als gerade mal 25jähriger zeichnete Marcello Gandini, damals bei Bertone, den Lamborghini Miura. Nun starb er im Alter von 85 Jahren.
Am 13.März 2024 ist Marcello Gandini in seinem Heimatort Rivoli am Rande Turins verstorben. Er lebte seit Jahren zurückgezogen auf einem großzügigen Landsitz, in dem er bis zuletzt sein Büro für Industrial Design betrieb und sich vorrangig mit der Optimierung der Konstruktion und Fertigung von Automobilen befasste.
Diese eher technische als ästhetische Aufgabenstellung stand auch am Anfang seiner beruflichen Interessensentwicklung, die ihn schon im Alter von sechzehn Jahren von der eher schöngeistigen Familientradition weg und hin zur Beschäftigung mit Fragen der Automobiltechnik führte.
Sein Wunsch, beim Karosseriebauer Bertone eine Anstellung zu finden, ging zunächst nicht in Erfüllung – auch weil sein Kollege Giorgetto Giugiaro dort den Posten des Chefdesigners für weitere drei Jahre inne hatte und wahrscheinlich kein Interesse an einer starken internen Konkurrenz hatte. Betrachtet man heute die Lebenswerke dieser beiden gleichzeitig aktiven Ausnahmedesigner, kann man sich ein Zusammenarbeiten auch fast nicht vorstellen.
Nach Giugiaros Weggang 1965 war dann der Weg für Gandini frei und er blieb sechzehn Jahre in führender Position bei Bertone. In dieser Zeit schuf er eine große Zahl von Ikonen italienischen Autodesigns, beginnend mit dem Lamborghini Miura, einem Projekt, das noch unter Giugiaro begonnen worden war. Es folgten etliche stilbildende Entwürfe wie die Alfa Romeo Montreal und Carabo, der Lancia Stratos als Studie und Serienfahrzeug, Lamborghinis Marzal, Espada, Countach und Urraco sowie, als einziger nicht von Pininfarina gezeichneter Ferrari seiner Zeit, das Mittelmotorcoupé 308 GT 4. Ein jeder zählt zu den berühmtesten Autodesigns aller Zeiten. Während seiner Jahre bei Bertone erarbeitete sich Marcello Gandini den Ruf, ein Ausnahmetalent zu sein. Seine Schöpfungen bedienten nicht den Massengeschmack (das war eher Giugiaros Domäne), sondern ließen die Massen träumen vom Unerreichbaren.
Nach seinem Weggang von Bertone, das er unter anderem wegen der immer größer werdenden bürokratischen Strukturen verließ, arbeitete Gandini als Freelancer weiterhin erfolgreich für Automobilfirmen in aller Welt, darunter Renault, Maserati, Lamborghini, Bugatti und Cizeta. Sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit wenige Wochen vor seinem Tod war die Entgegennahme der Ehrendoktorwürde des Instituts Politecnico in Turin für sein Lebenswerk und die Verdienste um die Forschung und Innovation im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Automobilen, die mit vielen Patenten gekrönt war.
Mit Marcello Gandini verlässt ein weiterer wichtiger Protagonist der italienischen Automobilkunst die Bühne und hinterlässt nicht nur eine Lücke, sondern steht für das unvermeidliche Ende einer großartigen Epoche.
