Von Spidern und Spydern
Der Porsche heißt Spyder mit Ypsilon. Nur er darf so heißen. Alle anderen heißen Spider mit i. Das ist gängige Meinung. Falsch ist sie nicht. Aber richtig auch nicht. Zum Teil richtig eben. Hans-Jürgen Spychalla kniete sich ins Markenrecht hinein und förderte Erstaunliches zutage.
Zunächst mal die Spinne auf Englisch. Die schreibt sich „Spider“ mit i. Das Wort „Spyder“ gibt es im Englischen nicht (nicht mal für einen zweisitzigen Sportwagen mit flatterhaftem Verdeck, denn dazu sagen die Briten „Roadster“), aber es klingt gut und weckt Assoziationen an den Spy, also den Spion. Letztlich haben aber all die Porsche, Maserati, Fiat und Alfa Romeo Spyder und Spider mit dem Spinnentier gar nicht so viel zu tun. Ihre Bezeichnung geht, wie so oft, auf die alte Kutschenbauzeit zurück.
Der Maserati Ghibli hat bei Minichamps Tradition, offen und als Coupé. Ende 2004 erschien er in 1:43, die Wiederauflagen unter Maxichamps-Label erfolgten im August 2017 (Coupé) und im März 2024 (offen). Und dann ist da noch das phantastische Modell in 1:18, all open und all beautiful, in beiden Karosserievarianten im Dezember 2006 auf den Markt gekommen, keine Wiederauflage, heute hoch begehrt. Und Anfang 2025 deckte Minichamps den Ghibli, wieder in beiden Aggregatzuständen, in 1:87 ab. Die Kleinen und die Maxichamps-Wiederauflage des Cabriolets fielen bereits in die Zeit von Caramini-online und wurden hier präsentiert (31. März und 6. April 2025). Minichamps sprach vom „Ghibli Spyder“, doch wir schrieben vom „Ghibli Spider“, um das eventuelle Risiko der Verletzung von Porsche-Markenrechten an der Markenbezeichnung „Spyder“ zu vermeiden.
Ein schneller Blick auf die Internetseiten von Maserati zeigte, dass Maserati den klassischen offenen Ghibli als „Ghibli Spyder“ bezeichnet. Auch in dem alten Maserati-Prospekt aus dem Jahre 1969 wurde die offene Version als „Maserati Ghibli Spyder“ präsentiert. Dürfen die das? Ist das Maserati Ghibli Cabriolet nun ein Spyder oder ein Spider? Darf ein Spider ein Spyder sein? Oder hängt über den arglosen und unbedarften Mitmenschen das scharfe Schwert des Markengesetzes, stets bereit zum Zuschlagen, wenn das „S“-Wort gesprochen oder geschrieben wird? Viele verwirrende Fragen.
Es war einmal…
Woher stammen eigentlich die Bezeichnungen „Spider“ bzw. „Spyder“?
Zur Beantwortung hilft es, einen Blick zurück in die prä-automobile Vorzeit zu werfen, in der die Pferdestärken noch nicht vorne, in der Mitte oder hinten im Automobil saßen, sondern vor dem zu bewegenden Gefährt angespannt wurden. Es gab, entsprechend den heutigen Fahrzeugvarianten, eine Vielzahl von Kutschentypen. Einige dieser Typenbezeichnungen finden sich auch in der automobilen Neuzeit wieder, beispielsweise der Phaeton, der Break oder der Spider, auch das Cabriolet oder der Vis-à-Vis. Der Phaeton war eine kleine zweiachsige Kutsche, die vom Herrn oder der Dame selbst gefahren wurde, der Spider Phaeton oder Spider die leichteste und sportliche ein- oder zweispännige Variante. Die hohe Bauweise mit den großen Speichenrädern und der staksigen Fortbewegung führte zum Vergleich mit Spinnen (engl. spider).
In der automobilen Frühzeit wurden Kutschentypen als Bezeichnungen für Karosserievarianten verwendet. Augenscheinlich führte dies aufgrund fehlender Normungen bei der Aussprache des englischen Wortes „Spider“ auch zur alternativen Schreibweise „Spyder“. Die italienische Vereinigung der Karosseriebauer hatte daher in Kenntnis des Ursprungs von Karosseriebezeichnungen 1924 einen Beschluss verabschiedet, in dem 18 verschiedene Karosserietypen per Definition mit „i“ statt mit „y“ geschrieben werden sollten. Maserati, bereits 1914 gegründet, hat sich wohl nicht an den Beschluss gebunden gefühlt und, im Gegensatz zu anderen italienischen automobilen Mitwettbewerbern, den Karosserietyp „Spider“ weiter als „Spyder“ bezeichnet.