Natürlich haben seine genialen Entwürfe die Kinder ebenso fasziniert wie die Großen. Früher fanden sie vielfach Eingang in die Welt der Spielzeugautos: nahezu kein Hersteller mit Rang und Namen, der keinen Lamborghini Miura im Programm hatte! Heute ist es nicht anders, in 1:43 wie in 1:18 sind Gandini-Schöpfungen omnipräsent – natürlich seine Lambos, aber auch Alfa Montreal und Carabo, Lancia Stratos, seine Maseratis oder der Fiat X1/9. Doch Gandini war auch für „Brot und Butter“ gut und zeichnete den Audi 50/VW Polo I, den Autobianchi A112, den Fiat 132, den Citroën BX und den Renault Supercinq, ja sogar den Renault-Schwerlastwagen Magnum. Das Caramini-online-Team hat seine Sammlungen durchforstet und eine Anzahl Miniaturen zu Tage gefördert, die wir hier gern als Hommage an Marcello Gandini abbilden. Wir hätten uns für 1:18 entscheiden können, es wäre genügend vorhanden gewesen. Haben wir aber nicht. Auch nicht für 1:43-Modellautos aus jüngerer Zeit, womit wir diesen Beitrag auch hinreichend hätten illustrieren können. Stattdessen votierten wir für zeitgenössische 1:43-Miniaturen (mit ein paar Maßstabsausreißern nach oben und unten), und auch da können wir nicht alles zeigen, was es gibt (respektive: was in unseren Sammlungen steht), weil dies den Rahmen sprengen würde. Wir mussten eine Auswahl treffen und hoffen, diese wiederum trifft des Lesers Geschmack.
mh
Es gibt zeitgenössisch viele Miuras und keinen schlechten Miura. Nur unterschiedlich gute. Mit dem Miura gab sich jeder Hersteller so viel Mühe, wie er konnte. Politoys strengte sich besonders an: „sei aperture“, sechs zu öffnende Teile. Vier hatte nahezu jeder. Beim Politoys geht zusätzlich der kleine Kofferraumdeckel auf und die Lüftungsöffnungen vorne sind beweglich. Das Blaue Modell vorne rechts ist eine Politoys-Kopie von Joal aus Spanien. An ihm gehen nur drei Teile auf. Und der Gelbe hinten rechts ist die vereinfachte Politoys-Version, die vereinfachte Controler-Jammer-Variante. Modellfotos: bat
Einen herrlichen Miura schuf Solido aus Frankreich, formal, auch konstruktiv. Mit funktionierender Achsschenkellenkung. Auch er strippt vollständig, vordere und hintere Haube sowie die Türen gehen auf. Das Modell in Blaumetallic ist aus den alten Solido-Formen von Solido selbst in den 90er Jahren entstanden, damals unter dem Label Verem.
Auch bei Mebetoys vier bewegliche Teile, doch Mebetoys machte aus dem Miura kein Ausnahmemodell, sondern ein Modell auf üblichem Mebetoys-Level. Das ist gut, aber nicht exorbitant.
Matchbox verirrte sich Ende der 60er in einen etwas größeren Maßstab als üblich und schuf die King-Size-Modelle, aus denen, nach Umstellung auf Superfast-Räder, die Speedkings wurden. Ganz an 1:43 wagte sich Matchbox nicht heran, sondern beschränkte sich auf circa 1:50. Formal guter Miura, nur die hintere Klappe zu öffnen.
Der Alfa Romeo Montreal, formal dem Miura recht nahe, aber nicht so radikal. Hinten zwei Mal Mercury aus Italien, und obgleich die beiden auf dem Foto wie Doubletten wirken, ist der Linke, bei Naturlicht betrachtet, in reinem Goldmetallic und der Rechte in einem ins Orangefarbene tendierenden Gold lackiert. Der Vordere sieht ebenfalls nach Mercury aus, sein Formwerkzeug stammt auch von Mercury. Aber es wurde an Nacoral in Spanien verliehen, und der einzige Unterschied ist, dass auf der Bodenplatte „Nacoral“ statt „Mercury“ steht. Und es gibt noch einen weiteren Unterschied, aber nicht modellimmanent: Der Nacoral ist weit seltener.
Auch Norev machte einen Montreal, in der Jet-Car-Serie. Das waren deren Zinkdruckguss-Modelle. Im Laufe der Zeit wechselten die Räder, der Grüne hat eingesetzte Felgen in Plastikreifen (schlimm genug!), der Rotmetallicfarbene hat die grauenerregenden, einteiligen Knubbelräder der späten 70er Jahre. Grund genug für den Modellbauer, einen Norev-Montreal zu modifizieren: die Türen für immer geschlossen, vernünftige Zubehörfelgen von Tron und eine schöne, rote Lackierung.
In seiner großen Serie im Maßstab 1:25 schuf Politoys bemerkenswert schöne Miniaturen nebst formal völlig verfremdeten Scheußlichkeiten. Der Alfa Romeo Montreal gehört zu den Vorzeigemodellen von Politoys in diesem Maßstab. Entsprechend gesucht ist er heute.
Nochmals ein Alfa Romeo, nochmals Gandini: Der Alfa Carabo, in gewisser Weise eine Neuinterpretation des Miura-Designs unter veränderten Vorzeichen: Die einzige Rundung ist der vordere Radausschnitt (warum eigentlich?), alles andere ist eckig und flach und natürlich innovativ – die sich nach oben öffnenden Scherentüren waren damals unerhört, und nur Banausen verglichen sie mit den Flügeltüren des Mercedes 300 SL W198/I. Der Carabo basiert auf dem Rennsportwagen Alfa Tipo 33 und war ungemein populär. Das Matchbox-Superfast-Modell verkaufte sich hundertausendfach. Im Bild die beiden schönsten 1:43er, wobei einer schöner ist als der andere: Dinky Toys Frankreich (rechts) schuf eine perfekte Miniatur, und Solido machte eben ein Solido-Modell. Prima, aber die französische Dinky Toys-Filiale konnte es noch besser.
Ebenfalls ein Modell, das die Öffentlichkeit aufregte und in Atem hielt: Gandinis Lamborghini Marzal, vollverglastes Dach, ebensolche Flügeltüren, Präsentation Genfer Salon 1967, aber vorher schon weltberühmt: Fürst Rainier und seine Gracia Patricia, die zuvor Grace Kelly war, eröffneten mit dem Wagen den Großen Preis von Monaco. Kaum ein Miniaturautohersteller verweigerte sich dem Marzal, und wir haben uns eher die Exoten ausgesucht: hinten zwei Mal das belgische Sablon-Modell mit Box, aber in der Werbeversion für Chocolates Jacques. Rechts daneben der silberne und vor ihm der gelbe Marzal entstammen ebenfalls den Sablon-Werkzeugen, wurden aber bei Nacoral in Spanien produziert. Der Weiße ganz links mit Box ist eher trivial, ein Politoys-Modell mit unschönen Plastikrädern. Dann ein paar Kleinigkeiten: Der Gelbe auf der Box von Speedy Velox (so heißen die kleinen Modelle von Mercury), der Weiße mit gelben Felgen davor von Penny (der Politoys-Marke für Autos in Matchbox-Größe) und der Orangefarbene ist ein hübsch gemachtes Hongkong-Spielzeugauto von Playart. Wir hätten auch zwei Dinky-Marzal in 1:43 zu zeigen, Giftgrün/Weiß mit Regular Wheels und Türkismetallic/Weiß mit Speedwheels, aber wir finden sie partout nicht…
Vom Marzal führt der Weg konsequent zum Lamborghini Espada, auch recht häufig miniaturisiert, und bei Siku durfte er dank Anhängekupplung sogar einen Anhänger mit Hauszelt ziehen und wurde zur Rennfeuerwehr befördert. Das wohl schönste, zeitgenössische 1:43-Modell kommt von Politoys, zunächst mit vorbildgerechten Rädern (rechts), dann mit „superschnellen“ Plastikrädern. Nacoral lieh sich die Politoys-Werkzeuge aus, und weil die gut sind, ist auch das Nacoral-Modell (hier: Rotmetallic) eine schöne Miniatur. Auch hier gilt: Nacoral ist seltener als Politoys.
Dieses Modell ist uns ein Rätsel, in jeder Hinsicht. Offensichtlich ein Espada, wenngleich die Form eigenwillig interpretiert und der Formenbau ziemlich dürftig gehalten ist. Das Modell kommt aus der Sowjetunion und dürfte aus den 80er Jahren stammen. Uns ist unklar, ob das als Spielzeug oder als Sammlerstück gedacht ist, ob das aus einem merkwürdigen, sowjetischen Plastik oder aus Resine gefertigt ist, ob das Groß- oder Kleinserie ist. Türen und Hauben gehen auf, was für ein Spielzeug und gegen Resine spricht…
…aber wenn man sich den Motorhaubenöffnungsmechanismus anschaut, wird man wohl kaum von einem Großserienfahrzeug für Kinder ausgehen können. Wer die beiden Fotos vergleicht, wird feststellen, dass der hintere Radausschnitt auf der Fahrerseite geschwungen ausgeführt ist und auf der Beifahrerseite völlig eckig. Ob uns ein Caramini-online-Leser Näheres zu dieser Obskurität sagen kann?