Während die italienischen Autobauer also weitestgehend den Begriff „Spider“ für leichte Sportcabriolets und teils auch für einsitzige Rennwagen verwendeten, bezeichnete Porsche in Deutschland im Jahre 1953 den Typ 550 1500 RS als „550 Spyder“ und auch in den Folgejahren verwendete Porsche die Bezeichnung „Spyder“ für offene Sportwagen immer wieder. Auch Audi hatte die phonetische Schreibweise des Wortes „Spider“ für die offene Version des Sportwagens „R8“ bevorzugt und im Jahre 2009 die Bezeichnung „R8 Spyder“ eingeführt.
Crashkurs Markenrecht
Es bleibt die Frage des Markenschutzes. Zum Verständnis ist ein kleiner Ausflug in die trockene, graue Theorie erforderlich. Das Markengesetz von 1995 führte den Markenbegriff als Ersatz für das Warenzeichen ein. Marken sind geschützte Kennzeichen, welche Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von jenen eines anderen Unternehmens unterscheiden. Von den unterschiedlichen Markenformen sind in unserem Fall von Bedeutung: die Wortmarke (ausschließlich Schriftzeichen), die Bildmarke (zweidimensionale Graphik) und die Wort-Bild-Marke (Elemente der Wort- und der Bildmarke). Wortmarken werden in einer einheitlichen Druckschrift eingetragen, gelten aber unabhängig davon auch für verschiedene Schriftarten, Schriftgrößen oder Kombinationen aus Groß- und Kleinschreibung. Sogenannte Registermarken entstehen durch Eintragung im Markenregister des deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA). Markeneinträge können in 45 verschiedenen Klassen erfolgen; der Markenschutz gilt nur für die ausgewählten Markenklassen. Für Fahrzeuge ist die Markenklasse 12 vorgesehen, für Spielzeug (wozu Modellautos offiziell zählen) die Klasse 28. Ein Markenschutz kann aber auch durch besondere Bekanntheit einer Marke entstehen. Fremde Marken dürfen nicht ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr markenmäßig verwendet werden. Im Gegensatz zur markenmäßigen Verwendung steht die erlaubte Markennennung bei rein dekorativem, redaktionellem oder vergleichendem Einsatz. Soweit die Theorie.
Markenschutz in der Praxis
Gehen wir nun in medias res und werfen einen Blick in die im Internet zugängliche Datenbank des DPMA-Markenregisters (Klassen 12 und 28, Wort-, Bild- und Wort-Bildmarken). Die Auswertung der Begriffe „spyder“ und „spider“ ergibt, dass aktuell insgesamt 59 geschützte Markeneinträge (internationale, europäische und deutsche Marken) bestehen, die entweder den Begriff „spider“ oder „spyder“ enthalten. Für die Audi AG sind beispielsweise die Wortmarke „R8 Spyder“ als deutsche (seit 2007) und europaweite Unionsmarke (seit 2009) in den Klassen 12, 18 und 28 sowie die Wortmarke „SPYDER“ als deutsche Marke in der Klasse 12 (seit 1992) eingetragen. Die Porsche AG hat sich die Wortmarke „918 Spyder“ als deutsche (seit 2010) und internationale Marke (seit 2011) für eine Vielzahl von Klassen und die Wortmarke „SPYDER“ als deutsche Marke in der Klasse 12 (seit 2005) gesichert. Spannend ist hierbei, dass die Wortmarke „SPYDER“ in der Klasse 12 augenscheinlich sowohl für die Porsche AG als auch für die AUDI AG eingetragen ist. Stellantis Europe wiederum, der Konzern, in dessen Schoße Maserati lebt, hat sich die internationale Wort-Bild-Marke „Spider“ unter anderem für Deutschland in der Klasse 12 gesichert. Diese Marke wurde 1996 eingetragen. Wir sehen also, dass sowohl die Marke „Spyder“ als auch die Marke „Spider“ geschützt sind. Nebenbei bemerkt, die Maserati S.p.A. hat sich die europäischen Unions-Wortmarken „Ghibli“ (2004) und „Maserati Ghibli“ (2009) für die Klassen 12 und 28 gesichert.
Wer bis hier tapfer durchgehalten hat, kann sich nun ein kleines Sternchen oder Bienchen an das Revers heften. Der langen Rede kurzer Sinn: Zum Glück dürfen wir Markenbezeichnungen im rein dekorativen, redaktionellen oder vergleichenden Einsatz verwenden und müssen nicht nur von einem „zweitürigen Sport-Cabriolet einer italienischen Automarke um 1970“ ohne weitere Namensnennungen berichten. Also Ende gut, alles gut. Der Maserati Ghibli Spyder darf mithin ein Spyder sein, wenn er auch natürlich ein Spider und ein 2-türiges Sport-Cabriolet ist. Und es darf weiter über die schönen Modelle im kleinen Maßstab unter Benennung der großen Vorbilder in Caramini-online referiert werden.
Hans-Jürgen Spychalla

Modellfotos: bat