Der Jarama gehört zu den eher ungeliebten Lamborghini. Bevor Lambo völlig auf die Mittelmotorbauweise umstellte, war er der letzte neu vorgestellte Frontmotor-Lamborghini. Nur Politoys machte ein zeitgenössisches Modell, und das war keine herausragende Schöpfung: viel zu breit, die Proportionen nicht getroffen, und Politoys lieferte seinen Jarama stets mit Motorhaube und Kofferraumdeckel in anderen Farben als den Rest der Karosserie aus. Das roséfarbene Modell, ein Umbau ohne zu öffnende Teile und mit vernünftigen Tron-Felgen, versuchte zu retten, was am Politoys-Jarama zu retten ist.
Der Piranha ist ein ziemlich unsympathischer Raubfisch, bei uns glücklicherweise nur im Aquarium sozialisiert. Dennoch nannte Bertone seinen Designvorschlag auf Basis des Jaguar E Type 4.2, präsentiert auf der London Motor Show 1967, nach diesem putzigen Fischlein. Vielleicht lehnte er sich damit zu weit aus dem Fenster, denn später wechselte der offizielle Duktus auf „Pirana“, ohne „h“ (somit ein Ort in Albanien). Dennoch – am Heck prangte der Schriftzug „Piranha“. Politoys-Modell aus der preiswerteren Serie Europa, bei der nur die Türen aufgehen. Der Silberne mit nachträglich veränderten Felgen, mattschwarzem Chassis und rot lackiertem Interieur, der Gelborangefarbene ist original.
Der einzige Serien-Ferrari mit Bertone-Karosserie, eine Gandini-Schöpfung. Wenn die Vorgabe lautet, dass ein Auto mehr als zwei Sitze und einen Mittelmotor haben soll, so hat es der Designer schwer. Ihm bleiben wenige Möglichkeiten. Die Form muss in diesem Falle wirklich der Funktion nachfolgen. Ferrari 308 GT/4 Dino von 1973, silbern das originale Polistil-Modell (Anfang der 70er änderte APS seine Miniaturautomarke Politoys in Polistil), rot die „gepimpte“ Version eines Modellbauers, schön lackiert, vorbildgerechte Felgen und auch sonst ein paar Hübschigkeiten, die aus dem eher billigen Spielzeug ein vitrinentaugliches Modell machen.
Der einzige, zeitgenössische 1:43-Ferrari Rainbow kommt von Eidai aus Japan, eine Stylingstudie Gandinis auf Basis seines 308 GT/4, absolut eckig und kantig, mit herausnehmbarem Targadach und Mittelmotor. Man könnte sagen, mit dem Rainbow radikalisierte Gandini seinen Fiat X1/9. Jedenfalls war Gandini mit diesem „Wedge-Design“, das in den 80ern aufkommen sollte, seiner Zeit erneut voraus.
Das putzige Duo Fiat 850 Coupé und Spider wurde 1972 vom X1/9 abgelöst, der beides in einem war: Coupé und, dank herausnehmbarem Dachmittelteil, ein Spider mit Überrollbügel. Einen Ausblick auf den X1/9 gab Gandini mit dem auf dem Autobianchi A112 basierenden Bertone Runabout Barchetta von 1969. Der schönste zeitgenössische X1/9 stammt von Solido, in der preiswerteren Serie „Gam 1“ lanciert (kostete damals 7,50 D-Mark!), ein hübsches Modell mit zu öffnenden Türen. Ein weiterer Zeitgenosse kommt von Norev Jet-Car, hinkt dem Solido-Modell aber hinterher. Auch ihn haben wir, aber auch ihn finden wir nicht, sorry. Der kleine Hellblaue ist eine Hongkong-Rarität. Laut Bodenplatte lautet der Hersteller „CF“ und der Maßstab ist 1:66. Auch seine Schachtel gibt keine weiteren Auskünfte.
Der Lancia Stratos – wie der Montreal ein formaler Epigone des Lamborghini Miura. Mit dem Miura-Design wurde Gandini berühmt, mit diesem wurde er identifiziert, dieses wurde von ihm (in Variationen!) erwartet. Stratos ist ein unbedeutendes, griechisches Dorf, aber der Name klingt eher nach dem lateinischen Wort „stratum“, was „Straße“ bedeutet. Es gab immens viele zeitgenössische Stratöse, im Bild drei Mal Solido (rot das 1974er Modell, weiß der 1977er und blau der 1978er Chardonnet, was der französische Lancia-Importeur ist), rechts Norev Jet-Car, hinten mit Box ein Japaner von K.K. Sakura, ein 1974er Alitalia, welcher der formal schlechteste, aber seltenste auf diesem Foto ist.
Der Mittelmotor, der Tod guten Designs. Selbst der Talentierteste, also ein Mann vom Kaliber Gandinis, kann aus diesem Konzept kaum etwas Bezauberndes zaubern – vielleicht noch eher, wenn sich die Vorgabe auf einen Zweisitzer beschränkt. Wir waren gut 40 Jahre an Mittelmotorboliden gewöhnt und fanden sie deshalb gut. Erst seitdem es wieder einen Ferrari und Maserati mit Frontmotor gibt, realisieren wir, wie sehr unser ästhetisches Auge leiden musste. Lamborghini Urraco, zwei Mal von Mebetoys (links und hinten), das rechte Modell von Politoys, zwar schöner im Detail, aber zu breit geraten und somit misproportioniert.
Drei Jahre bevor es einen Rolls-Royce Camargue (mit Pininfarina-Karosserie) gab, gab es einen Citroën GS Camargue mit Bertone-, also Gandini-Karosserie, ein Einzelstück auf Citroën-GS-Basis, präsentiert auf dem Genfer Salon 1972. Aus dieser Zusammenarbeit entstand später der GS-Nachfolger BX aus Gandinis Hand. Den Citroën Camargue machte Norev in der Jet-Car-Serie, das abgebildete Exemplar nicht ganz original, sondern „gesupert“ (wie man in Miniaturautokreisen so schön sagt).
Vom Citroën BX gibt es natürlich viele Modellautos, aber das sind fast alles Spätgeborene. Als der BX 1983 erschien, war das klassische Spielzeugauto in seiner größten Krise. Rot und ebenfalls „gesupert“ das Norev Jet-Car-Modell in 1:43, dahinter ein BX in 1:37 von Guisval aus Spanien, eine fiktive Rallye-Paris-Dakar-Version. Der Blaue mit schwarzen Scheiben in seinem originalen Blister ist 1:43 und stammt von MC Toys (May Cheong aus Hongkong). Ebenfalls noch original geblistert ist das Norev Mini-Jet-Modell in Matchbox-Größe, und der Karton belegt, dass dieses Exemplar ursprünglich für dänische Kinder gedacht war.
Gandini konnte also auch Großserie, avantgardistisch der Citroën BX (da konnte er zeigen, was in ihm steckt), konventionell der Fiat 132 (da musste er zeigen, dass seine Bandbreite groß war). Er wird sich beim Zeichnen gedacht haben: Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing. Anzunehmen ist, dass Marcello Gandini während dieses Auftrags nicht sonderlich fröhlich war. Drei Mercury-Modelle in 1:43. Rechts die Ursprungsversion mit Metallfelgen in Plastikrädern, links das fiktive Rallyefahrzeug aus derselben Generation (die Felgen allerdings nachlackiert und die Decals sind nachträglich angebracht). Der Dunkelblaue ist die späte Version mit einteiligen Plastikknubbelrädern.
So schön kann ein Fiat 132 sein, wenn er nur groß genug ist! Fiat ließ nicht alle, aber einige Fahrzeuge in den 60er und 70er Jahren als Werbemodelle im Maßstab 1:13 (also wahre Riesen!) von Pocher komplett aus Plastik und hoch detailliert fertigen, frühe Modelle wie den Fiat 850 und 1300 sogar mit zu öffnender Motorhaube und separat eingesetztem Motor. Damit kann der Fiat 132 zwar nicht aufwarten, ist aber ein Ausbund an Detailtreue. Konstruktion und Teilefertigung bei Pocher in Italien, Montage bei Mehanotehnika in Izola in Jugoslawien (Jugoslawien war damals die verlängerte Werkbank Italiens, etliche vermeintlich italienische Miniaturautos stammen dorther). Diese konkrete Version mit Aufkleber „Kunden Test“ dürfte für den deutschen Importeur in Heilbronn oder zumindest für den deutschsprachigen Markt gefertigt worden sein, also auch für die Schweiz und Österreich.
Gandini konnte auch klein, sehr klein. Der entzückende Autobianchi A112 entstammt seinem Zeichenbrett und seinem Genius, und der hübscheste A112 ist die Mebetoys-Version. Autobianchi ließ auch Werbemodelle fertigen. Die tragen einen zusätzlichen, bedruckten Papiergrill mit Autobianchi-Logo, auf dem Wimmelbild der Olivfarbene links und der Rote dahinter. Zunächst Metallräder mit Gummireifen, zuletzt Knubbelräder (hinten rechts, der Orangefarbene), und mit einem mattschwarzen Papieraufkleber für die Motorhaube schuf Mebetoys eine Abarth-Version. Die ist selten, denn der Papieraufkleber war alles andere als dauerhaft. Das in der Mitte aufgestellte Phantasie-Rallyefahrzeug mit Minilite-Felgen ist nicht original (aber hübsch).
Das Politoys-Modell des A112 in 1:25: So hübsch der an anderer Stelle gezeigte Alfa Romeo Montreal ist, so verkorkst ist der Politoys-A112. Die Türen passen nicht und die Proportionen passen noch viel weniger. Muss man nicht haben – außer man ist wirklicher A112-Fan. Selbst für das Foto ließ sich die Türe nicht dazu bewegen, ordentlich zu schließen. Das ist kein Türspalt, das ist ein Türschlitz!
Auf Basis des kleinen Autobianchi schuf Gandini den Runabout Barchetta, quasi das Denkmodell zum Fiat X1/9. Corgi machte ein schönes 1:43-Modell, schon zu Whizzwheels-Zeiten, original hinten rechts in sonnigem Gelb, nachlackiert in pastelligem Gelb vorne links. Ein weiteres Modell kommt von Mebetoys, und dessen Formwerkzeuge wanderten später in die Sowjetunion zu DFI (Toys Factory Donetsk), woher das dunkelgrüne und das dritte gelbe Modell, nunmehr vorne rechts, stammen. Ein originales Mebetoys-Modell können wir nicht zeigen, haben wir nicht. Dass dies ein Defizit ist, wurde uns durch diese Gandini-Modellpräsentation schmerzlich bewusst und wir bemühen uns nun um einen Mebetoys Runabout Barchetta. Eine Sammlung ist schließlich nie komplett.
Unser letzter Gandini, der einzige deutsche Gandini: Audi 50/Volkswagen Polo von 1974/75. Schuco machte das VW/Audi-Werbemodell in 1:43, der taubenblaue Polo erfreut sich der VW-Werbebox. In Serienschachtel der orangefarbene Polo und der froschgrüne Audi 50. Schuco machte den Polo (nicht den Audi!) auch in 1:66, im Foto ebenfalls kermitgrün. Nach dem Schuco-Bankrott 1976 wurden Formwerkzeuge vom Konkursverwalter verkauft, einige gingen zu Brinquedos Rei nach Manaus in Brasilien, auch jene des 1:66-Polo. Das rote Feuerwehrauto im Vordergrund ist ein brasilianischer Rei.